[628] Perú (hierzu Karte »Peru, Ecuador, Kolumbien und Venezuela«), span. El Peru, Republik in Südamerika, liegt, nachdem 1883 die Provinzen Tarapacá, Arica und Tacna an Chile abgetreten wurden (s. unten »Geschichte«), zwischen 2°20´-17°55´ südl. Br. und 68°50´-81°20´ westl. L., grenzt im N. an Ecuador, im O. an Brasilien und Bolivia, im S. an Chile, im W. an den Stillen Ozean und hat offiziell 1,769,804 qkm Fläche, nach planimetrischer Ausmessung aber nur 1,137,000 qkm.
Die 2150 km lange Küste verläuft einförmig und ist arm an Häfen, die besten sind die Baien von Callao und Payta. Die Brandung ist längs der ganzen Küste stark, das Anlanden schwierig und gefährlich. Die wichtigsten Inseln sind die an Guano reichen Chinchainseln, die St. Lorenzinsel (den Hafen von Callao bildend) und die Lobosinseln.
Die physische Beschaffenheit des Landes wird bedingt durch die Anden, die in mehreren Zügen in 110125 km Entfernung von der Küste das Land durchziehen (s. Kordilleren). Die westliche Hauptkette oder Küstenkordillere ragt mit ihren Gipfeln (Vulkan Misti 6102 m) in die Region des ewigen Schnees hinein; viele Pässe, und gerade die meist begangenen, steigen bis 4800 m an. Der schmale Saum im W. dieser Kordillere ist teils Ebene, teils niedriges Bergland (la Cuesta genannt), teils höheres, schluchtenreiches Mittelgebirge (La Sierra), indem zahlreiche Bergzüge von der Andenkette nach W. abgehen und an der Küste auslaufen. Der größte Teil dieses Küstenstrichs besteht aus wüsten Sandebenen. Mehr landeinwärts bildet diese Sandregion vielfach 5001200 m hohe Hochebenen, durch Längshöhenzüge voneinander getrennt. Zwischen der Küstenkordillere und der innern Kordillere erstrecken sich weite Hochebenen, die Paramos oder Punas, von durchschnittlich 4000 m Meereshöhe. Bisweilen ist die Puna von tiefen Tälern durchschnitten, die durch herrliches Klima und erstaunliche Fruchtbarkeit den schlagendsten Gegensatz zu den nahen hohen und eisig kalten Hochebenen bilden. Im nördlichen P. laufen vom Gebirgsknoten von Pasco fast parallel gegen N. drei Zweige der Anden aus, von denen der mittlere und östliche die ausgedehnten Längstäler des obern Marañon (das Tal von Tunguragua) und des Huallaga einschließen. Südwärts vom Knoten von Pasco ist dagegen das Gebirge in zwei Ketten gespalten, die sich weiterhin (13° südl. Br.) im Gebirgsknoten von Cuzco wieder vereinigen. Die zwischen ihnen liegende Hochebene wird durch mehrere Querketten in größere Unterabteilungen geschieden. Letztere sind: die Hochebene von Junin oder Bombon (4400 m hoch), von Huancavelica[628] (39004200 m), von Cangallo (3900 m) und von Cotobamba. Auf diesem ausgedehnten Gebirgsknoten, der unter 15° südl. Br. durch die hohe Querkette von Vilcanota (5300 m) begrenzt wird, liegt südöstlich die Hochebene von Quispicanchi, die vom obern Rio Vileamayu durchflossen wird und aus welcher der Nevado von Azungata hervorragt. Unter 15° südl. Br. spalten sich die Anden abermals in zwei Ketten, von denen die Küstenkette gegen SSO. weiter zieht, die Binnenkordillere dagegen, einen großen Bogen (Anden von Carabaya) gegen O. beschreibend, nach Bolivia übertritt und mit jener das 38004000 m hohe Hochland von Bolivia einschließt, in dessen nördlichem Teil das Becken des Titicacasees liegt, von dem aber nur die nordwestliche Hälfte zu P. gehört. Die Region zwischen diesem Becken und der Küstenkordillere, Collao genannt, besteht aus Punas von 4600 m Höhe ohne tief ein geschnittene Täler und gehört zu den ödesten Gegenden Perus. Gegen O. fällt das Gebirge durchgängig steil ab gegen die Region der mit Urwald bedeckten Gebirgsausläufer (la Montaña) und der gleichfalls mit Wald überzogenen Ebenen, die sich bis zur Grenze von Brasilien erstrecken. In der Montaña finden sich scharfe Gebirgskämme (Cuchillas, »Messer«) und zwischen ihnen tiefe Täler. Die bedeutendste dieser Ketten ist die große Apurimackette, die zwischen 12 und 13° südl. Br. von der Binnenkordillere abzweigt, später nach N. streicht und sich unter 8° südl. Br. in das niedrige Flachland des Amazonenbeckens verliert.
Der geologische Bau von P. ist ähnlich dem von Ecuador und Bolivia (s. d.). Die ältern Gesteine nehmen den östlichen Teil der großen, südöstlich streichenden Andenketten ein, und an sie schließen sich nach W. hin jüngere Gebirgsglieder an. Die östliche Hauptkette der Anden, die sich nördlich vom silberreichen Cerro de Pasco in zwei nach N. divergierende Ketten teilt, besteht aus granitischen Gesteinen, zu denen zwischen dem Huallaga und obern Marañon archäische Schiefergesteine (auch goldführender Talkschiefer) hinzutreten, ferner aus mächtigen, gegen SW. geneigten paläozoischen Ablagerungen, nämlich silurischen Schiefern, Grauwacken und Konglomeraten (bei Cuzco), an die sich weiterhin Devon und am Titicacasee gefalteter Kohlenkalk sowie bei Huancavelica Kohlen und Zinnober führen de Kohlensandsteine anlehnen; auch sind rote Sandsteine mit Gips und Salz, die der Trias zugerechnet werden, und rote, hier und da Kupfer führende Jura- und Kreidesandsteine und Konglomerate mit Porphyreinlagerungen beobachtet worden. Die westliche Kordillere läßt nirgends ältere Gesteine erkennen; sie besteht vielmehr wesentlich aus Porphyr führenden Jura- und Kreideablagerungen; ihr sind im südlichen Teil von P. mächtige Kuppen und Dome von jungvulkanischen Gesteinen (Andesit, Trachyt) aufgesetzt. Das im allgemeinen öde, wüstenartige Küstenland ist von quartären Bildungen (Sanden, Kiesen etc.) erfüllt, nur hier und da erheben sich Gebirgszüge, welche die sogen. Küstenkordillere bilden und aus Graniten, Dioriten, Syeniten und stark gefalteten Schiefern und Sandsteinen von altem Aussehen zusammengesetzt sind. Vulkane kommen nur im kleinern, südlichen Teil der Küstenkette vor und bilden dort die Gruppe von Arequipa. Hier finden sich auch Solfataren, Fumarolen und heiße Quellen. Erdbeben sind innerhalb des Küstenstrichs sehr häufig; die heftigsten waren 1746, wo Callao zerstört wurde und 5000 Menschen umkamen, 1756 und 1816, wo Trujillo, 1582, 1784, 1845, wo Arequipa teilweise zerst ort wurde. An heißen Quellen ist die Küstenkordillere reich, die meisten kommen auf beträchtlichen Höhen vor. Über die nutzbaren Mineraliens. unten (S. 631).
Die Bewässerung ist sehr ungleich. Sehr dürftig mit fließendem Gewässer ausgestattet ist das Küstengebiet, obschon es nicht weniger als 61, in der trocknen Zeit freilich meist wasserlose Flüsse aufweist. In den südlichern Provinzen gibt es lange Küstenstriche, die wegen Mangels an süßem Wasser fast unbewohnbar sind. Die einzigen stets Wasser führenden Flüsse sind hier (von N. beginnend): Rio Tumbez, Rio de la Chira, Rio de Santa, Rio Rimac, Rio de Canete, Rio Chincha, Rio Mages (bei Camana) und Rio Vit or (bei Quilca). Sehr reich an bedeutenden Strömen sind dagegen die Ebenen im O. des Gebirges, der Ostabfall desselben und zum Teil auch das Hochland selbst. Der vornehmste Fluß ist der Marañon, der hier unter 10°30´ südl. Br. auf dem Ostabhang der Küstenkordillere entsteht. Er nimmt an der Nordgrenze Perus den Huallaga und den mächtigen Ucayali auf, der aus dem Apurimac und dem Urubamba entsteht. Nachdem der Marañon nach Brasilien übergetreten ist, empfängt er noch mehrere aus den Ebenen Perus kommende ansehnliche Nebenflusse, unter andern den Yavari, dessen unterer Lauf die Grenze Perus bildet, und den Purus. An Seen ist P., besonders das Gebirge, sehr reich. Sie finden sich auf allen Pässen beider Kordilleren, oft kettenartig zusammenhängend (wie die Seen von Huascocha), sind aber meist unbedeutende Lagunen. Die ansehnlichsten Gebirgsseen sind der von Chinchaycocha bei Cerro de Pasco und der Urcossee bei Cuzco. An der Ostgrenze liegt der große Titicacasee in 3808 m Höhe. Große Moore sind auf den Hochebenen häufig.
Das Klima ist in den einzelnen Teilen des Landes sehr mannigfaltig. Die Schneelinie liegt im mittlern P. auf der Küstenkordillere in 5200 m, auf der Binnenkordillere in 4850 m Höhe. In der Regenverteilung herrscht der auffallendste Gegensatz, indem im O. der Anden die Regenmenge ebenso exzessiv ist wie an der Küste der Mangel. Auf der Westabdachung besteht die Küstenregion unmittelbar am Meer aus einem 2150 km langen Sandstreifen, der bis 500 m ü. M. ansteigt, nur längs der Flüsse einige fruchtbare Oasen enthält und fast völlig regenlos ist. Fünf Monate hindurch, vom November an, ist er, mit Ausnahme der Oasen längs der Flüsse, eine schauerlich öde Wüste ohne Pflanzen und Tiere, bis (von Mai bis Oktober) rieselnde Nebel (Garrua) das Land erfrischen und dann einen Teil der Sandflächen, vorzüglich die Hügelreihen, in wenigen Tagen mit einer üppigen Gras- und Blumendecke überkleiden. Die an der Küste gewöhnlich herrschenden Winde kommen aus S. Landeinwärts, bis zu 1300 m Höhe, umfaßt die Küstenregion die westlichen Täler der Kordilleren, wo an die Stelle der Nebel heftige Platzregen treten und die Temperatur noch höher ist als unmittelbar an der Küste. In der Punaregion ist im Winter (von Mai bis Oktober) die Luft trocken, die Nächte sind kalt; während der Regenzeit entladen sich fast täglich furchtbare Gewitter, gewöhnlich von Schneegestöber gefolgt. In der Waldregion der östlichen Abdachung der Binnenkordilleren beginnt die Regenzeit im Oktober und dauert bis in den April hinein. Temperatur: Lima Jahr 18,5°, Februar 23,4°, Juli 14,7; Arica Jahr 19,7°, Januar 22,0°, August 17,2° (Jahresextreme 28,0 und 13,3°).[629]
Das sandige Küstenland am Stillen Ozean zeigt als charakteristische Typen der Pflanzenwelt Kaktusgewächse und Mimosen, während die westlichen Kordilleren bis gegen 4000 m hin strauchartige Gewächse der Gattungen Calceolaria, Euphorbia, Salvia und Oxalis aufweisen, gemischt mit Stauden und krautartigen Pflanzen, unter denen Heliotropium peruvianum, dann Lupinus-, Clematis-, Echeveria- und Nicotiana-Arten zu nennen sind. Wald hingegen fehlt der ganzen pazifischen Abdachung der peruanischen Anden in einer mehr als 29 Breitengrade ausmachenden Strecke. Über 35004000 m hinaus folgt eine alpine Formation, hauptsächlich gebildet aus Baccharis-, Senecio-, Saxifraga-, Gentiana-, Astragalus-, Halenia-, Valeriana-Arten und zahlreichen Gräsern. In der Punaregion herrschen neben Gräsern (Stipa Ichu) und Tola-Sträuchern trockne Kompositen (Lepidophyllum-Arten), zerstreut Kakteen, dann aber auch mit prächtig gefärbten Blüten, Kalceolarien, Eskallonien, die, habituell unsern Alpenrosen gleichend, der Familie der Steinbrechgewächse angehören, ferner Gentiana- und Verbena-Arten. Eine reiche tropische Vegetation zeigt sich am Ostabhang der östlichen Kordillere und in den Tälern der Sierra, welche, die Punaregion durchquerend, nach der Tiefebene und zum Meere geöffnet sind. Hier sind die Erzeugnisse gemäßigter und heißer Klimate stufenweise verbunden. Während von kultivierten Pflanzen Apfelsinen, Zuckerrohr, Kaffee, Bananen, Mais etc. vortrefflich gedeihen, schließt sich die wild wachsende Flora an diejenige Brasiliens an mit ihrem Palmenreichtum, den Pisangs, Farnbäumen, Bromeliazeen, epiphytischen Orchideen etc. Dazu gesellen sich zwei Charakterpflanzen im obern Waldgürtel in Höhen von 15002500 m, die Cinchona-Bäume, welche die Fieberrinde liefern, und die Kokapflanze (Erythroxylon Coca).
Tierwelt. Während die Anden Perus zur patagonischen Subregion gezählt werden können, bilden die im O. sich ins Tal senkenden Urwälder und die daran sich schließenden Täler einen Teil der großen brasilischen Subregion. Die hohe Region der Anden ist die Heimat des Lama, des Huanako, des Alpaka und Vicuña, von Nagern finden sich hier die Wollmaus (Chinchilla) und Hasenmaus (Viscacha), von Raubtieren der Atoc (Canis azarae) und als charakteristisch für die Anden Perus und Bolivias ein kleiner Bär (Tremarctos ornatus). Die Vögel sind Wasser- und Sumpfvögel oder Raubvögel, unter denen der Kondor der bedeutendste ist. Am Westabhang der Anden begegnen wir den bekannten Tierformen der neotropischen Region: Gürteltier, Puma und Onze, Nabelschwein, Aasgeier und Papagei. Weit reicher aber ist dieses charakteristisch südamerikanische Tierleben in den Urwäldern des östlichen P. Hier finden sich typische Affen, Fledermäuse, besonders die Gattung Phyllostoma, von den Nagern das Aguti, eine kleine Baummaus und die Stachelratte, von den Zahnlosen das Gürteltier, Faultier und der Ameisenbär, von den Raubtieren Jaguar, Ozelot, Tigerkatze, Hyrare, Grison, Puma, Eyra, Yaguarundi, Tapir, Nabelschwein, Hirscharten, Beutelratte. Die Vögel sind außerordentlich zahlreich an Arten und Individuen. Hervorzuheben sind Schmuckvögel, Töpfervögel, Trogoniden, Papageien, Kolibris, Raubvögel, Eulen, Waldtauben, Sumpf- und Wasserhühner. Von Reptilien sind zu nennen Kaiman, Schildkröten, Schlangen, darunter die giftigen Bothrops-Arten und die Klapperschlange; unter den Amphibien ist bemerkenswert die Laubfroschgattung Nototrema. Auch die niedere Tierwelt ist sehr reich vertreten.
Nach den im Februar 1898 mit Chile getroffenen Vereinbarungen und den seit 1894 gegenüber Ecuador aufrecht erhaltenen Ansprüchen sowie nach der Berechnung der Volkszahl von 1896 stellen sich Areal und Bevölkerung gegenwärtig wie folgt:
Danach beträgt die durchschnittliche Volksdichte nur 2,6 auf 1 qkm, in Cajamarca 14, in Ancachs und Lambayeque 10, in Huancavelica, Libertad und Lima je 9, aber in Loreto nur 0,2 auf 1 qkm. Auf die Indianer kommen 62, die Mestizen 22,4, die Weißen 12, auf Mulatten und Neger 2 sowie auf Asiaten (besonders Chinesen, seit 1898 auch Japaner) 1,6 Proz. Die Einwanderung aus Europa ist gering. Eine deutsche Kolonie besteht in Pozuzu (s. d.).
Die Indianer treten am stärksten in der Puna und der Sierra hervor. Man unterscheidet Küstenindianer und Gebirgsindianer. Sie sind im allgemeinen mittelgroß, schlank und mehr zäh als kräftig. Eine bestimmte Nationalphysiognomie läßt sich bei ihnen nicht auffinden. Sie werden in der Regel sehr alt, wenn nicht übermäßiger Genuß von Branntwein ihr Leben abkürzt. Die gesamte einheimische Bevölkerung Perus gehört (mit Ausnahme der wilden und wenig bekannten Indianer in den Ebenen des Ostens) der sogen. andoperuanischen Rasse an und zerfällt in zwei Hauptvölkerschaften: die Ketschua oder Inkaindianer und die Aymara. Zu den erstern gehören alle Indianer von der Nordgrenze Perus südwärts bis in die Departements Cuzco, Puno und Arequipa, wo sie mit den Aymara zusammenstoßen, die im S. vorherrschen. Die Mestizen (Mischlinge von Weißen und Indianern) stehen ihrem physischen Charakter nach unter den Indianern. Die Weißen leben vorzugsweise in den größern Städten, namentlich an der Küste; die Neger und ihre Mischlinge beschränken sich fast einzig auf die tropische Küstenregion. Chinesen sind besonders als Arbeiter in den Guanogruben und Zuckerfabriken tätig. Vgl. Tafel »Amerikanische Völker II«, Fig. 8 u. 9.
An intellektueller Bildung steht P. wohl über den meisten übrigen Staaten Südamerikas, an moralischer Bildung dagegen weit unter ihnen, eine Folge der Eroberungs- und Zivilisationsart des Landes sowie der volkswirtschaftlichen Entwickelung zur spanischen Zeit. Dazu zogen die reichen Goldminen eine[630] Menge Abenteurer ins Land, infolgedessen der Landbau vernachlässigt und die einheimische Bevölkerung durch Zwangsarbeit in den Minen demoralisiert und aufgerieben wurde. So erhielt P. den entschiedenen Charakter einer Bergwerkskolonie, u. Ausschweifung, Verschwendung, Spielwut, Prozeßsucht, Unlust zu anhaltender, regelmäßiger Arbeit wurden die Nationallaster der Peruaner. Der Indianer, vor der Zeit der spanischen Eroberung lebensfrischer und heiterer, wie schon die Schätze seiner dramatischen und lyrischen Poesie zeigen, ist jetzt ungemein finster, verschlossen, ungesellig, zanksüchtig, träge und von Haß gegen die Weißen erfüllt; noch ungünstiger lauten die Urteile über die Mestizen. Die peruanischen Kreolen (Nachkommen von Spaniern) besitzen eine gewisse seine äußere Bildung, sind aber ebenfalls träge und entnervt und stehen meist unter der Herrschaft ihrer durch lebhaften Geist ausgezeichneten Frauen. Durch größere Energie zeichnen sich die Neger und ihre Mischlinge aus. Zu den Nationalvergnügungen der Peruaner gehören vorzugsweise Hahnenkämpfe und Stiergefechte; der Genuß von Branntwein ist allgemein, auch unter den Frauen, verbreitet. Die allein durch die Verfassung anerkannte Religion ist die katholische, doch wird die Ausübung andrer Kulte wenigstens in den größern Städten geduldet. Auf je 1000 Einw. kommen 900 Christen (882 Katholiken, 2 Protestanten, 16 andre) und 100 Nichtchristen. Die Republik zerfällt in ein Erzbistum (Lima, seit 1541) und 7 Bistümer: Chachapoyas, Trujillo, Ayacucho, Cuzco, Arequipa, Huanuco und Puno (die beiden letztern erst 1861 gegründet). Das Patronat über die Kirche übt der Präsident der Republik aus, dessen Zustimmung auch die päpstlichen Bullen und Breven bedürfen. Die vor der Emanzipation sehr reiche Kirche hat mehr und mehr ihren Einfluß auf das Volk verloren. Die einst sehr zahlreichen Klöster sind fast sämtlich aufgehoben, die ehemals so wichtigen Missionen (Jesuiten und Franziskaner) unter den Indianern bestehen längst nicht mehr. An Wohltätigkeitsanstalten besitzt P. nur 36 Hospitäler. Das fast ganz in den Händen der Geistlichen liegende Unterrichtswesen ist sehr mangelhaft, obschon der Schulbesuch obligatorisch sein soll und die von den Gemeinden unterhaltenen Schulen frei sind. Von höhern Bildungsanstalten sind die Universität in Lima (die älteste in Amerika), dann die fünf »kleinen Universitäten« zu Trujillo, Ayacucho, Cuzco, Puno, Arequipa und zwei Gewerbeschulen zu nennen. Für die Bildung der Geistlichen sorgen geistliche Seminare in den Hauptstädten der Diözesen. Von größern Instituten für Wissenschaft und Kunst ist nur die Bergbau- und Ingenieurschule, von größern Bibliotheken nur die in Lima zu nennen.
Von der Gesamtoberfläche ist mindestens die Hälfte Waldland (Montaña), nur 360,000 qkm sind Ackerland. Zur Zeit der Inka stand der Ackerbau in hoher Blüte, durch künstliche Bewässerung wurde die dürre Küstengegend nutzbar gemacht. Unter der spanischen Herrschaft, die nur auf Ausbeutung der reichen Mineralschätze bedacht war, wurde der Landbau vernachlässigt, ja teilweise verboten, auch heute geht er infolge des ausländischen Wettbewerbs eher zurück. Die Küstenregion, die auf künstliche Bewässerung angewiesen ist, erzeugt namentlich Zuckerrohr (im Wachsen), Reis (im Niedergang), Wein (vornehmlich zur Branntweinbereitung), in der höher gelegenen wohlbewässerten Montaña baut man Zuckerrohr, Kaffee, Kakao, Baumwolle, Reis, Mais, Tabak, Indigo, Koka, Vanille, Maniok u.a., in der Sierra alle Getreidearten, Luzerne, Kartoffeln (die hier ihre Heimat haben) und auf den kalten Hochebenen, wo Weizen und Mais nicht mehr fortkommen, Quinoa (Chenopodium quinoa). Doch ist infolge des Mangels an Verkehrswegen selbst die Küstenregion für die Ernährung auf überseeische Zufuhren angewiesen. Die Viehzucht richtet sich vornehmlich auf die Zucht der einheimischen Auchenien (Lama und Alpaka) und auf Schafzucht, die sich jedoch auf das Hochland beschränken. Das Lama, das vollkommen gezähmt ist, während das Alpaka in halbwildem Zustand lebt, wird am meisten in den Südprovinzen Puno, Cuzco und Ayacucho gezüchtet; es dient besonders zum Warentransport. Der Hauptnutzen des Alpaka besteht in seiner Wolle. Aus der Wolle der Vicuña werden seine Gewebe und dauerhafte Hüte verfertigt. Die Schafe liefern gute Wolle, die meist im Gebirge selbst zu einem groben Zeug (bayeta) verarbeitet wird. Rindviehzucht wird nur im kleinen, namentlich zur Gewinnung von Butter und Käse, betrieben; die Pferdezucht ist unbedeutend. Der Wald enthält viele wertvolle Handelsprodukte; obenan steht die Fieberrinde. Man unterscheidet zwei Hauptregionen edler Cinchonen: die Huanucoregion (mit acht Spezies und Spielarten, seit 1778 ausgebeutet) am Abfall der Anden in der Provinz Huanuco, welche die »rote Rinde« liefert, und die Calisayaregion in der Provinz Carabaya, welche die »gelbe Rinde« erzeugt. Sonst kommt nur noch Sassaparille in größerer Menge in den Handel. Indianer sammeln Kräuter, Balsame (Peru-, Tolu- und Kopaivabalsam) und wohlriechende Harze ein, die sie im Lande selbst verkaufen. Eine steigende Bedeutung gewinnt die Ausfuhr von Gummi (1898 für 2,751,901 Soles).
Bergbau wurde schon in den ältesten Zeiten betrieben und ist neuerdings in starkem Aufschwung begriffen; man schätzt die gesamte Edelmetallproduktion bis Ende 1875 auf 31,220,000 kg Silber u. 163,550 kg Gold im Gesamtwert von 6076 Mill. Mk. Doch gehören die Bergwerke, die unter spanischer Herrschaft den größten Ertrag lieferten, insbes. das berühmte Revier von Potosi, seit 1778 zu Bolivia. Die reichsten Silbergruben Perus sind die bei Cerro de Pasco, andre werden bei Puno, Huantajaya, Hualguayoc u.a. O. ausgebeutet. Die Erze werden auswärts verhüttet; 1898 wurden für 9,481,213 Soles Erze ausgeführt. Fast alle Ströme führen Gold, das auch im Quarzgestein gefunden wird; die reichsten Fundstätten sind bei Huaylas und Tarma, in den Quellflüssen des Rio Puru, doch ist die Ausbeute nicht mehr so groß wie früher. Quecksilber findet sich bei Huancavelica am Ucayali und bei Chonta, silberhaltige Kupfererze bei Recuay und Guaraz, Wismut bei Mororoca, Steinkohle findet man bei Huallanca, Cerro de Pasco u.a.; auch Blei und Eisen sind vorhanden, werden aber kaum abgebaut. Mächtige Asphalt- und Petroleumlager hat man in neuester Zeit im nördlichen Küstenstrich auszubeuten begonnen; 1892 lieferten 49 Brunnen 500,000 Fässer Rohöl. Seitdem englische Gesellschaften den Betrieb der Minen in die Hand genommen haben, nimmt die Bergwerksindustrie einen neuen Aufschwung, so daß man 1891 wieder 4187 Gruben zählte, von denen 427 Gold, 2641 Silber, 46 Gold und Silber, 28 Kupfer, 20 Quecksilber, 278 Kohle und 613 Petroleum lieferten. Von dem reichlich vorhandenen Salz (namentlich am Rio Huallaga) wird auch zur Ausfuhr gewonnen;[631] ebenso Salpeter (dei Tarma). Seine ergiebigsten Salpeterlager hat P. ebenso wie die Guanoinseln (die übrigens teilweise abgebaut sind) an Chile verloren. Doch kommt auch auf dem Festland (Independenciabai) Guano vor.
Die Industrie ist noch nicht von großer Bedeutung, doch sind in neuester Zeit, besonders in der Hauptstadt Lima, 2 Fabriken für Baumwoll- und 3 für Wollgewebe, für Möbel, Stiefel, Schwefelhölzer, Strumpfwaren, Instrumente, Seifensiedereien und Kerzenfabriken sowie Brauereien und Kokainfabriken entstanden. Die Indianer lieferten von jeher schöne und seine Gewebe (besonders in Tarma und Umgegend) sowie hübsche Geflechte aus Palmenfasern, Hüte und Zigarrentäschchen, desgleichen Gold- und Silberarbeiten und Leder. Der Handel leidet unter dem Mangel gebahnter Straßen, wodurch der Verkehr zwischen den Seehäfen und dem bevölkertsten Teile des Landes, der Sierra, außerordentlich erschwert wurde. Man beschloß daher 1868, nachdem bereits die kleinen Bahnen Lima-Callao (1851), Lima-Chorillos (1859) und Arica-Tacna (1854) gebaut worden waren, ein Eisenbahnsystem in großartigem Stil herzustellen, das von 15 Hafenstädten ausgehen sollte. P. hat (1904) 1907 km Eisenbahnen, darunter die beiden kühnen Andenbahnen von Mollendo nach Puno am Titicacasee und nordwärts nach Sicuani und die Linie Callao-Lima-Oroya, die höchste Eisenbahn der Erde. Auf dem Titicacasee und den Nebenflüssen des Amazonenstroms hat sich ein lebhafter Dampferverkehr entwickelt. Ebenso wichtig ist der Amazonenstrom. Für Hebung des Handels ist durch Hafenbauten in Callao, Mollendo, Iquique, Cerro-Azul und bei Huaman gesorgt worden. Callao ist der bei weitem wichtigste Hafen der Republik. Der Handel hatte 1904 einen Gesamtwert von 8,364,642 Pfd. Sterl., davon Einfuhr 4,298,003, Ausfuhr 4,066,639 Pfd. Sterl. Die wichtigsten Ausfuhrgegenstände sind Zucker, Mineralien, Baumwolle, Wolle und Kautschuk. Eingeführt werden namentlich Baumwoll- und Seidenwaren, seine Kurzwaren, Maschinen, Eisen, Papier, Seife, Bier, Lederwaren, Streichhölzer, von Deutschland insbes. Eisenwaren, Tuch, Gewebe, Leinen, Kleidungsstücke, Spirituosen. Die peruanischen Häfen haben Dampferverbindung mit Liverpool, Southampton, Havre, St. Nazaire, Hamburg (Kosmoslinie), den Zwischenhäfen Bordeaux, Santander, Lissabon etc. sowie mit den Häfen der pazifischen Küste. Die Handelsflotte Perus bestand 1902 aus 60 Schiffen von 27,382 Ton. Der Schiffsverkehr betrug in Callao 1901: 2979 Schiffe von 1,534,943 T. Die Post beförderte 1902 durch 369 Ämter 11,666,799 Briefpostsendungen. Die Telegraphenlinien hatten 1903 eine Länge von 5327 km. Die Häfen Callao, Chorillos, Mollendo, Arica, Iquique sind mit dem die Küste bis Valparaiso begleitenden submarinen Kabel verbunden. Obgleich die metrischen Maße und Gewichte schon 1860 eingeführt wurden, bedient man sich außerhalb der Zollämter meisteas altspanischer. 1 Vara = 0,847 m, 1 Arroba Wein = 30,46 Lit. Der Quintal zu 4 Arrobas von 25 Libras = 46,014 kg wird = 1011/2 englische Pfund oder 46,04 kg gerechnet; die Fanega Getreide wiegt 6264,5 kg, die Carga Reis 15 Arrobas. Im Münzwesen wurde 1863 das Frankensystem angenommen: der Sol von 10 Dineros zu 10 Centavos 25 g schwer mit 9/10 = 4,05 Mk. der Talerwährung. Das Gesetz vom 13. Dez. 1901 brachte reine Goldwährung. Münzeinheit ist die libra peruana von 7,988 g mit 11/12 Feingehalt bei 2 Tausendteilen Toleranz an Feinheit und 1,6 an Gewicht = 10 Soles. der 20,429 Mk.; ihr steht der Sovereign völlig gleich. Banknoten laufen nicht um.
Nach der Verfassung vom 18. Okt. 1856, revidiert 25. Nov. 1860, werden der Präsident und zwei Vizepräsidenten auf vier Jahre vom gesamten Volk gewählt. Die Volksvertretung besteht aus einem Senat von 48 (je ein Mitglied für 13 Provinzen) und einer Deputiertenkammer aus 108 (eins für jede Provinz oder für je 1530,000 Einw.) departementsweise indirekt auf sechs Jahre gewählten Mitgliedern, die alle zwei Jahre zu einem Drittel erneuert werden. Wahlberechtigt ist jeder peruanische Bürger, der verheiratet oder Meister eines Handwerks ist oder ein Grundstück besitzt, der Steuern zahlt oder über 21 Jahre alt ist und lesen und schreiben kann. Wählbar zum Senat ist jeder 35 Jahre alte Peruaner von Geburt, der ein Einkommen von 800 Soles hat oder Lehrer einer Wissenschaft ist, zur Deputiertenkammer jeder 25 Jahre alte Peruaner von Geburt, der 400 Soles jährliche Einnahme hat oder Lehrer irgend einer Wissenschaft ist. Für Zwecke der innern Verwaltung zerfällt P. in 2 Provinzen und 17 Departements, letztere wieder in Provinzen und Distrikte. Die Departements werden durch Präfekten verwaltet, die Provinzen durch Subpräfekten, die Distrikte durch Gouverneure. Die Justiz wird durch einen höchsten Gerichtshof (in Lima), Obergerichte in Lima, Arequipa, Cuzco, Puno, Ayacucho, Truxillo, Cajamarca, Huaraz und Piurn, Richter erster Instanz in jeder Provinz und Friedensrichter in jedem Ort verwallet. Für die Ziviljustiz und das Prozeßverfahren gilt das dem französischen »Code« nachgebildete Gesetzbuch von 1852, für die Kriminaljustiz gelten seit 1863 das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung vom 23. Sept. 1862.
Die Finanzen haben sich infolge des unglücklichen Krieges mit Chile und des daraus folgenden Verlustes der Guanoinseln ungemein verschlimmert. Die Einnahmen waren für 1905 auf 2,346,273, die Ausgaben auf 2,351,762 Pfd. Sterl. veranschlagt. Die äußere Schuld aus den Anleihen von 1869, 1870 und 1872 im Belrag von 32 Mill. Pfd. Sterl. ohne Zinsen ist durch ein Übereinkommen mit den Bondsbesitzern getilgt worden, indem den letztern dafür sämtliche dem Staat gehörige Eisenbahnen, Guanolager, Bergwerke etc. zur Ausnutzung überwiesen wurden. Die innere Schuld betrug im Juni 1905: 3,137,000 Pfd. Sterl.
Heerwesen. Schon 1872 bestimmte das Wehrgesetz, daß jeder Peruaner mit dem 21. Lebensjahr verpflichtet sein sollte, 5 Jahre (3 in der Linie, 2 in der Reserve) zu dienen, aber 1898 wurde ein neues Wehrgesetz eingeführt, das die Wehrpflicht für jeden männlichen Bewohner des Staatsgebiets vom 19.50. Lebensjahr, jedoch mit Loskauf, festsetzt. Die Friedensstärke beträgt 6 Bataillone Infanterie zu 306 Mann in 4 Kompanien, 6 Eskadrons Kavallerie zu 125 Mann, 1 Regiment Artillerie in 2 Abteilungen zu je 3 Batterien zu 6 Geschützen, 1 Sappeurabteilung und 4 Garnisonkompanien. Die Kriegsstärke ist nicht bekannt. Die Streitkräfte des Landes bestehen aus dem stehenden Heere (Dienstzeit 3 Jahre bei der Infanterie, 4 bei der Kavallerie), der 1. Reserve (bis zum 30. Lebensjahre), der 2. Reserve (vom 30.35. Lebensjahre) und der Nationalgarde (bis zum 50. Lebensjahre), der auch die ausgelosten Überzähligen zugewiesen werden. Befreiungen und Vergünstigungen aus Berufs- und Familienrücksichten sind vorgesehen.[632] Hilfsdienstzweige sind: Intendantur, Kriegsarsenal, Direktion des Sanitätswesens, Militärgerichtshof, oberster Kriegsrat. Ein Generalstab der Armee ist laut Gesetz vom 14. Juni 1904 gebildet worden. Er zerfällt in vier Sektionen (Organisation und Ausbildung, technische und statistische Studien, Taktik, Geographie und Topographie). Die Ausbildung für den Generalstabsdienst findet in der höhern Kriegsschule zu Lima statt, Offizier- und Unteroffizieranwärter bildet eine Militärschule aus, deren Direktor auch die Schießschule untersteht. Die Flotte Perus ging zum größten Teil im Kriege mit Chile verloren und besteht heute nur noch aus einem Kreuzer mit 2 Geschützen, 2 andern Dampfern, einem Schulschiff und 6 kleinen Raddampfern. Das Wappen Perus ist ein in drei Felder geteilter Schild. Das rechte der beiden obern Felder enthält eine nach einwärts gerichtete Vicuña auf blauem Grunde, das linke einen Chinarindenbaum auf silbernem, das untere ein golden es Füllhorn auf rotem Grunde (s. Tafel »Wappen III«, Fig. 17). Die Flagge (s. Tafel »Flaggen I«) besteht aus drei vertikalen Streifen, die äußern rot, der mittlere weiß (bei Kriegsschiffen mit dem Wappen). Landeshauptstadt ist Lima.
[Geographisch-statistische Literatur.] Vgl. außer den Reisewerken von Pöppig (1835), J. J. v. Tschudi (s. d.), C. R. Markham (1856 u. 1862), Hill (1860), E. Grandidier (1861), Hutchinson (1874), Duffield (1877), Wiener (1880) u. a.: M. F. Paz Soldan, Geografia del P. (1862; franz. Ausg., Par. 1863) und Diccionario geográfico-estadistico del P. (Lima 1877); A. Raimondi, El P. (das. 1874, 3 Bde.) und El P., estudios mineralogicos, etc. (das. 18901902, 4 Bde.); Squier, Observations on the geography and archaeology of P. (New York 1870) und P., Reise- und Forschungserlebnisse (deutsch, Leipz. 1883); Carrey, Le Pérou (Par. 1875); Markham, Peru (Lond. 1880); Lemoyne, Colombia e P. (Tur. 1880); Cole, The Peruvians at home (Lond. 1884); Guillaume, The Amazon provinces of P. for European emigrants (das. 1888); Ydiaquez, Le Pérou en 1889 (Havre 1890); Middendorf, P., Beobachtungen und Studien über das Land und seine Bewohner (Berl. 189395, 3 Bde.) und Die einheimischen Sprachen Perus (Leipz. 1890 bis 1892, 6 Bde.); Haenke, Descripcion del P. (Lima 1901); Wieße, Lecciones de geografia del P. (das. 1902); Higginson, Mines and mining in P. (das. 1903); Laos, A handbook of P. for investors and immigrants (Baltimore 1903); A. Plane, A travers l'Amérique équatoriale: Le Pérou (Par. 1903); Dawson, The South American republics, 2. Teil (New York 1904). Karten: von Raimondi, 1: 500,000 (Lima u. Par., seit 1889), E. Higginson (nebst Text, Southampton 1903); »Atlas del P., politico, minero, agricol, industrial y comercial« (Lond. 1903).
Das Hochland von P. war der Sitz einer hochentwickelten einheimischen Kultur, doch läßt es sich, da die Peruaner keine Schrift besaßen, nicht ermitteln, wie weit dieselbe in die Vergangenheit zurückreicht. Jedenfalls sind dem Reiche der Inka, das bei der Entdeckung Amerikas gegen 300 Jahre alt sein mochte, andre Kulturepochen vorausgegangen, von denen nur geringe Spuren auf uns gekommen sind; so eine Periode des Steinkultus, deren Reste am Titicacasee und in der Gegend von Kuzko angetroffen wurden, die Kulturepoche von Tiahuanaco mit ihren architektonischen und bildnerischen Denkmalen; noch früher vielleicht die Kulturepoche, der die eigenartige Keramik von Catamarca ihren Ursprung verdankt (s. Tafel »Amerikanische Altertümer III«, Fig. 14). Die älteste Überlieferung läßt im Gebiete des heutigen P. drei Völkergruppen erkennen: an der Küste und in den Vorbergen die Chimuvölker, deren Hauptheiligtum in Pachakamak stand; in den Kordillerentälern die Keschua, in mehrere Staaten zersplittert, unter denen der von Huanuco besonders umfangreiche Spuren hinterlassen hat, und um das Seenplateau von Tiahuanaco die Aymara, die wohl die Nachkommen eines frühern Kulturvolkes vorstellen. Zu dem letztern Stamme scheinen die Inka (s. d.) gehört zu haben, die ihre Herrschaft allmählich von Quito bis zum Rio Maule und von der Küste bis an die Osthänge der Kordillere ausgedehnt haben. Die Spanier entdeckten P. unter Pizarro (s. d.) 1531 und eroberten das durch den Bruderkrieg zwischen Huascar und Atahualpa zerrüttete Land in kürzester Zeit und mit unglaublich geringen Hilfskräften. Allerdings war deshalb zunächst auch die Unterwerfung der Eingebornen mehr nur eine scheinbare, und ihre Erhebungsversuche wurden durch die Zwistigkeiten unter den Eroberern außerordentlich begünstigt. Abgegrenzt wurde das Gebiet der spanischen Provinz P. zuerst nach Süden, indem Karl V. dem Diego de Almagro (s. d.) das Gebiet von Chile zusprach. Nach Osten und Norden sind die Grenzen erst später allmählich festgestellt worden. Nachdem P. von 153748 fast ununterbrochen Schauplatz der Kämpfe gewesen war, in denen sich die Anhänger der Pizarros und Almagros befehdeten, stellte endlich der Lic. Pedro de la Gasca geordnete Zustände her.
Seit 1542 bildete P. ein spanisches Vizekönigtum mit der Hauptstadt Lima, zu dem noch Chile, Paraguay, Buenos Aires und Tierra Firme geschlagen wurden; erst 1739 wurde die Tierra Firme nebst Quito als eine besondere Statthalterschaft unter dem Namen Neugranada und 1776 Buenos Aires als ein eignes Vizekönigtum Rio de la Plata von P. getrennt. Der Vizekönig und der höchste Gerichtshof (Audiencia) residierten in Lima. Die Einkünfte waren bedeutend, besonders seitdem die reichen Silberminen des Cerro de Potosi 1547 entdeckt worden waren, und dank den unvergleichlichen Kulturarbeiten der Inka erhielt sich auch der Ackerbau auf einer gewissen Höhe. Der Handel wurde zwar dadurch beeinträchtigt, daß er unweigerlich seinen Weg über Portobelo und Panama nehmen mußte, warf aber denen, die sich damit befaßten, durch den Überfluß an edlen Metallen, der in P. herrschte, reichen Gewinn ab. Auch hier, wie in Mexiko, brachte es die bevorzugte Stellung des Landes mit sich, daß die vom Auslande geschürte Unabhängigkeitsbewegung nur langsam Fuß faßte. Von P. aus wurden 1809 Neugranada und 1813 Chile zurückerobert, und Argentinien fühlte sich nicht sicher, so lange noch die spanische Herrschaft in P. bestand. Nachdem der argentinische General San Martin der Revolution in Chile zum Siege verholfen hatte, landeten die verbündeten Argentinier und Chilenen 8. Sept. 1820 in Pisco. südlich von Callao. Unter dem chilenischen General Arenales drangen sie im Oktober in das Innere vor, besiegten 6. Dez. bei Pasco die Spanier unter O'Reilly und setzten sich in den Besitz der Gebirgsprovinzen östlich von Lima. Die Masse der Bevölkerung verhielt sich allerdings zunächst vollkommen teilnahmlos, doch gelang es San Martin, den Vizekönig Laserna zur Räumung von Lima zu[633] nötigen, worauf 28. Juli 1821 die Unabhängigkeit Perus proklamiert und 3. Aug. San Martin zum Protektor der neuen Republik erwählt wurde. Trotzdem waren in P. die Anhänger des alten Regimes noch immer in der Mehrheit. Daher suchte San Martin eine Stütze für die neugeschaffene Republik durch den Anschluß an Columbia. Er erkannte aber bald, daß der ungemessene Ehrgeiz Bolivars zunächst für eine wirkliche republikanische Freiheit keinen Raum ließ, und zog sich, um Zwistigkeiten zu vermeiden, in das Privatleben zurück. Damit fiel P. noch einmal an die Realisten, und wurde erst durch Sucres Sieg bei Ayacucho 9. Dez. 1824 endgültig befreit. Nur Callao blieb bis 22. Jan. 1826 im Besitz der Spanier. Oberperu erklärte 6. Aug. 1825 seine Unabhängigkeit und konstituierte sich unter dem Namen Bolivia als besondere Republik. Bolivar strebte danach, P. wie Bolivia mit Kolumbien zu einem Staate zu vereinigen und oktroyierte P. 9. Dez. 1826 eine antidemokratische Verfassung. Doch empörte sich P. dagegen, wählte Lamar an Stelle Bolivars zum Präsidenten und begann 1829 mit einem Einfall in Ecuador den Krieg gegen den Befreier, der nach dessen Tode mit der Anerkennung der Selbständigkeit Perus endete.
Seit seiner Losreißung von Spanien bot die Geschichte Perus das Bild immer steigender Anarchie, unzähliger Erhebungen ehrgeiziger Offiziere, schnell beendeter und meist nicht blutiger, aber fast jährlich wiederholter Bürgerkriege, moralischer Verwilderung und Verarmung. Der Präsident Lamar war 1829 durch Gamarra, dieser 1833 durch General Orbegoso gestürzt worden, gegen den aber schon 1835 eine Revolution unter Salaverry ausbrach. Orbegoso rief die Hilfe Bolivias an, dessen Präsident Santa Cruz 1836 P. mit Bolivia zu einer Confederación Bolivi-Peruana vereinigen und in ihr eine Diktatur ausrichten wollte. Darauf erklärten ihm Chile und Argentinien 1837 den Krieg und setzten 1839 Gamarra wieder als Präsident von P. ein. Nach mehrjährigen Kämpfen zwischen Föderalisten und Zentralisten riß 1845 der General Ramon Castilla, ein Mestize, die Gewalt an sich und verschaffte dem Freistaat sechs Jahre Ruhe. Regulierung des Finanzwesens, bessere Organisation der Armee, Vermehrung der Marine, Anlage einer Eisenbahn von Lima nach Callao, Förderung der Industrie und Eröffnung neuer Hilfsquellen waren die Hauptresultate seiner Regierung, und bei seinem Rücktritt (20. März 1851) ging die ausübende Gewalt zum erstenmal an den gesetzlich gewählten Nachfolger, den General Echenique, über. Aber die von diesem angeordnete Herabsetzung des Zinsfußes der Nationalschuld rief 1853 große Mißstimmung hervor, und als sich auch Castilla 1854 den Aufständischen anschloß, erlangten diese das Übergewicht. Nachdem Castilla die Truppen Echeniques 5. Jan. 1855 vor Lima geschlagen, wurde er als Staatsoberhaupt anerkannt. 1858 erließ er eine neue Verfassung, da diese aber die Ansprüche des katholischen Klerus nicht befriedigte und dieser mehrfach Aufstände anzettelte, wurde sie 1860 revidiert, jeder öffentliche Kultus außer dem römisch-katholischen verboten und das allgemeine Stimmrecht eingeführt. Unter dem Präsidenten Pezet (1862) brach ein Konflikt mit Spanien aus. P. hatte nämlich die von Spanien wegen gewalttätiger Angriffe auf baskische Kolonisten in Talambo erhobenen Beschwerden und die Erneuerung alter Schuldforderungen unbeachtet gelassen. Daher hatte ein spanisches Geschwader 14. April 1864 Besitz von den Chinchainseln ergriffen. Doch kam 28. Jan. 1865 eine Verständigung zustande. Indes diese Lösung befriedigte das künstlich gesteigerte Nationalgefühl nicht. Der Präfekt von Arequipa, Oberst Prado, erklärte sich gegen Pezet und rückte 6. Nov. 1865 in Lima ein, wo er zum Diktator ausgerufen wurde. Er schloß 5. Dez. mit Chile zu Lima ein Bündnis, dem auch Ecuador und Bolivia beitraten, und 14. Jan. 1866 erklärten die Verbündeten an Spanien den Krieg. Die spanische Flotte bombardierte zwar Valparaiso und (2. Mai 1866) Callao, doch litt sie dabei selbst so stark, daß sie 10. Mai abziehen mußte. Damit war der Krieg tatsächlich zu Ende.
Prado, dessen Ansehen durch diesen Erfolg sehr gestiegen war, trug sich mit durchgreifenden Reformplänen: er wollte die auswärtigen Anleihen mit dem Ertrag der Guanoinseln tilgen, Religionsfreiheit und freien Unterricht einführen u. dgl. Aber neue Aufstände hinderten die Durchführung und nötigten ihn, 1868 nach Chile zu flüchten. Zu seinem Nachfolger wurde Balta gewählt. Unter diesem wurde der Bau von mehreren größern Eisenbahnlinien begonnen und der Hafen von Callao erweitert. Zu diesem Behuf wurden in Europa zwei Anleihen, allerdings unter wucherischen Bedingungen, aufgenommen und dem Pariser Haus Dreyfus gegen die Zahlung großer Vorschüsse der Vertrieb des Guanos übertragen. Die reichlichen Geldmittel, die hierdurch zur Verfügung standen, ermöglichten 1868 die Überwindung furchtbarer Naturereignisse: das gelbe Fieber brach aus, 13. Aug. zerstörte ein Erdbeben Arequipa und eine Sturmflut zahlreiche Küstenplätze. Die Wahl des liberalen Zivilisten Pardo (13. Juli 1872) rief 22. Juli einen Militäraufstand in Lima hervor. Nach dessen gewaltsamer Niederwerfung betrieb aber Pardo mit Energie liberale Reformen, verkleinerte das Heer und verbesserte das Unterrichtswesen. Inzwischen hatten die kostspieligen Eisenbahnbauten die Staatskassen erschöpft, und die Krisis brach aus. Präsident Prado stellte die Zinszahlungen für die Anleihen ein und machte eine Wiederherstellung der Finanzen durch den verderblichen Krieg mit Chile (s. d., S. 29) für immer unmöglich. Eifersüchtig auf die Entwickelung der chilenischen Industrie, die sich die natürlichen Hilfsquellen von Bolivia und P. zunutze machte, schloß Prado mit Bolivia ein Schutz- und Trutzbündnis, worauf Chile 1. April 1879 an Bolivia und P. den Krieg erklärte. Anfangs errang der Monitor Huascar unter Kapitän Grau einige Erfolge über die chilenischen Kriegsschiffe. Aber nachdem er 8. Okt. in die Hände der Feinde gefallen, landeten die Chilenen in Pisagua im südlichen P., schlugen das peruanische Landheer 19. Nov. bei Dolores (San Francisco) und nahmen Iquique. Nachdem der unfähige Prado nach Panama geflüchtet war, bemächtigte sich Pierola 23. Dez. der Alleinherrschaft. Aber durch die Niederlage bei Tacna (27. Mai 1880) und den Fall von Arica (7. Juni) gingen die südlichen Provinzen verloren, und im Januar 1881 wurde die letzte peruanische Armee durch die Schlachten von Chorillos und Miraflores vernichtet und Lima von den Chilenen besetzt. Pierola floh, und es brach nun über P. eine völlige Anarchie herein, die selbst einen Friedensschluß mit Chile für längere Zeit unmöglich machte. Da der von einem Kongreß zu Chorillos im Juli 1881 ernannte Präsident Calderon eine Landabtretung an Chile verweigerte, ward er von den Chilenen abgesetzt. Als endlich General Iglesias 1883 in Cajamarca das Übergewicht erhielt, knüpften die Chilenen Verhandlungen mit ihm an, die am 20. Okt. 1883 zum Frieden führten,[634] in dem P. die Provinzen Tarapacá für immer, Arica und Tacna auf zehn Jahre abtrat; eine Nationalversammlung genehmigte 1884 den Vertrag, der P. seiner einträglichsten Provinzen beraubte. Aber die Eifersucht und der Ehrgeiz der politisierenden Generale waren unvermindert. Iglesias wurde 1885 von General Caceres gestürzt, der 1886 zum Präsidenten gewählt wurde. Ihm folgte 1890 Bermudez, nach dessen Tode 1894 sich Caceres wieder der Herrschaft bemächtigte. Bereits 1895 wurde er indes von Pierola gestürzt, der die Präsidentschaft bis 1899 übernahm. Unter seinem Nachfolger Romaña kam es über die endgültige Regelung des Schicksals von Tacna und Arica zu gereizten Auseinandersetzungen mit Chile, doch hat P. sich darein ergeben müssen, daß das Provisorium auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
[Geschichtsliteratur.] Vgl. Prescott, History of the conquest of P. (deutsch, Leipz. 1848, 2 Bde.); Desjardins, Le Pérou avant la conquête espagnole (Par. 1858); Wiener, Les institutions politiques, religieuses, économiques et sociales de l'empire des Incas (das. 1874); R. Brehm, Das Inkareich (Jena 1887); Paz Soldan, Historia de P. independiente 18191827 (Lima 187274, 2 Bde.); Markham, A history of P. (Lond. 1892); Barros-Arana, Histoire de la guerre du Pacifique (Par. 1881, 2 Bde.); Markham, The war between P. and Chili 18791881 (Lond. 1882); Ahumada Moreno, Guerra del Pacifico (Valparaiso 188486, 2 Bde.); Gutierrez de Sta. Clara, Historia de las guerras civiles del P., 1544 bis 1548 (Madr. 1904 f., 3 Bde.); de Mendiburu, Diccionario historico-biografico del P. (Callao 1874 bis 1890, 8 Bde.); ferner Tschudi und Rivero, Antiguedades Peruanas (Wien 1851); Reiß und Stübel, Das Totenfeld von Ancon in P. (Berl. 188087); De las Casas, De las antiguas gentes del P. (Madr. 1892); Seler, Peruanische Altertümer (Berl. 1892); Bäßler, Altperuanische Kunst (das. 1903, 4 Bde.), Altperuanische Metallgeräte (das. 1906) und Peruanische Mumien (das. 1906); »Bibliotheca Peruana«, Bibliographie (Santiago de Chile 1896) und die Geschichtskarten beim Artikel »Amerika« (Bd. 1).
Buchempfehlung
Diese Ausgabe gibt das lyrische Werk der Autorin wieder, die 1868 auf Vermittlung ihres guten Freundes Ferdinand v. Saar ihren ersten Gedichtband »Lieder einer Verlorenen« bei Hoffmann & Campe unterbringen konnte. Über den letzten der vier Bände, »Aus der Tiefe« schrieb Theodor Storm: »Es ist ein sehr ernstes, auch oft bittres Buch; aber es ist kein faselicher Weltschmerz, man fühlt, es steht ein Lebendiges dahinter.«
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro