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Raubvögel

[625] Raubvögel (Rapaces, Raptatores, hierzu Tafel »Deutsche Raubvögel«), Ordnung der Vögel, große, kräftige Tiere mit rundlichem. großem Kopf, starkem, gekrümmtem Schnabel, stark bekrallten Sitzfüßen und langen, spitzen Flügeln. Der Schnabel ist an seiner Wurzel mit einer weichen, die Nasenöffnungen umschließenden Wachshaut bekleidet, während die schneidenden Ränder und die hakige Spitze des Oberschnabels sehr hart und hornig sind. Die langen, starken Zehen, von denen die äußere bei den Eulen und beim Flußadler (Pandion) eine Wendezehe ist, tragen große, kräftige, spitze, gekrümmte und zurückziehbare Krallen. Die Konturfedern sind groß, meist wenig zahlreich; zuweilen bleiben Stellen an Hals und Kopf nackt, während anderseits dichtere Anhäufungen von Federn bei den Eulen den sogen. Schleier und bei den Adlern die sogen. Hosen bilden. An den Flügeln sind die Armschwingen besonders lang; Handschwingen sind zehn vorhanden. Der Schwanz ist breit und mitunter gabelartig ausgeschnitten. Der Kamm des Brustbeins ist sehr hoch, das Becken groß und breit. Das Gehirn ist verhältnismäßig gut entwickelt; von den Sinnen ist besonders das Gesicht, ebenso wahrscheinlich der Geruch außerordentlich scharf. Die R. ernähren sich von Tieren, vorherrschend von Warmblütern, die sie lebend erbeuten; manche fressen aber auch Aas. Vor der Verdauung erweichen sie die Nahrung im Kropf, aus dem sie die zusammengeballten Federn und Haare als Gewölle ausspeien. Sie sind über die ganze Erde verbreitet, und manche Eulen und Falken sind Kosmopoliten; nirgends aber sind sie zahlreich. Die nördlich wohnenden sind meist Zugvögel, viele leben als Strand- und Strichvögel. Sie nisten (horsten) auf Bäumen, Felsen, Mauern und Türmen; die größern legen kaum mehr als ein oder zwei, die kleinern bis sieben Eier. In der Regel brütet das Weibchen allein, dagegen hilft das Männchen bei der Ernährung der hilflosen Jungen. Viele schaden durch ihre Räubereien, manche nützen durch Vertilgung von Mäusen, Aas etc.; auch werden einige zur Jagd benutzt. Fossil treten die ersten R. im Eocän auf. Man kennt etwa 100 Gattungen und 500 Arten R. in vier Familien:


1. Familie. Eulen (Strigidae). Augen groß, Gefieder locker, Schwanz kurz, Beine niedrig, mit Wendezehe, Ohr meist mit Deckel, Kropf und Blinddärme fehlen; kosmopolitische Dämmertiere. Etwa 20 Gattungen mit 200 Arten.

2. Familie. Falken (Falconidae oder Accipitridae). Oberschnabel meist mit einem Zahn, Kopf und Hals befiedert, Flügel lang und spitz, Beine mittellang, mit starken Krallen. Ausgezeichnete Flieger mit weitem Jagdrevier, in dem sie meist einsam hausen; kosmopolitisch. Etwa 70 Gattungen mit 320 Arten; der Fluß- oder Fischadler (Pandion) wird häufig als besondere Familie (Pandionidae) abgetrennt; hierher die Unterfamilien Weihen (Milvinae), Feldweihen (Circinae), Habichte (Accipitrinae), Bussarde (Buteoninae), Adler (Aquilinae) und Edelfalken (Falconinae) (s. Tafel »Deutsche Raubvögel«).

3. Familie. Sekretäre (Gypogeranidae oder Serpentaridae). Sehr groß, Hals, Flügel, Schwanz und Läufe lang, Schnabel gebogen; einzige Art Gypogeranus serpentarius (Sekretär, Kranich- oder Stelzengeier, s.d.), in Afrika.

4. Familie. Geier (Vulturidae). Sehr groß, Kopf und Hals meist nackt, am Nacken vielfach ein Federkragen, Flügel breit und abgerundet, Füße kräftig, mit schwachen Zehen und stumpfen Nägeln. Ausdauernde Flieger, nähren sich meist von Aas; fehlen in Australien. 10 Gattungen mit etwa 25 Arten; Unterfamilien: Kondore (Grypomorphae oder Cathartinae), Bartgeier, (Gypaëtinae) und echte Geier (Vulturinae).


Über die Vertilgung der R. s. Raubzeug. Die alten Vögel sind sehr scheu und lassen sich nur selten anschleichen, dagegen sitzen sie beim Brüten, namentlich kurz vor dem Auskommen der Jungen, sehr fest auf den Eiern und müssen oft erst durch Anklopfen an den Baum, auf dem der Horst steht, zum Abstreichen veranlaßt werden. Will man sie beim Füttern der Jungen schießen, so muß man sich verdeckt beim Horst aufstellen und lange warten, denn sie fliegen nicht herbei, sobald sie etwas Verdächtiges gewahren. Die Jungen nimmt man entweder aus dem Horst aus oder schießt sie, wenn sie so groß sind, daß sie sich auf den Rand des Horstes stellen. Auch später lassen sich die ausgeflogenen und auf hohen Bäumen sitzenden Jungen bei trübem Wetter anschleichen; sie verraten sich durch ihr Schreien, womit sie die Alten zum Füttern herbeirufen. Abbildungen auf beifolgender Tafel und den Tafeln »Adler«, »Eulen«, »Geier«. Vgl. v. Riesenthal, Die R. Deutschlands (Kassel 1876–78) und Die Kennzeichen unsrer R. (4. Aufl., Berl. 1888); Fisher, The Hawks and Owls of the United States (Washingt. 1893); Schäff, Anleitung zum Bestimmen der deutschen Tagraubvögel nach den Fängen (Berl. 1893); Grevé, Die geographische Verbreitung der jetzt lebenden Raubtiere (Halle 1894); Hennicke, Die R. Mitteleuropas (61 Tafeln mit Text, Gera 1903) und Die Fänge der in Mitteleuropa vorkommenden R. (33 Tafeln, Dresd. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 625.
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