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Gewerbeschulen

[794] Gewerbeschulen, Unterrichtsanstalten, in denen Vorkenntnisse und grundlegende Fachkenntnisse für höheres Handwerk und technische Industrie gelehrt werden. Demgemäß wechselt die Bezeichnung mit andern ähnlichen, wie Industrieschulen, technischen Fachschulen etc. Auch gegen die Realschulen sind die G. nicht immer scharf abgegrenzt gewesen. In Preußen beginnt die Geschichte der G. mit P. Ch. W. Beuth (s.d.), der, damals vortragender Rat für Gewerbe im Finanzministerium, 1820 die Gründung des königlichen Technischen Instituts zu Berlin, eröffnet 1. Nov. 1821, seit 1827 Gewerbeinstitut, seit 1866 Gewerbeakademie, seit 1879 mit der Bauakademie zur Technischen Hochschule vereinigt, anregte. Die Unterklasse des Instituts, die anfangs nur gute Volksschulbildung voraussetzte, wurde auch als Gewerbeschule bezeichnet und ihr entsprechend eine Anzahl (bis 1852 deren 21) Provinzialgewerbeschulen eingerichtet. Seit der Umgestaltung des Gewerbeinstituts zur Polytechnischen Hochschule (1850) hatten die Provinzialgewerbeschulen zugleich für den Besuch einer akademischen Anstalt und für den mittlern Gewerbestand vorzubilden. Demgemäß erhielten die G. 1870 drei aufsteigende Jahresklassen. In die unterste wurden junge Leute mit der Reise für Sekunda der Gymnasien oder Realschulen erster Ordnung aufgenommen. Den beiden untern Klassen war mehr der allgemeine Unterricht (Mathematik, Deutsch, Französisch, Englisch, Geschichte, Geographie) zugewiesen, der Oberklasse der eigentlich technische. Diese gliederte sich in die parallelen Abteilungen A (Vorbereitung für die Gewerbeakademie), B (Baugewerbe), C (Maschinenwesen), D (Chemie). Die G., die diesen Aufbau annahmen, erhielten den Charakter »königlicher G.« Um dem Übelstand der sehr ungleichen Vorbildung der Schüler abzuhelfen, gründeten die Städte, welche die eigentlichen G. mit dem Staat zu gleichen Teilen unterhielten, meistens sogen. Vorschulen, d. h. realistische, die Stufen von Sexta bis Tertia einschließlich umfassende Realanstalten. Von dieser Gestaltung der G. war nur noch ein Schritt zu dem völligen Übergang der G. in den Kreis der allgemeinen höhern Bildungsanstalten realistischer Richtung. Er geschah unter gleichzeitigem Übergang des gesamten gewerblichen Schulwesens vom Handelsministerium auf das Kultusministerium 1. April 1879 (Erlaß des Handelsministeriums vom 1. Nov. 1878). Die G. mit den Vorschulen, abgesehen von den Fachklassen B, C, D, wurden Realschulen erster Ordnung ohne Latein, als welche sie 1882 die Bezeichnung Oberrealschulen (s.d.) annahmen. Von dem ursprünglichen Kern der G. blieben nur an einigen dieser Anstalten sogen. technische Fachklassen übrig, die sich mit zwei Jahresstufen an die durchlaufene Untersekunda der Oberrealschulen (Berechtigung zum einjährigen Dienst) anschlossen. Sie bildeten nicht mehr Bautechniker vor, wofür die Baugewerkschulen (s.d.) eintraten, sondern je nach örtlichem Bedürfnis Maschinentechniker, Chemiker, Hüttenleute. Die Oberreal- und Realschulen, auch soweit sie aus frühern G. hervorgegangen sind, unterstehen noch jetzt dem Kultusministerium, während 1885 die übrigen, die gewerblichen Fachschulen (s.d.), zumeist dem Handelsministerium zurückgegeben wurden. Die gewerblichen Fachklassen (s.d.) an Real- und Oberrealschulen sind infolge Einspruches der beteiligten technischen und industriellen Kreise wieder aufgegeben und durch selbständige Anstalten ersetzt. – Im außerpreußischen Deutschland versteht man unter G. hier und ha auch gewerbliche Fortbildungsschulen (s.d.). Doch hat das Königreich Sachsen die reich organisierten staatlichen höhern G. in Chemnitz. Diese technischen Staatslehranstalten umfassen: 1. Gewerbeakademie (vier Abteilungen für mechanische, chemische Technik, Bauwesen, Elektrotechnik; Aufnahmebedingung das erworbene Recht zum einjährigen Heeresdienst); II. Baugewerkenschule; III. Maschinenbauschule (mechanische und Elektrotechnik); IV. Färberschule; V. Gewerbzeichenschule. Außerdem bestehen städtische G. in Dresden, Leipzig (mit Werkmeisterschule), Limbach und Mittweida (Technikum. Abteilungen für Maschinen- und Elektrotechnik). Sonst gibt es in Sachsen wie in Württemberg, Baden, Hessen nur Real- und höhere Bürgerschulen einer-, Werkmeister- oder gewerbliche Fachschulen anderseits. In Bayern entsprechen den frühern preußischen G. mit ihrer doppelten Aufgabe, höhere Techniker für die Hochschule (in zwei Jahreskursen) und mittlere unmittelbar fürs praktische Leben (in drei Jahreskursen) vorzubilden, die vier Industrieschulen zu München, Augsburg, Kaiserslautern, Nürnberg. Sie umfassen regelmäßig je eine mechanischtechnische, eine bautechnische und eine chemischtechnische Abteilung. München hat auch eine Handelsabteilung. – In Österreich gliedern sich die 22 höhern G. in Abteilungen der bautechnischen, mechanischtechnischen, chemischtechnischen, elektrotechnischen, textiltechnischen und textilkommerziellen Fachrichtung mit je vier Jahresklassen. Aufnahmebedingung für die erste (untere) Klasse ist: Alter von 14 Jahren, erfolgreiche Absolvierung der 4. Klasse einer Mittelschule oder der 3. Klasse einer Bürgerschule und in der Regel Bestehen einer Aufnahmeprüfung. Vgl. »Das technische Unterrichtswesen in Preußen« (amtlich, Berl. 1879); Gallenkamp, Art. »G.« in Schmids »Enzyklopädie des Unterrichtswesens«; Grothe, Die technischen Fachschulen in Europa und Amerika (Berl. 1882); Lüders, Denkschriften über die Entwickelung der gewerblichen Fachschulen und der Fortbildungsschulen in Preußen 1879–1890 (das. 1891); Simon, Das gewerbliche Fortbildungs- u. Fachschulwesen in Deutschland (das. 1903); v. Klimburg, Die Entwickelung des gewerblichen Unterrichtswesens in Österreich (Tübingen 1900); »Zeitschrift für gewerblichen Unterricht« (seit 1886, Leipz.); »Zentralblatt für das gewerbliche Unterrichtswesen in Österreich« (amtlich, Wien).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 794.
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