[351] Orgel (v. gr. Ὄργανον, lat. Organum, ital. Organo, franz. Orgue), ein aus Röhren zusammengesetztes Blasinstrument, in Kirchen vorzugsweise zur Leitung des Gesangs, welches mittelst Bälgen u. einer Claviatur intonirt wird. Die Haupttheile einer O. sind das Pfeifenwerk, die Bälge, die Windbehälter u. das Regierwerk. I. Das Pfeifenwerk wird eingetheilt in Flöten- (Labial-) pfeifen od. Flöten- (Labial-) stimmen u. Zungen- (Rohr- od. Schnarr-) werke; erstere brauchen, um zum Klingen gebracht zu werden (zu ihrer Intonation, Ansprache), einen Kern, daher heißen sie Kernpfeifen; letztere aber eine Zunge (Blatt), daher Zungenpfeifen. Beide werden von Zinn, Holz od. Metall (mit Blei legirtem Zinn) gemacht. Ihre Gestalt ist säulenförmig, pyramidal, konisch, kuglig, bauchig etc. u. hat Einfluß auf ihre Klangfarbe od. ihren eigenthümlichen Ton, welcher meist andern musikalischen Instrumenten od. der Menschenstimme nachgeahmt ist. Ihre Länge bestimmt im Allgemeinen die Höhe od. Tiefe ihres Tons, so gibt eine offene Flötenpfeife, deren Länge 8 Fuß über ihren Kern beträgt, das C der großen Octave an; um das c der kleinen Octave hervorzubringen, muß sonach die Pfeife vier Fuß Länge haben etc., u. so klingt z.B. eine Pfeife von 32 Fuß 2 Octaven tiefer als das C der großen Octave. Die Orgelbauer nennen aber achtfüßig ein ganzes Register, welches mit einer Pfeife von 8 Fuß anfängt, obgleich die Pfeifen für die höhern Töne weit kürzer ausfallen. Beide Arten von Pfeifen werden oft auch oben verschlossen od. gedeckt (gedackt), wodurch sie nicht nur im Tone sanfter, sondern auch, dadurch die Deckung in ihnen eine doppelte Luftsäule erzeugt wird, welche schwingt, eine ganze Octave tiefer werden. Es bekommt daher eine gedeckte Pfeife von vier Fuß den Ton einer offnen don 8 Fuß. Bei erster aber sagt man, sie sei von 8 Fuß Ton. Die Deckung geschieht durch Stöpsel, Hüte u. Stülpe, welche oft auch wieder mit offnen Röhrchen (halbgedeckte Pfeifen) versehen werden. Auch die Enge od. Weite einer Pfeife od. die Mensur (enge u. weite Mensur) trägt zu ihrer Klangfarbe bei, enge Pfeifen geben einen dünnen, aber schneidenden (streichenden), weite hingegen einen vollen u. starken Ton. A) Jede zinnerne od. metallne Flöten- od. Labialpfeife besteht a) aus dem Fuß od. dem kegelförmigen, offnen Untertheil derselben, welcher in den Pfeifenstock zu stehen kommt; b) dem Kern, einer Metallplatte, die wagrecht über dem Fuße liegt u. die Hohlung der Pfeife bis auf eine kleine Spalte (Mundspalte, Lichtspalte, Stimmritze, Orificium) schließt; c) dem Labium od. der eingebognen Stelle über u. unter dem Kern, Unter- u. Oberlabium, u. d) dem Mund, Aufschnitt, der Öffnung am Oberlabium; e) den Bärten, kleinen, an beiden Seiten des Aufschnitts angelötheten Metallstreifen, die, wenn sie unter dem Aufschnitt angebracht sind, Winkelbärte heißen; f) dem Hut od. Deckel, wenn die Pfeife gedeckt ist; g) dem Körper (Corpus) od. dem übrigen Theil der Pfeife vom Aufschnitt an. B) Die hölzernen Pfeifen dieser Gattung haben im Wesentlichen die Einrichtung der Zinnpfeifen, nur ist ihr Körper aus vier Bretern zusammengesetzt. Der Kern wird durch ein eingeschobenes Bretstück od. einen Klotz gebildet; das. Unterlabium bildet ein Bret (Vorschlag) u. der Fuß wird durch eine viereckige od. runde Röhre gebildet, die am Boden der Pfeifen eingefügt ist. Wenn die größten Holzpfeifen aus Mangel an Raum nicht in ihrer ganzen Länge in die Höhe aufgestellt werden können, so werden sie gekröpft, d.h. ein Theil des Pfeifenkörpers wagrecht angesetzt , ja manchmal daran noch ein abwärts laufender Theil gefügt od. doppelt gekröpft Die Bestandtheile C) der Rohrpfeifen sind: a) der Stiefel (Büchse, Hofe), ein rundes od. viereckiges Rohr von Holz, welches den Pfeifenstoff umgibt u. in denselben zum Theil eingeleimt ist; kleine Pfeifen haben einen gemeinschaftlichen Klotz hierzu (Stiefelklotz); b) der Kopf, ein in der Mitte durchbohrtes, rundes od. viereckiges Holzstück, zum Theilin der obern Öffnung des Stiefels sitzend, in welchem sich c) das Mundstück (Nuß, Cylinder, Kelle, Schnabel, Pfanne, Rinne), ein läugs durchschnittner, messingner od. hölzerner Cylinder, befindet, auf dessen offnem Theile d) die Zunge (Blatt), ein die Öffnung des Mundstücks bedeckendes, dünnes Messingblatt, liegt; e) der Keil, von Holz, welcher durch den Kopf eingeschoben wird; f) die Krücke (Rasette), ein starker Messingdraht, welcher am Kopf angebracht u. mit einer angelötheten Krücke versehen ist; Keil u. Krücke halten die Zunge auf das Mundstück. Durch den einströmenden Wind vibrirt die Zunge u. gibt durch ihre Größe u. Beschaffenheit den Ton, welchen g) der Körper durch seine Größe, wie Gestalt u. Beschaffenheit nur modificirt.
Die Größe der Pfeifen einer O. differirt von 32 Fuß bis 1 Zoll. Pfeifen von einerlei Gattung u. Tonfarbe geben ein Register od. eine Stimme (Orgelregister, Orgelstimme). Man theilt die Register in einfache, d.i. solche, welche jeden Ton mit einer Pfeife hervorbringen, u. in zusammengesetzte, bei welchen auf jede Taste der Claviatur mehrere Pfeifen von einerlei Tonhöhe (Pfeifenchöre) zusammen ansprechen. Haupt- (Grund-) stimmen sind solche, die stets den Ton hören lassen, welcher auf der Claviatur angeschlagen wird; Füll- (Hülfs-) stimmen solche, welche den angeschlagnen Ton gar nicht u. dafür seine Terz, Quinte od. Sexte angeben; od. neben dem eigentlichen Ton der Taste noch seine Terz, Quinte, Octave etc. hören lassen. Beide Arten sind nur in Verbindung mehrer u. großer Stimmen od. bei vollem Werke, d.h. wenn alle Register einer O. gezogen sind, anwendbar, in welchem Falle sie, ohne hervorzutreten, den Ton verstärken u. schärfen. Die Register u. Stimmen s. unten IV.
II. Die Bälge sind den gewöhnlichen Blasebälgen ähnlich u. bestehen aus zwei über einander gelegten hölzernen, ungefähr 812 Fuß langen u. 56 Fuß breiten, viereckigen Platten, welche nach vorn, wo der Wind austritt, verjüngt ablaufen. Diese Platten sind entweder massiv aus Bohlen, od. aus einem Rahmen mit Breterfüllung (Bohlen- u. Rahmenbälge) gearbeitet. Die untere Platte des Balges liegt im Balghause, d.i. dem mit einem Verschlage versehenen Raum außer der O., auf dem Balggerüste fest, u. an ihr ist die obere Platte durch Roß- od. Hirschsehnen u. Leder charnierartig nach vorn zu verbunden u. bildet den Balgkopf. An den Seiten u. nach hinten hängen die Balgplatten durch die Falten, die entweder ganz aus Leder (Faltenbälge), od. gewöhnlich durch mit Leder verbundene schwache[351] Breter od. Späne (Spanbälge) gebildet werden, zusammen. Der ganze Balgkörper wird durch Leimanstrich u. an ästigen Stellen durch aufgeleimtes Leder u. da, wo sich die Faltenbreter berühren, durch Balgzwickel (zwickelförmige Lederstücken) winddicht gemacht. Die obere Balgplatte wird durch einen verschiedenartig daran befestigten Hebel, der in einen ziemlich starken Balken, welcher durch den Verschlag aus dem Balghause in die Balkenkammer ausläuft u. etwas von der horizontalen Richtung in die Höhe steht (Calcaturclavis, Calcaturclaviatur), durch den Calcanten (Balken- od. Bälgetreter), indem er sich darauf stellt u. denselben niedertritt, in die Höhe gezogen, u. der Balg dadurch geöffnet. Dies geschieht auch hin u. wieder durch Windenwerke, Kurbeln, Ziehen an Riemen etc. Der durch das Öffnen des Balges entstehende luftleere Raum wird durch das an der untern Balgplatte angebrachte Fangventil, einen mit doppeltem Leder überzogenen viereckigen, hölzernen Rahmen, welcher sich durch die zuströmende Luft nach innen öffnet, mit Luft gefüllt. Der so mit Luft gefüllte Balg wird nicht nur durch die Schwere der Balgplatten, sondern auch durch darauf gelegte Gewichte niedergedrückt, u. die dadurch zusammengepreßte Luft findet ihren Ausweg durch den Balghals od. Kropf. Um ein ungleiches Zusammenfallen der Bälge, wodurch der Wind stoßweise in die O. strömen würde, zu vermeiden, sind noch Gegen- u. Hülfsgewichte, so wie die unter dem Balg befindliche Strebefeder angebracht. Die Zahl der Bälge richtet sich nach der Größe der O. u. variirt bei Kirchenorgeln zwischen 212. Bei großen Orgeln entladen die kleinern Schöpfbälge ihren Wind in einen Hauptbalg, welcher durch den Evaenanten (Ausleerer) von überflüssigem Wind entladen wird, wenn er die größte Ausdehnung erreicht hat. Statt der Bälge wird auch das. Cylindergebläse (Cylindermaschine), ein winddichter Cylinder, in welchen ein mit Leder gepolsterter Stempel die Luft einzieht u. wieder auspreßt, angewendet. In kleinern Orgeln bedient man sich eines doppelten Balgs, welcher zugleich auf der einen Seite Wind schöpft u. auf der andern ausströmt (Wiederbläser).
III. Die durch die Bälge ausgepreßte Luft strömt nun in die Windbehältnisse, nämlich zunächst A) in den Windkanal (Windrohr) u. wird daselbst von den Kanalschnauzen aufgenommen, welche auch mit einem Ventile (Kanalventil) versehen sind, um das Entweichen des Windes (Windrauben, Windstehlen) zu verhindern, wenn der Balg schöpft. Die Windkanäle sind viereckige hölzerne. Röhren, welche mit Leim, der mit Bolus versetzt wird, ausgestrichen u. auswendig durch aufgeleimtes Leder winddicht gemacht werden. Der Hauptkanal nimmt den Wind unmittelbar aus den Bälgen auf; die von ihm ausgehenden Nebenkanäle (Windführungen) bringen den Wind an schicklich angebrachten Mündungen (Einfällen) in die Windlade. B) Die Windladen: zwei lange u. zwei kurze Schenkel von Eichenholz, je nach der Größe der O. 2 Zoll stark u. 3 bis 6 Zoll hoch, sind in einen Rahmen vereinigt (verzinkt), dessen innerer Raum von einem Schenkel zum anderen gegenüber, durch eingeschobene schwache Breter (Unterschiede, Dämme, Stege) in so viel Theile getheilt ist, als Pfeifen auf die Windlade zu stehen kommen. Diese Räume (Cancellen) sind durch genau abgepaßte u. eingeleimte Spunde, ehedem auch durch das Fundamentalbret (Sieb) an der oberen Seite ganz, an der unteren aber nur bis auf eine 6 bis 12 Zoll lange Öffnung verschlossen, u. in diese Cancellen strömt nun der Wind C) aus dem Windkasten, welcher unmittelbar unter der Windlade liegt u. seiner ganzen Länge nach mit derselben so verbunden ist, daß ihr unteres Bret, welches die Cancellen enthält, zugleich das obere des Windkastens abgibt. Die anderen Theile des Windkastens sind: a) das den Boden bildende mit Schrauben befestigte Beutelbret aus Eichenholz; b) die Windkastenschenkel aus 11/2 bis 2zolligen Bohlen bestehend, welche in der Mitte durchbrochen sind, wodurch die Abtheilungen entstehen, welche dem Winde den Zugang verschaffen; c) die Spunde u. Vorschläge aus viereckigen Bretern, welche auf den Kanten mit weichem od. rauhem Leder u. in der Mitte mit einem Henkel versehen sind, welche die Abtheilungen des Windkastens vorn verschließen. Die Vorschläge sind etwas größer als die zu bedeckende Öffnung u. werden aufgeschraubt, sind aber ebenso beledert, wie die Spunde. Den Ausschluß od. Zutritt des Windes in die Cancellen vermitteln die am Boden der Windlade angebrachten Ventile, auch Hauptventile (Spiel-, Windkasten-, Cancellen-, Ladenventile, Paraglossen), oblonge, doppelt belederte Hölzer von der Größe der zu bedeckenden Cancelle, u. ihrer sind eben so viel als das Manual od. Pedal (s. unten) Tasten enthält. Durch ein Stück Leder, den Schwanz, sind sie am Boden der Windlade befestigt. Ihr beweglicher Theil heißt Ventilkopf, welcher durch die Wind- (Ventil-, Schlag-) feder getragen u. an die Öffnung gedrückt wird, wenn sich das Ventil in Ruhe befindet. Diese aus gehärtetem Messingdraht bestehenden Federn, deren Druckkraft durch die in ihrer Mitte angebrachten spiralförmigen Windungen (Federangen) vermehrt wird, sind mit ihren einwärts gebogenen Schenkeln (Federfüßen) in schmalen ausgekehlten Leisten befestigt. Damit das Ventil bei seiner Bewegung nicht auf die Seiten abweichen kann, so läuft es zwischen zwei an beiden Seiten eingeschlagenen Stiften. Diese Federn sind durch, an ihnen angebrachte Henkel mit den Beutelstangen (Beutelruthen), an beiden Enden umgekrümmten, 3 bis 4 Zoll langen Messingdrähten, welche durch kleine im Beutelbrete angebrachte Löcher laufen, verbunden. Da durch diese Löcher sich der Wind verschleichen würde, so werden sie durch die Windsäckchen (Pulpeten, Bombeten), kleine, im Umkreise der Löcher angebrachte Säckchen von Schafleder, sobald das Ventil in Ruhe ist, verschlossen. Auf der Windlade oben liegen die Dämme, Streifen von hartem Holze, ebenso lang als die Windlade u. 1 bis 11/2 Zoll breit. Zwischen ihnen bewegen sich die Schleifen od. Parallelen, Latten von hartem Holze, etwas länger als die Windladen, mit ebensoviel angebohrten u. dann ausgebrannten Löchern versehen, als die Windlade Cancellen enthält. Sie sind verschieblich, so daß, wenn sie durch die Register angezogen werden, einmal ihre Löcher genau auf die Cancellen Massen u. die Luft durchlassen, im anderen Falle dieselben verschließen. Jede O. von nur einigem Belang hat mehre Windladen nöthig, u. man unterscheidet deswegen Baß- (Pedal-) windladen, worauf die Baßpfeifen zu stehen kommen; Hauptwindladen, wenn das Hauptwerk auf ihr steht; Doppelwindlade, wenn dieselbe doppelte Ventile hat u.[352] zwei Claviere speist. Die Windlade wird Schleiflade genannt, zum Unterschied von der jetzt seltneren Springlade, bei welcher die Schleifen fehlen u. die Ventile durch einen anderen Mechanismus zurücksprangen, wenn das Register abgestoßen wurde. Meist stehen alle Stimmen eines Manuals od. Pedals auf einer Windlade; sind sie aber getheilt, so stehen auf der C-Lade die Töne c, d, e, fis, gis b; der Cis-Lade: cis, dis, f, g, a, h. Über den Schleifen u. Dämmen der Windlade befinden sich noch die Pfeifenstöcke (Windstöcke, Stöcke), 1 bis 2 Zoll starke u. 3 bis 6 Zoll breite Hölzer; welche mit Schrauben auf der Windlade befestigt u. mit eingebrannten kesselförmigen Löchern versehen sind, die genau auf die Cancellen u. die Löcher der Schleifen passen müssen u. in welche die Pfeifen zu stehen kommen. Um aber den Pfeifen einen festen Stand zu sichern, unterstützt man dieselben durch die Pfeifenbreter, Pfeifenbänke u. Pfeifenleisten; erstere sind auf kurzen Säulen ruhende, wagrechte, durchlöcherte Breter, in welche die kleineren Pfeifen zu stehen kommen; letztere senkrecht stehende Leisten, an welche die langen Pfeifen, die zu diesem Zwecke mit einer Öse versehen sind, befestigt sind. Können die Pfeifen nicht in der Ordnung stehen, in welcher sie eigentlich stehen sollten, so erhalten sie ihren Wind durch Windführungen od. Laufgräben, winddichte Kanäle, die in den Pfeifenstöcken eingebohrt sind. Weit von der Windlade abstehenden Pfeifen wird der Wind durch metallene Röhren, Conducten, zugeführt.
IV. Das Regierwerk (Tractur) ist der Mechanismus, durch welchen der Orgelspieler die Pfeifen intoniren kann, u. besteht aus den Manualen u. dem Pedale. A) Die Manuale od. Claviere sind Claviaturen im Äußeren ganz der des Fortepiano ähnlich, welche mit den Händen gespielt werden, deren Umfang selten über vier Octaven beträgt. B) Das Pedal besteht aus großen Tasten, welche mit den Füßen gespielt werden, enthält selten etwas mehr als zwei Octaven u. ist so angebracht, daß der Spieler die Tasten bequem mit der Fußspitze od. Ferse erreichen u. spielen kann. Große O-n haben drei bis fünf Manuale u. zwei Pedale; kleinere ein bis zwei Manuale u. ein Pedal. Vor ihnen ist die Orgelbank, der Sitz des Organisten, welcher beim Spiel das Orgelwerk bei den gewöhnlichen O-n vor sich, bei manchen jedoch auch hinter sich hat. Die Manuale sind in einen Rahmen (Clavierrahmen) eingefügt, u. ihre Tasten fallen auf ein mit Tuch od. weichem Leder bezogenes Lager (Bett). Bei einer O. mit mehren Manualen liegen sie sämmtlich schief hinter- u. übereinander an einer in dem Orgelgehäuse angebrachten Vertiefung, dem Clavierschrank, über ihnen sind die Vorsetzbreter angebracht, welche sich leicht herausnehmen lassen. Um die entfernten Cancellenventile durch die Tasten öffnen zu können, sind an dieselben in senkrechter Richtung dünne u. schmale Holzstäbe (Abstracten, Pilotiden, Pilotten), welche in Scheiben (Kämmen) laufen, um ihr Schlottern zu verhindern, mittelst einer Schraube u. Mutter (Tastenschraube) an die Taste befestigt. Die Abstracten stehen in Verbindung mit den Wellen, wagrecht auf dem Wellenbrete od. Wellenrahmen (Wellatur) in hölzernen ausgebrannten Docken, worin sie sich zugleich bewegen, befestigt. An die Wellenärmchen wird die Abstracte u. die Wippe (Balancier), ein kleiner hölzerner Hebel, welcher in einer Wippenscheide läuft, gehängt. Oft verbindet ein Winkelhaken, d.i. ein kleiner hölzerner Winkel von Holz, noch eine zweite Abstracte od. auch ein kleines achteckig gehobeltes Stäbchen (Drucker) mit den schon beschriebenen Theilen u. setzt die Bewegung in verschiedener Richtung bis zu den Beutelstangen, welche die Caneellenventile aufziehen, fort. Sämmtliche mit der Taste in Verbindung stehende Theile begreift man unter dem Namen Angehänge. Ist die Einrichtung so, daß die niedergedrückte Taste das Angehänge zieht, so wird der Mechanismus ein Zugwerk genannt: wenn die Taste auf das Angehänge durch den Druck wirkt, so heißt es ein Druckwerk; ist die Taste hinten durchschnitten u. ihre beiden Theile durch ein Gelenk vereinigt, so heißt dies gebrochenes Clavier. Die Verbindung zweier od. aller Manuale, des Ober- mit dem Untermanual (Manualkoppel) u. des Pedals (Pedalkoppel) mit einem Manuale, so daß dasjenige, was auf dem einen gespielt wird, auch auf dem anderen mitklingt, geschieht durch die Koppel (Copula). Diese ist von verschiedener Einrichtung, als: a) Frosch- (Zug-) koppel, wenn man das obere an das untere Manual durch sie koppelt. Die Tasten des oberen Manuals erhalten dann an ihrer unteren Fläche kleine, geschlitzte Klötzchen (Frösche), in welche eine Schraube mit lederner Mutter, welche an der Taste des unteren Manuals befestigt ist, greift u. die Taste des oberen Manuals durch die Schraubenmutter mit herunter zieht, wenn die des unteren Manuals niedergedrückt wird. Diese Art des Koppelns wird auch mit Gabeln (Gabelkoppel) bewirkt, welche von dem unteren Manual auf das obere Manual wirken; b) Druckkoppel, wenn das untere Manual an das obere durch, an beiden Manualen angebrachte Frösche gekoppelt wird, welche im gekoppelten Zustande auf einander treffen u. dann die Tasten des oberen Manuals die des unteren Manuals herabdrücken; c) Angehängekoppel, wenn beim Koppeln des Pedals die Manualabstracten an die des Pedals angehängt werden; d) Windkoppel, wenn das Koppeln auch durch besondere Einrichtung der Windführungen u. der Windlade bewerkstelligt wird; e) Schiebekoppel, wenn das Koppeln durch Heraus- od. Hineinschieben einer Claviatur bewirkt wird; f) Register- od. Manubriumkoppel, wo dies durch einen Registerzug geschieht.
Nach der Wahl des Orgelspielers kann auf der O mit einzelnen, mehren u. allen Stimmen zugleich gespielt u. somit die größte Mannigfaltigkeit in Hinsicht auf Stärke u. Schwäche u. Klangfarbe hervorgebracht werden. Dies ist mit Hülfe der Register (Registratur) möglich. Diese bestehen a) aus den Schiebstangen (Registerzügen, Manubrien), viereckigen glatt gehobelten Stangen, welche, in Reihen geordnet, zu beiden Seiten der Manuale aus dem Inneren der O. durch die im Orgelgehäuse angebrachten viereckigen Öffnungen (Registerfenster) ungefähr 3 bis 4 Zoll hervorragen. An ihrem äußeren Ende sind sie mit Griffen (Manubrien) od. Knöpfen (Registerknöpfe) zum Anfassen versehen, welche Platten von Metall, Bein od. Porzellan enthalten, auf welchen der Name der Stimme eingeschnitten od. aufgeschrieben etc. steht, welche durch das Register verschlossen od. geöffnet wird. Der innere Theil des Registerzuges ist b) wieder mit einem Angehänge von denselben Bestandtheilen versehen, wie das der Manuale u. Pedale, u. vermittelt die Bewegung[353] des Registerzuges bis zu den Schleifen, welche durch Herausziehen od. Hineinschieben geöffnet od. geschlossen werden u. dadurch das Klingen od. Verstummen der Stimmen bewirken. Man theilt diese Registerzüge in Hauptzüge, welche auf das Klingen u. Verstummen unmittelbaren Einfluß haben, u. Nebenzüge, z.B. die Koppel (s. oben), durch welche der Wind dem ganzen Werke od. einem Manuale od. dem Pedale während des Spielens abgeschnitten werden kann; der Calcantenzug (Calcantenruf, Calcantenglöckchen), welcher dem Calcanten durch eine Klingel Zeichen gibt; Schweller (Crescendozug), Registerzug, welcher bewirkt, daß entweder die ganze O. od. einzelne Stimmen an Stärke ab- u. zunehmen; Abt Vogler erfand mehre Arten des Schwellers, welche mit mehr od. weniger Änderung sich darauf gründen, daß eine Anzahl Stimmen von einem Verschlag durch Thüren od. Jalousie bedeckt wurden, od. daß ein mit Gaze bezogener Rahm in dem Windkanal angebracht wurde, welche den Wind schwächte; er nannte diese verschiedenen Schweller Dach-, Thür-, Jalousieschweller; beim Compressionsschweller, von Kaufmann erfunden, kann durch einen Hülfsbalg, welcher mit einer Druckfeder versehen ist, der Wind nach Belieben verstärkt werden; beim Claviaturschweller öffnen sich durch den stärkeren Niederdruck der Taste mehre Ventile, die zu mehrchörigen Stimmen den Wind zulassen; der Progressionsschweller bestand während des Spieles durch Abstoßen od. Anziehen der Register in einer mathematischen Folge der harmonischen Antheile. Eine mit einem Schweller versehene O. kommt auch unter dem Namen Orgue expressif vor; Tremulant (Schwebung, Englische Schwebung), ein Registerzug, wodurch der Orgelton in eine traurige, stoßweise erfolgende Bebung gebracht wird; er besteht aus einem beweglichen Ventile, das im Windkanäle angebracht wird; ein auf ihm liegendes Bleigewicht drückt es nieder, wenn es vom Winde aufgehoben worden ist; eine andere Art des Tremulanten wird durch zwei Ventile außer dem Windrohre hervorgebracht, welche die Öffnung am Kanal bedecken; in manchen O-n sind mehre Tremulanten angebracht, welche das Tremuliren in langsamen u. geschwinden Stößen hervorbringen. Geht eine Stimme nicht durch die ganze Claviatur u. fängt z.B. in der Mitte an, so wird dies ein halbes od. gebrochenes Register genannt.
Die bekannten Orgelregisterzüge, welche aber weder in allen Orgeln zugleich, noch auch jetzt sämmtlich überhaupt mehr vorkommen, sind: Äoline (Physharmonika), eine nach Art der Physharmonika verfertigte Stimme; Angelica (Vox angelica, Engelstimme, Engelzug), Schnarrwerk von Metall, 8 Fuß; Bärpfeife (Bärpipe), gedacktes Schnarrwerk von 16 u. 8 Fuß, von Holz u. Metall u. bauchiger Form; Bassonell, 4 u. 8 Fuß, Schnarrwerk von Zinn od. Metall; Bauernflöte (Bauernflötenbaß, Bauernpfeife), kleine halbgedackte Stimme, 2 u. 4 Fuß; Blockflöte (Blockpfeife, Blochflöte, Tibia vulgaris, Vulgaris), Flötenstimme offen u. gedeckt, von 4, 8, 16 Fuß; Bommer (Bärbommer, Bombard, Bombardo), Pedalstimme von Holz, 8 u. 16 Fuß; Clarinett, offenes Schnarrwerk von Zinn od. Metall, 4 Fuß, den Ton der Clarinette nachahmend; Cornet (Cornetto, Cornetflöte, Cornetbaß), a) Zungenwerk von Metall, 2, 4, 8 Fuß; b) gemischte Stimme, drei- bis fünffach, von durchdringendem Tone; Grand-Cornet, das fünffache Cornet, u. Cornet-Echo, ein ganz im Hintergrunde der O. in einem Verschlage befindliches Cornetregister von 8 u. 4 Fuß, mit eigener Windlade u. Tractur, welches als Echo vom vollen Werk benutzt wird; Cromorne (Cormorne, Krummhorn), Schnarrwerk verschiedener Structur, 8 Fuß; Cymbel, a) Spielerei an alten O-n, wo eine Welle mit Schellen versehen durch ein Rad vom Wind getrieben ward u. vorn sichtbar einen Stern (Cymbelstern) bewegte; b) (Scharf od. Acuta), gemischte Stimme von Metall, 1, 1/2, 1/4 Fuß, wegen Kleinheit der Pfeifen repetirt sie; Decima, Terzstimme über der Octave, z.B. die Terz über der Octave, 4 Fuß; Detto, a) Prinzipal enger Mensur, sobald eins dergl. von weiter vorhanden ist; b) eine kleinere Prinzipalstimme als das Hauptprinzipal; c) eine zweichörige Stimme von Prinzipal-Mensur, z.B. Cymbel detto; Dolcan (Dulcan), offene Flötenstimme von Holz u. Metall, 8 u. 4 Fuß; die Pfeifen sind oben weiter als unten; Dolzflöte (Dulzflöte, Flauto dulce, Tibia angusta, Angusta), offene Flötenstimme von enger Mensur u. hartem Holze; lieblich klingend; Doppel- (Doi-, Dui-) flöte, gedackte Flötenstimme von Holz, 8 u. 4 Fuß, jede Pfeife hat zwei gegenüber stehende Labien; Driflöte, gedackte Flötenstimme von Holz mit drei Labien, 8 u. 4 Fuß; Dublett, jedes Register, wenn es zweimal von gleicher Beschaffenheit der O. enthalten ist; Fagott (Dulzian, Basson), sanftes Rohrwerk von 16 u. 8 Fuß, sowohl im Manual, als auf dem Pedal, von Holz od. Metall, mit gleich weiten Körpern; Feldflöte (Tibia rurestris, Rurestris), eng mensurirte u. scharf intonirte Flötenstimme von Holz u. Metall, 1, 2 u. 4 Fuß; Flachflöte, offene, mit breiten Labien u. konischen Körpern u. engem Aufschnitt versehene Flötenstimme; Flageolet (Petit), kleine Flötenstimme von Metall u. Prinzipalmensur von 1 bis 2 Fuß; Flauto dolce (Flauto italica), gedackte Flötenstimme, 4 u. 8 Fuß, von Holz; ist sie von 16 Fuß im Pedal, so heißt sie Flautone (Flautbaß); Flauto traverso (Querflöte), offene Flötenstimme, von hartem Holz, mit gedrehten u. gebohrten Körpern ohne Kern u. von Außen angeblasen, wie die Querflöte; Flöte, allgemeiner Name aller lieblich klingenden Register; Flötenbaß, kleine offene u. gedackte Pedalstimme von Holz u. Metall, von 4 Fuß; Fugara, offene, 4 u. 8 Fuß, Flötenstimme von Metall, sehr enger Mensur; Gambe, s. unten Viola di gamba; Gedackt (Pileata), die gedeckten Flötenstimmen, als: Sanft-, Still- (Barem), Lieblich-, Groß-, Grob- (Pileata major), Human-, Klein- (P. minor), Musicir gedackt; Gedackt (Bordone) 8 u. 16 Fuß heißt im Manual Bordun (Gedackt-Pommer), im Pedal Subbaß; ist dieser 32 Fuß, so heißt er Untersatz (Großuntersatz, Großsnbbaß, Thunbaß, Contrebaß); Gemshorn, offene angenehme Flötenstimme von Metall zu 8, 4, 2, im Pedal 16 Fuß; Glockenspi el (Carillon), ein aus wohlgestimmten abgedrehten Glocken od. Stahlstäben (in diesem Fall Stahlspiel) bestehendes Register von zwei Octaven; die Glocken stecken an eisernen Spindeln, od. die Stahlstäbe liegen nach der Größe neben einander u. werden mit darüber liegenden [354] Hämmern, welche durch besondere Abstracten mit dem Manual verbund en sind, angeschlagen; Glöckchenton, hell klingendes, weit mensurirtes kleines Register von 2 Fuß; Hohlflöte, offene Flötenstimme, von 8 u. 4 Fuß, am besten von Holz, weit mensurirt, mit engem Labium; dieselbe Stimme als Hohlquinte hat 3 od. 11/2 Fuß; Hornbaß, kleine Pedalstimme, hornartig klingend, von weiter Mensur; Hummel, schwach ansprechendes Rohrwerk, nur aus zwei Pfeifen bestehend, in die Quint od. Quart gestimmt, welche ein immerwährendes Summen hören ließen; Koppel (Koppelzug), a) der Thunbaß u. die Hohlflöte, wenn die Pfeifen mit im Manuale benutzt wurden; b) wenn ein u. dieselbe Flötenstimme doppelt od. in zwei Pfeifenchören zur Verstärkung des Tones vorhanden ist; Kützialflöte, kleine offene Flötenstimme von 4 u. 2 Fuß; Menschenstimme (Vox humana, Anthropoglossa), Rohrwerk von 8 u. 4 Fuß, eine Nachahmung der menschlichen Singstimme mit Pfeifen von verschiedener Gestalt; Mixtur (Miscella acuta), jede mehrfach gemischte Orgelstimme; bes. die von Zinn od. Metall mit Prinzipalmensur offene Stimme, wo auf jeden Ton der Taste mehre Pfeifen von verschiedener Größe auf einmal ansprechen, die auf einem gemeinschaftlichen Stocke stehen. Jede Reihe heißt ein Chor (Pfeifenchor), u. wie viel davon auf eine Taste ansprechen, wird auf ihrem entsprechenden Registerknopf durch das Wort fach angezeigt, z.B. Mixtur sechsfach, dreifach. Die Mixtur sechsfach gibt auf die Taste c die Töne c, g, c, g, c, e an. Jedes Manual hat gewöhnlich seine Mixtur, bei großen Werken oft auch das Pedal. Um bei Manualmixtur die Pfeifen nicht zu klein anwenden zu müssen, läßt man sie repetiren, d.h. man setzt in die höheren Octaven Pfeifen von derselben Größe wie in den tieferen; Nachthorn (Pastorita, im Pedale auch Nachthornbaß), offene, auch gedackte Flötenstimme von Metall zu 8, 4 u. 2 Fuß, von weiter Mensur, aber sanftem Ton; Nassat (Nasat, Nasal, Nazard, Nasard, Assat), offene od. gedackte Stimme von Metall, welche einen näselnden Ton gibt; meist als Quinte, daher Nasatquinte (Gemshornquinte, Quintnasal, Diapente pileata), von 3 u. 11/2 Fuß, seltener als Octave von 4 u. 2 Fuß angewendet; Oboe (Hoboe), eng mensurirtes Rohrwerk, dessen Körper cylinderartig, oft auch wie umgekehrte Kegel geformt, von 84 Fuß, von Holz u. Metall; manchmal gedeckt u. dann wieder mit Schalllöchern versehen u. den Ton der Oboe nachahmend; Octave (Diapason), offene Stimmen von Metall, welche vorzüglich den tieferen Prinzipalstimmen als höhere Fortsetzungen dienen. Man hat Großoctave 8 Fuß zu Prinzipal 16 Fuß, Octave 4 Fuß (Koppeldone) zu Prinzipal 8 Fuß, Octave 2 Fuß zu Prinzipal 4 Fuß u. Octave 1 Fuß zu Prinzipal 2 Fuß; wenn zu einer schon vorhandenen Octave noch eine höhere gesetzt wird, so bekommt sie den Namen Superoctave (Quintdeze); Octavenbaß, eine Pedalstimme, welche dem Prinzipal- od. Violonbaß 16 Fuß zur Octave dient; Offenbaß, Pedalstimme von 16 Fuß; Offenflöt (Tibia aperta, Aperta), Flötenstimme von 4 Fuß; Pauken (Timpani), Spielerlei in alten O-n, wo zwei weit mensurirte Subbaßtöne in Quinten gestimmt durch ihren pochenden Ton die Pauken nachahmten; gewöhnlich wurden dabei paukenschlagende Engel, welche am Orgelgehäuse angebracht waren, in Bewegung gesetzt; Pifaro (Piffara, Piffura, Tibia bifaris, Doppelpfeife), eine Schwebung gebende Flötenstimme von Holz, 8 Fuß; entweder mit zwei Labien, wovon das eine höher als das andere steht, od. mit zwei Pfeifen auf jeden Ton, wo eine etwas höher als die andere gestimmt wird. Manchmal werden ihre Füße gedackt u. nur eine kleine Öffnung zum Wind gelassen; Posaune (Pasune, Contraposaune, Französische Posaune, Posaunenbaß, Buccina, Trombone), die stärkste Pedalstimme von Holz, trichterförmig, zu den Schnarrwerken gehörig, von 32 (Großuntersatz), 16 u. 8 Fuß; Prinzipal (Choralprinzipal, Praestant), die Hauptstimme in jeder O., welche ihr den eigenthümlichen Orgelton gibt u. immer in die Orgelfronte gesetzt wird; sie ist von Zinn u. hellpolirt, mit aufgeworfenen Labien; es gibt Prinzipale von 32 (Regula maxima), 16 (Regula primaria), 8 (Chormaß), 4 u. 2 Fuß, doch sind die größten mehr des imposanten Ansehens ihrer Pfeifen als der Wirkung wegen da; steht ein 16 Fuß Prinzipal nicht ganz im Gesicht, so wird er dahinter von Holz gesetzt; der Prinzipal bestimmt durch seine Größe die der O. überhaupt. Man hat Prinzipale von enger u. weiter Mensur u. scharfer u. sanfter Intonation, u. unterscheidet deswegen Groß-, Geigen-, Harfen-, Halb- (Thubal, Thubalflöte), Schön- u. Stillprinzipale; Quinte (Diapente), offene od. gedackte Flötenstimme von Metall, welche zur angeschlagenen Taste die reine Quinte angibt; kann nur als Füll- u. Hülfsstimme angewendet werden; sie kommen von 3/4, 11/2, 3, 6, 12 Fuß vor; Quinta dulcis, gedackte u. eng mensurirte Quinte; Quintatön (Quintaden, Quintatlienes, Quinta ad-una, Hohlcello), gedackte Flötenstimme von Metall (mit Ausnahme der großen Pfeifen, welche man von Holz macht), sehr eng mensurirt u. aufgeschnitten u. oft auch mit Winkelbärten versehen; manchmal ist sie auch nach Art der Rohrflöte gedackt; man macht sie von 4, 8 u. 16 Fuß; letztere heißt dann Quintenbaß; Ranket, sanft klingendes gedacktes Rohrwerk von 16 Fuß, mit eingestecktem doppeltem Pfeifenkörper u. Schalllöchern; Rauschflöte (Rauschpfeife, Rauschquinte, Ruschpipe), von Metall, unter die Mixturen u. Quinten gehörig; man hat sie zu 2 u. 11/2 Fuß u. dreifach; Regal, gemeinschaftlicher Name kleiner Schnarrwerke, welche die Namen Apfel-, Cymbel-, Jungfern - (Vox virginea), Knopf-, Grob-, Geigen-, Subtiles Regal, nach der Gestalt ihrer Pfeifen od. u. ich ihrem Klang führen; Rohrflöte, gedackte Flötenstimme, 16, 8 u. 4 Fuß, von Metall; in ihren Deckeln sind Röhrchen angebracht; Rohrquinte, der Rohrflöte ganz gleich, aber von 6, 3 u. 11/2 Fuß; Salcional (Salicet, Weidenpfeife), angenehme, offene, metallene Stimme von ganz enger Mensur mit Bärten versehen, schwer zu intoniren; Schalmey (Chalumeau, Musette), Rohrwerk von 8 Fuß, die Pfeifenkörper wie die der Trompete u. Posaune, doch kürzer u. weiter; Schlangenrohr (Serpent), von 8 u. 16 Fuß, im Klange etwas stärker als das Fagott; Schwägel (Schwiegel, Schwingel, Schweigel), offene enge Flötenstimme von Metall od. Holz, von 8, 4 u. 2 Fuß, von sanftem Ton; Schweizerpfeife (Schweizerflöte, Octavflöte), von Metall, 8 u. 4 Fuß, der Gambe ziemlich gleich; größer als 8 Fuß, heißt sie Schweizerbaß; Sesquialter (Sesqui altera), eine[355] zwei- u. dreifache Mixtur, welche vom Grundton die Quinte u. Terz u. manchmal noch die Octave hören läßt; klingt die Terz über der Octave, so wird es Sesqui maggiore genannt; Sifflöte (Sifflet, Sißflet), kleine Octavstimme, 1 bis 2 Fuß, von Metall u. weiter Mensur; Sordun, gedacktes, mit Schalllöchern u. eingesteckten hohlen Körpern versehenes, gedämpft klingendes Rohrwerk von 8 Fuß: Spitzflöte (Spillflöte, Spindelflöte, Flauto cuspida, Cuspida), offene Flötenstimme von Holz od. Metall, 8, 4 u. 2 Fuß, mit oben engen, spindelförmigen Pfeifen von angenehmem Ton; Suabile (Englische Flöte), Flötenstimme von Holz, 8 Fuß, auch zweifach mit der Octave; Tertian, zweifache offene Flötenstimme von Metall, welche zu jedem Tone die Terz u. Quinte angibt; Terz (Tertia, Ditonus), offene Flötenstimme von Metall, 31/2 od. 13/4 Fuß, zu den Füllstimmen gehörig, welche die Terz angibt; Traversa, Flötenstimme von 8 u. 4 Fuß, im Bau u. Ton der Gambe ähnlich; von 16 Fuß wird es Traversenbaß genannt; Trompete (Clarino, Clairon, Tuba, Tromba), Rohrwerk mit ähnlichen Pfeifen wie bei der Posaune, nur enger u. länger, von 8 Fuß u. Metall; ist es von Holz, so heißt es Trompetenbaß; Undamaris (Onda maris, Meereswelle), eine Prinzipalstimme von 8 Fuß u. von Holz, welche ein wenig höher als der Prinzipal gestimmt ist u. mit diesem zusammen ein Wogen od. Schweben des Tones hören läßt; es wird auch mit doppelten Pfeifen u. Pfeifen mit doppelten Labien gemacht; Viola, offene Flötenstimme von 8 u. 4 Fuß, mit engerer Mensur als beim Prinzipal u. daher von streichendem Ton; als Quintviola ist es von 3 Fuß; Viola di gamba (Gambe), offene Stimme von Metall, enger Mensur u. engem Aufschnitt, welche den Ton des gleichnamigen Instrumentes nachahmt; sie steht manchmal im Pedal von 16 Fuß, wo sie dann Violdigambenbaß heißt; Violonbaß, offene Flötenstimme von Holz, von 16 Fuß, von enger Mensur u. streichendem, dem Instrumente, welches es nachahmt, ähnlichem Tone; ist es von 8 Fuß, so heißt es Violoncello; Vogelgesang (Merula od. Nachtigall, Kukuk), an alten O-n angebrachte Register, welche den Gesang der Nachtigall od. den Ruf des Kukuks nachahmten; er wurde durch bes. eingerichtete Pfeifen od. eine Vorrichtung, bei welcher Wasser in die Pfeifen gegossen u. dadurch ein Gurgeln od. Zwitschern entstand, hervorgebracht; Waldflöte (Tibia silvestris), offene Flötenstimme von Holz u. weiter Mensur, von 8, 4. u. 2 Fuß; als Quinte (Waldquinte) von 11/2, 3 u. 6 Fuß gebräuchlich; Waldhorn (Horn), Rohrwerk von 8 u. 4 Fuß, welches den Ton des Instrumentes nachahmt; Zinken (Lituus), 8 Fuß, Rohrwerk, welches den Zinken nachahmt; geht blos durch das halbe Manual.
V. Äußeres der O. Das Orgelgehäus (Buffet od. Buffit) ist der hölzerne Verschlag, welcher das Innere der O. (Orgeleingeweide) umgibt; der Theil, welcher nach dem Schiff der Kirche gerichtet ist, heißt Fronte od. Prospect. Das Gehäus besteht aus einem Gerippe von starken Balken, die mit Bretern überkleidet werden, u. wird mit Zapfen, Nägeln, Bankeisen, Bändern etc. in sich, am Boden u. der Decke des Orgelchores befestigt. Es bekommt einen Anstrich meist von Leim u. Kreide, welcher mit einem Lack überzogen, auf den Kanten, Simsen etc. vergoldet u. an den Seiten mit Thüren versehen wird, durch welche man bequem zu allen Theilen der O. gelangen kann. Ältere O-n sind reich mit Schnitzwerk verziert. Die Aufstellung der einzelnen Theile einer O. richtet sich nach dem vorhandenen Raum u. den Örtlichkeiten; doch setzt man die größern zinnernen Pfeifen (Front-, Gesichts-, Prospectpfeifen), welche deswegen hell polirt u. mit aufgeworfenen Labien versehen werden, ins Gesicht od. die Fronte, u. entweder so in Abtheilungen, daß jedesmal die längste von verjüngt ablaufenden kleineren in einem Halbzirkel od. einer Linie umgeben wird (Thurm, Pfeifenthurm); od. man macht Pfeifen von einerlei Länge durch kleinere od. größere Füße u. stellt sie in Abtheilungen neben einander (Feld, Pfeifenfeld). Gewöhnlich stellt man stockwerksartig mehre Werke, d.i. eine Vereinigung mehrer zu einander passender Stimmen, welche auf einem Manuale gespielt werden, über u. neben einander. So nennt man Hauptwerk das, welches die größten, kräftigsten u. mehrsten Register enthält, u. sein Manual Hauptmanual; Brustwerk, was in der Mitte; Oberwerk, was in der Höhe, Seiten- u. Flügelwerk, was zur Seite der Brust; Unterwerk (Nachsatz, Hintersatz), welches zu unterst od. im hinteren Theile der O. angebracht ist. Oft lassen sich alle Stimmen, welche man in einer O. anbringen will, nicht auf demselben Orte vereinigen, u. man sieht sich dann genöthigt, die noch feylenden Stimmen in einem besonderen Gehäuse der O. gegenüber od. an die Seite zu setzen. Diese Art von kleinern Hülfswerken heißen Positive (Rück-, Seitenpositive), so wie auch jede kleine selbständige O., welche kein Pedal enthält, Positiv, u. wenn es tragbar ist, Portativ genannt wird. Meist werden die Positive von einem Manual der größern O. aus gespielt, u. das Regierwerk ist dann unter dem Boden des Orgelchores angebracht. Seltener erhalten sie ein eigenes Manual, u. in diesem Falle ist ihr Regierwerk ganz einfach, so daß oft an die Tasten angebrachte Stocher od. Stößer die Ventile sogleich öffnen. Sie hängen in diesem Falle blos durch die Windführungen mit der O. zusammen. Nach der Größe der Prinzipalstimmen, welche auf den Manualen stehen, nennt man die O-n sechzehn-, acht- u. vierfüßige. Eine O. mit 16 Fuß Prinzipal hat gewöhnlich im Pedal wenigstens eine Stimme von 32 Fuß u. wurde sonst eine ganze O., eine mit 8 Fuß Prinzipal u. 16 Fuß im Pedal eine halbe O., u. endlich eine mit 4 Fuß Prinzipal eine Viertel-O. genannt. Die O-n wurden früher, u. auch wohl zur Ersparung der größern Pfeifen noch jetzt, in den Chorton, welcher deswegen auch Orgelton heißt, in gleichschwebender Temperatur (s.d.) gestimmt; bei neuern O-n wird aber in den meisten Fällen der Kammerton (s.d.) vorgezogen, um dem Organisten das Transponiren (s.d.) zu ersparen, wenn die O. in Gemeinschaft anderer Instrumente wirken soll.
VI. Das Orgelspiel muß der Würde des Ortes u. des Instrumentes angemessen sein. Da die O. den Vorzug hat, daß ihre Töne gleich stark u. voll fortklingen, so eignet sich das Spiel auf ihr am besten zum sogenannten strengen Styl. Deshalb ist es nöthig, daß der Orgelspieler (Organist) neben der Fertigkeit ein tüchtiger Musiker überhaupt sei, um durch sein Spiel bei den verschiedenen kirchlichen Handlungen zur Erhebung der Gemeinde beizutragen. Sein Spiel zerfällt in vier Haupttheile: a) das Vorspiel, welches so beschaffen sein muß, daß[356] es Andacht erweckend überhaupt u. in die Stimmung für den vorliegenden Fall versetzend, od. vorbereitend für das Darauffolgende ist. b) Zur Mitwirkung bei der Kirchenmusik gehört, daß der Organist vollständige Kenntniß des Generalbaßspiels u. der Begleitung besitze; c) das Choralspiel od. die Begleitung des Gesanges der Gemeinde muß einfach, den Gesang leitend, unterstützend u. hebend sein; die dabei angewendeten Harmonien müssen natürlich u. fließend u. die Zwischenspiele kurz u. scharf auf den Ton leitend sein, mit welchem die folgende Strophe anfängt. Neben diesen Bedingungen wird aber das Eingehen auf den Inhalt des Liedes nicht ausgeschlossen, welches mit Geist, Gefühl u. Geschmack angewendet sein soll. d) Beim Nachspiel kann der Organist seine Kunst u. Fertigkeit zeigen u. sich im Vortrag von Fugen, freien Phantasien u. dgl. zeigen, aber alles dies muß so beschaffen sein, daß dadurch der durch die Feierlichkeit erhaltene Eindruck nicht geschwächt od. verwischt werde. Die berühmtesten Orgelcomponisten sind Türk, Kittel, Knecht, I. Seb. Bach, Häßler, A. E. Müller, Umbreit, Bierling, Krebs, Wolf, Rink, Becker, Hesse, Köhler etc. In der Griechisch-katholischen Kirche gibt es keine O-n, auch für die Römisch-katholische wurde, wegen des mit ihnen getriebenen Mißbrauchs zu weltlichem Spiel, auf dem Concil zu Trient ein Antrag auf deren Abschaffung gestellt, doch verwendete sich Kaiser Ferdinand I. angelegentlich für deren Beibehaltung (nur in der päpstlichen Kapelle in Rom ist keine O.); in der Reformation wurden die O-n in der Schweiz aus den Kirchen entfernt, aber allmälig wieder zurückgeführt; in den Lutherischen Kirchen blieben sie ungestört.
VII. Das griechische Wort Organon, woraus das deutsche O. entstanden ist, bedeutet ein musikalisches Instrument überhaupt, später bes. das aus mehrern tönenden Röhren zusammengesetzte Blasinstrument, welches zu weltlicher öffentlicher u. Privatmusik, im christlichen Occident aber seit dem 8. Jahrh. zu kirchl ichem Gebrauche angewendet wurde. Die Verbindung mehrer Pfeifen od. Flöten von verschiedener Länge führte Anfangs zur Erfindung der Panpfeife. Bald fand man das Blasen mit dem Munde anstrengend u. suchte die Pfeifen durch künstlichen Wind zu intoniren, was durch lederne Schläuche geschah, welche unter dem Arm gehalten u. mit demselben zusammengedrückt wurden; ein so intonirtes Instrument nannte man Tibia utricularis (Sackpfeife). Bei größeren Instrumenten bediente man sich dazu des Wassers, um Luft in die Pfeife zu bringen (Wasserorgel, Organum hydraulicum), od. eines Blasebalges (Windorgel, O. pneumaticum). Die Wasserorgel war aberauch nichts anderes als eine Windorgel, u. das Wasser nur die Kraft, welche die Wind erzeugenden Werkzeuge in Bewegung setzte. Die Erfindung der einigermaßen ausgebildeten Wasserorgel, von welcher Vitruvius (De architectura, X, 13) eine Beschreibung gibt, wird dem Ktesibios, einem Mechaniker zur Zeit des Ptolemäos Euergetes, nach And. dem Archimedes zugeschrieben. Diese O-n waren noch sehr roh u. einfach u. mehr kostspielige Curiositäten für Vornehme. Vom Kaiser Nero erzählt man, daß er einen guten Theil des Tages sich mit dem Spiele der Wasserorgel beschäftigte. Ein großer Fortschritt zur Ausbildung der O. geschah dadurch, daß man das Wasser von ihrem Mechanismus entfernte u. Menschenkräfte zur Bewegung der Windwerkzeuge gebraucht. Dieses geschah ungefähr im 4. Jahrh. n. Chr.; Kaiser Julian soll eine solche O. besessen haben. Was aber die Legende von der Erfindung der O. durch die Sta. Cäcilia (s.d.) im 3. Jahrh. erzählt, ist historisch durch nichts begründet; auch wenn Ein. den Gebrauch der O-n in den Kirchen seit dem Papste Vitelianus (657672) datiren, indem sie in dessen Verordnungen die Organa, womit der Gesang begleitet werden sollte, von unsern O-n verstehen, so meinen Andere, daß Organum jedes musikalische Instrument zur Begleitung des Gesanges heißen könne. Die Ausbildung der O. geschah um diese Zeit vielmehr im Morgenlande, bes. war sie am griechischen Kaiserhof im Gebrauch u. wurde von dort meist durch Geschenke im Abendlande im 8. u. 9. Jahrh. n. Chr. bekannt; so schenkte der Kaiser Constantin Kopronymos 757 dem fränkischen König Pipin dem Kleinen u. der Khalif Harun al Raschid od. nach And. der griechische Kaiser Michael dem Kaiser Karl dem Großen eine O., welche der Letztere im Dome zu Aachen aufstellen ließ. Walafrid Strabo sagt von derselben, daß sie aus ehernen Pfeifen bestanden habe, welche mittelst eherner Gefäße u. lederner Bälge intonirt worden sei u. einen tiefen, donnerähnlichen Ton mit der Sanftheit einer Leier od. der Lieblichkeit eines Cymbals verbunden von sich gegeben habe. Die Orgelbaukunst scheint nach diesem Modell alsbald mit Erfolg in Deutschland betrieben worden zu sein, denn Papst Johann VIII. (872882) ließ sich eine O. durch Vermittelung des Bischofs von Freysingen nach Rom bringen. Zu Ende des 9. Jahrh. waren O-n auch schon in den Niederlanden im Gebrauch, befanden sich aber zu dieser Zeit immer noch in sehr rohem Zustande; die Zahl ihrer Tasten belief sich höchstens auf 911, die breit u. lang waren u. deren Niederdruck so schwierig u. anstrengend war, daß man sie mit Fäusten schlagen mußte (daher Orgelschlagen). So hatte die 950 erbaute O. zu Winchester in England 10 Tasten, 400 Pfeifen u. 26 große Bälge, welche von 70 Männern getreten wurden. Im 13. u. 14. Jahrh. verfertigte man in Venedig die ersten kurzen Tasten u. richtete die Claviatur überhaupt so ein, daß sie mit den Händen gespielt werden konnte. Der Patricier Tarcello dort baute mit Hülfe deutscher Orgelbauer mehre verbesserte O-n, welche eine lange Zeit nach ihm Tarcellos genannt wurden. Der älteste bekannte deutsche Orgelbauer Nicol. Faber baute 1359 die O. im Dom zu Halberstadt. Der Hoforganist des Dogen von Venedig, ein Deutscher, Bernhard, erfand im 15. Jahrh. das Pedal, welches in kurzer Zeit bei allen O-n angebracht wurde. Dies war Veranlassung, daß man die Stimmen scheiden mußte u. dadurch wieder auf Verbesserung der Windlade, Dämme, Parallelen u. der Registerzüge geleitet u. endlich in den Niederlanden die Schleiflade erfunden wurde. Die mehrsten Verbesserungen folgten im 16. Jahrh. schnell auf einander; so die Scheidung der Pfeifen in Register, Festsetzung des Chortons bei der Stimmung etc. Noch wichtiger waren die Erfindungen des 17. Jahrh. Chr. Förner zu Wettin erfand dort 1648 (n.And. 1630) die Windwage od. Windprobe, d.i. ein metallenes Kästchen mit Wasser gefüllt, auf dem Deckel mit einer in Graden abgetheilten Glasröhre u. am Boden mit einer kurzen Röhre versehen, die in die mit Wind gefüllte Windlade gebohrt wird u. dann an der Glasröhre durch das Aufsteigen des Wassers[357] genau nach Graden die Stärke des Windes anzeigt. Werkmeister erfand die gleichschwebende Temperatur, u. die Register wurden noch immer vervielfältigt u. verfeinert. Dem 19. Jahrh. blieb es vorbehalten, die Orgelbaukunst auf die Stufe der Vollkommenheit, namentlich in Hinsicht auf Mechanik u. Akustik, zu erheben, welche sie jetzt einnimmt. Vorzüglich war man bemüht, dem stets gleich stark od. schwach forttönenden Ton der Orgelpfeifen Biegung zu verschaffen. Die Silbermannschen O-n aus früherer Zeit u. die seiner Schüler aus dieser Zeit sind ausgezeichnet. Die größte O. soll von Glaber in Regensburg für Kloster Weingarten 1730 gebaut sein, sie enthält 66 Register u. 6666 Pfeifen. Abt Vogler regte durch seine Versuche zur Vereinfachung der Register u. der Pfeifenmenge, gestützt auf das sympathetische Mitklingen der Töne, mächtig zum Nachdenken u. Versuchen an. Ist sein Simplificationssystem auch niemals recht in Anwendung gekommen, so bleiben seine Verdienste um den Orgelbau unbestritten. Er erfand auch mehre Arten des Schwellers od. des Crescendo. Große Verdienste in Hinsicht auf Biegung des Tons haben sich noch die Mechaniker u. Akustiker Kaufmann, Wilke in Neuruppin u. Gottfried Weber erworben. Berühmte Orgelbauer waren im 18. u. 19. Jahrh. G. H. Trost, Friederici, Contius, C. Müller, Schröder, G. Silbermann u. dessen Söhne, Kaufmann Vater u. Sohn, Hldebrand, Schulze, Trampeli, Buchholz, Abt Vogler, Courtain, Weise, Jemlich, Mende u. Walker. Die größte O. ist in der Peterskirche in Rom, welche 100 Stimmen hat.
VIII. Der Orgelbauer ist ein freier Künstler; er muß nicht nur das Tischler- u. Zimmerhandwerk gründlich verstehen u. geübter Metallarbeiter, sondern auch Mechaniker u. Akustiker u. mit seinem musikalischen Gehör begabt sein. Das zu den Metallpfeifen nöthige Metall wird, nachdem es geschmolzen ist, auf der Gießbank (Gießlade, Gießkasten, Schleuße), einer hölzernen Tafel od. Bank, die mit Tuch bezogen u. mit einem Rahmen umgeben ist, zu Platten gegossen. Diese werden mit dem Zinnhammer, einem mittelgroßen, mit viereckiger Bahn versehenen eisernen Hammer, gehämmert, wodurch sie dichter u. härter werden, dann mit dem Zinnhobel glatt gehobelt, mit einem Messer od. einer Säge zugeschnitten, mit dem Schabeisen geglättet, mit dem Polirstahle polirt, mit dem Klopfholz über einen, nach Bedürfniß dünneren od. dickeren hölzernen Cylinder (Pfeifenform od. Schablone), geschlagen (rundirt) u. dann mit einem aus Wismuth, Blei u. Zinn bestehenden Loth gelöthet. Die so gebildeten Pfeifen werden mit dem, aus einer gegossenen Bleiplatte bestehenden Kern versehen, welcher ebenfalls eingelöthet wird. Zum Stimmen der offenen Metallpfeifen dient, das Stimmhorn, ein trichterförmiges Instrument von starkem Blech. Ist die Pfeife zu tief, so wird die innere Seite des Trichters über die Pfeife geschoben u. dadurch deren oberer Rand verengert; im anderen Falle wird mit dem spitzen Theile des Stimmhornes, welches in die Pfeife geschoben wird, dieselbe erweitert u. dadurch tiefer gemacht. Bei Stimmung der O. wird die gleichschwebende Temperatur (s.d.) angewendet. Zuerst werden die Prinzipale u. nach diesen die übrigen Stimmen gestimmt. Es wird große Übung u. ein sehr seines Ohr gefordert, um eine O. ganz rein in allen Stimmen u. Tonarten zu stimmen u. den sogenannten Orgelwolf zu vermeiden, d.i. eine Differenz, die sich in irgend einer Tonart zeigt, wenn die Temperatur nicht ganz genau getroffen wird. Gedackte Pfeifen werden durch Hineinschieben od. Herausziehen des Hutes od. Stöpsels, welche zu diesem Zweck mit einem Griff von Holz od. Draht (Schlüssel) versehen sind, gestimmt.
Beim Neubau einer O. wird von einem die Orgelbaukunst verständigen Organisten u. dem Orgelbauer, welcher dieselbe erbauen soll, vorher eine Orgeldisposition, d.i. ein Plan über die Größe u. Stärke der O., über Zahl u. Auswahl der Stimmen, Beschaffenheit des Materials zu den Pfeifen, den Bälgen, dem Regierwerk, dem Äußern der O., der Anzahl der Manuale u. Pedale, kurz über alle einzelnen Theile der zu erbauenden O. gemacht u. dann mit dem Orgelbauer der sogenannte Orgel accord geschlossen, worin sich dieser verpflichtet, die O. für eine bestimmte Geldsumme u. unter den in der Disposition angeordneten Bedingungen zu liefern. Der Orgeldisponent hat vorzüglich auf die Größe u. akustischen Verhältnisse der Kirche zu sehen, dann auf die zweckmäßige Auswahl der Stimmen zu achten, damit keine überflüssig sei, keine mangle, keine bei der Gesammtwirkung hervorsteche, keine die andere decke, sondern alle zu einander im richtigen Verhältnisse stehen; ferner auf, für den Spieler bequeme Anlage der Manuale u. Pedale u. Registerzüge; endlich auf die bequeme Zugänglichkeit zu den einzelnen Theilen der O., so daß bei Stimmung u. Reparaturen leicht hinzu zu gelangen ist. Ist eine neue O. fertig aufgestellt, so erfolgt gewöhnlich durch den Disponenten die Orgelprobe (Revision), d.i. die Prüfung aller Theile der neuen O. nach der Disposition u. dem mit dem Erbauer geschlossenen Accord. Die Probe fängt gewöhnlich mit Untersuchung der völligen Winddichtigkeit aller Theile der Windbehältnisse dadurch an, daß man bei gänzlicher Verschließung aller Register alle Bälge aufziehen läßt; alles Rauschen, Zischen, Heulen etc., was hierauf erfolgt, läßt auf Fehler in den Windbehältnissen schließen. Daß die Bälge der O. hinreichenden Wind liefern, erkennt man daraus, daß man nach Anzug aller Hauptregisterzüge mit einem Stock od. Lineal alle Manual- u. Pedaltasten zugleich niederdrückt; in diesem Falle dürfen die Bälge nicht zu schnell zusammen fallen (laufen), der Ton muß weder an Stärke abnehmen (die O. darf nicht windsiech sein), nicht stoßweise erfolgen (nicht schluchzen). Nach diesen Hauptproben geht man zur Durchsicht aller einzelnen Theile über. Ist die Probe befriedigend ausgefallen, od. hat der Orgelbauer fehlerhaft gefundene Theile abgeändert, so erfolgt die Orgelabnahme u. Orgelübernahme, gewöhnlich ein gerichtlicher Act, worauf die Orgeleinweihung durch einen solennen Gottesdienst erfolgt. Vgl. Adlung, Musica mechanica organoedi, Berl. 17671768, 2 Thle.; Sponsel, Orgelhistorie, Nürnb. 1771; Haller, Kunst des Orgelbaues; Antony, Geschichtliche Darstellung der Entstehung u. Vervollkommnung der O., Münster 1832; Werkmeister, Orgelprobe; Schlimbach, Über Structur u. Erhaltung der O., Lpz. 1825, 2. A. 1843; Wolfram, Anleitung zur Kenntniß der O., Gotha 1825; Töpfer, Orgelbaukunst, Weim. 1833; Kützing, Handbuch der Orgelbaukunst, Bern u. Chur 4836; Seidel, Die O. u. ihr Bau, Berl. 1842, 2. A. 1644; Donat Müller, Beschreibung der O., Augsb. 1848; [358] Sattler, Die O., Langensalze 1857. Über Orgelspiel: Günterberg, Fertiger Orgelspieler, Meißen 1824, 2 Bde.; Herzog, Praktisches Handbuch für Organisten, Erlangen 1858; außerdem noch die Orgelschulen von Knecht, Rink, Werner u. Schütze.
Buchempfehlung
»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller
130 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro