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Halberstadt [1]

[864] Halberstadt, 1) sonst Bisthum, dann 2) seit dem Westfälischen Frieden kurbrandenburgisches Fürstenthum im niedersächsischen Kreise, an Anhalt, Magdeburg, Quedlinburg, Braunschweig u. Hildesheim grenzend, mit der Grafschaft Regenstein u. den Herrschaften Derenburg, Lohra u. Klettenberg; 36 QM., 136,000 Ew. Hauptstadt: Halberstadt; bildet jetzt die 4 Kreise: Aschersleben, Ofchersleben, Halberstadt u. Osterwiek des preußischen Regierungsbezirkes Magdeburg, doch ist der vormalige Kreis Ermsleben zum Mansfelder Gebirgskreis des Regierungsbezirkes Merseburg geschlagen, u. die Herrschaften Lohra u. Klettenberg gehören zum Kreise Nordhausen desselben Regierungsbezirkes. – Das Bisthum H. soll nach Ein von Karl dem Großen 781 zu Seligenstadt (Osterwiek) gestiftet u. 819 nach H. verlegt worden sein; nach And. wurde es erst 841 von Ludwig dem Frommen u. zwar in H. selbst gestiftet u. stand unter dem Erzsprengel von Mainz. Der erste Bischof war Hildegrin, ein Mönch aus Werden in Westfalen. Er starb 19. Jan. 827; sein Bruder Thiagrin war sein Nachfolger. Auf diesen folgte 840 Haimo (s.d.). Hildegrin II., seit 853, machte sich bes. um die Vermehrung der Stiftsbibliothek verdient; ihm folgte 887 Evilpus. Unter Bischof Sigismund I., seit 896, erhielt das Capitel 909 von Kaiser Ludwig die Erlaubniß, sich seine Bischöfe selbst zu wählen. Damals begriff der Sprengel des Bisthums die Gaue Nordthüringau, Hartingau, Darlingau, Hassigau u. Schwabgau; davon mußte Bischof Hildiward 965 zur Stiftung des Bisthums Merseburg u. des Erzbisthums Magdeburg Mehreres abtreten, zog jedoch 982 das Stift Merseburg wieder ein u. machte eine Abtei daraus. 996 erhielt er vom Kaiser das Münz-, Markt-, Zoll- u. Bannrecht. Unter Arnulf wurde 998 H. zur Stadt erhoben u. 1005 die noch stehende Liebfrauenkirche erbaut. Ihm folgte 1023 Brantho; dieser drückte seine Unterthanen so, daß sie selbst ihre Wagen ziehen mußten, er soll sich daher ein freiwilliges Exil aufgelegt haben, nach And. zog er einer Hungersnoth wegen ins Gelobte Land u. st. 1036 auf seiner Rückkehr. Sein Nachfolger, Burkhard I. (Bucko), ein Graf aus Neuburg in Baiern, baute das Stift Petershof u. im Huy eine Kapelle, woraus die Huyseburg entstand; er st. 1059. Unter Burkhard II. erhielt 1062 der Bischof das Recht, an gewissen Festtagen ein Pallium zu tragen u. unter Vortragung eines Kreuzes zu Pferde die Processionen vorzunehmen. Unter diesem wurde auch schon zu H. ein Lehnhof errichtet, da viele benachbarte Dynasten u. Herren dem Bischof ihre Güter anvertraut hatten. Burkhard st. 1088. Dithmar der Kleine wurde nun Bischof, welcher aber schon 16 Tage nach der Wahl starb, u. nun wurden zwei Bischöfe gewählt, Herrand od. Stephan u. Friedrich, welche sich einander mit ihren Parteien anfeindeten. Stephan begleitete den Landgrafen Ludwig den Springer 1088 auf seiner Lustfahrt nach Romu weihete 1097 das Kloster Reinhartsbrunn ein; von seinen Canonikern verfolgt, ging er nach Reinhartsbrunn u. st. hier 1102. Sein Gegenbischof, Friedrich, wurde um 1106 vom Kaiser Heinrich V. auf einer Synode zu Quedlinburg abgesetzt, worauf Reinhard Bischof wurde, welcher die Zeit der Ruhe bes. zur Regulirung der Klöster anwendete. 1123 folgte ihm Otto, wurde aber 1127 vom Papste Honorius abgesetzt. Nun stand bis zum Jahre 1131 der Bischofstubl leer, dann wurde Otto vom Papste Innocenz II. auf[864] Vorbitte des Kaisers Lothar wieder ein-, aber 1135 wieder abgesetzt. Sein Nachfolger Rudolf, st. 1151 u. Ulrich trat an seine Stelle. Ulrich unternahm 1160 eine Reise nach Palästina, an seine Stelle wurde vom Papst Gero als Bischof eingesetzt, welcher jedoch 1177 Ulrichen wieder weichen mußte. Ulrich hatte viel Streit mit Heinrich dem Löwen, welcher 1179 H. eroberte u. ihn gefangen nahm, jedoch bald wieder freiließ. Nach Heinrichs des Löwen Fall 1190 scheint das Bisthum Manches von dessen Besitzungen erlangt u. über seine Besitzungen völlige Landeshoheit erhalten zu haben. Damals war Dietrich Bischof. Die Vergrößerung des Hochstifts ging immer mehr von Statten: unter Konrad von Kroseck wurde zu Anfang des 13. Jahrh. Oschersleben dem Hochstift verpfändet, 1233 Gröningen u. 1253 Kroppenstedt, ebenso 1288 Wegeleben von dem Grafen von Askanien, nach Aussterben von deren directer Linie es dem Hochstifte blieb; Albrecht I., Graf von Anhalt (1297–1324) erwarb Aschersleben; Albrecht II., Sohn Albrechts des Dicken von Braunschweig, hatte mit dem Kapitel viel Streit u. eben so mit Albrecht von Mansfeld, seinem, vom Papst Clemens VI. ernannten u. von dem Markgrafen von Meißen unterstützten Gegenbischof; er behauptete sich zwar gegen denselben, trat aber 1342 freiwillig das Bisthum an den Markgrafen Ludwig von Meißen ab. Dieser brachte Hornburg zum Stifte. Sein Nachfolger, Albrecht III. (1366–90), wurde 1367 von dem Bischof Gebhard von Hildesheim in einer Schlacht gefangen, aber wieder losgegeben; er löste nicht allein 1377 das verpfändete Gröningen wieder ein, wo er gewöhnlich residirte, sondern erwarb auch 1368 das Amt Altgatersleben u. Hettstädt. Bischof Ernst, Graf von Hohenstein, nahm zuerst einen Weihbischof an. 1420 empörten sich die Halberstädter gegen den Bischof Johann von Hoym, unter Anführung des Langen Matthias, eines Krämers, welcher deshalb vom Rathe aus der Stadt gewiesen wurde, aber dennoch 1423 aufs Neue die Bürger aufwiegelte, den Bürgermeister u. die Rathleute enthaupten u. sich zum Bürgermeister machen ließ; erst 1425 konnte der Bischof, von Braunschweig u. Magdeburg unterstützt, die Stadt einnehmen; die Rädelsführer, bes. Matthias, wurden enthauptet u. so der Aufruhr gestillt. Gegen den Verlust von Hettstädt unter Burkhard III. erwarb das Hochstift 1471 durch Kauf die Herrschaft Derenburg u. 1487 durch Eroberung des Bischofs Ernst II. die Burg Weserlingen. Die Reformation fand hier seit 1542 Annahme, doch hatte das Stift noch bis 1566 katholische Bischöfe; als der letzte gestorben war, wählte das Kapitel den zweijährigen Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, damit während der Zeit der Administration die große Schuldenlast des Stifts getilgt werden könnte. 1578 wurde er persönlich eingeführt; er wurde seit 1589 auch Herzog von Braunschweig u. schaffte 1591 in H. die katholischen Ceremonien ab; er st. 1613 u. hatte drei seiner Söhne zu Nachfolgern, unter ihnen den ritterlichen Christian. Diesem folgte 1626 Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich als letzter Bischof, unter welchem 1641 die Grafschaft Regenstein zum Stift kam, worüber dasselbe mit Braunschweig in einen weitläufigen Proceß verwickelt wurde. 1648 wurde das Hochstift H. durch den Westfälischen Frieden als Fürstenthum dem Hause Brandenburg zugesprochen, welches auch 1662, nach dem Tode des Bischofs Leopold Wilhelm, Besitz davon nahm. Von dem Stifte blieben nur das Kapitel, bestehend aus vier Canonikaten, in dem Lande wurde ganz die preußische Verfassung eingeführt, ausgenommen, daß die alten Landstände mit den Erbbeamten blieben. 1671 wurde die Grafschaft Regenstein nach der Enthauptung des Grafen Erasmus von Tättenbach zu dem Fürstenthum geschlagen. Übrigens erhielt Brandenburg wegen H. im Reichsfürstenrathe u. beim niedersächsischen Kreise eine Stimme. Durch den Tilsiter Frieden 1807 wurde es von Preußen an das neu errichtete Königreich Westfalen abgetreten u. zum Departement der Saale geschlagen Nach der Auflösung des Königreichs Westfalen 1813 kam es an Preußen u. wurde größtentheils zu dem Regierungsbezirk Magdeburg, zum Theil zu dem Regierungsbezirk Merseburg geschlagen. Vgl. C. Abel, Stifts-, Stadt- u. Landchronik von H., Bernb. 1754; S. Lenz, Diplomatische Stifts- u. Landeshistorie von H., Halle 1749 J. H. Lucanus, Historische Bibliothek des Fürstenthums H., Halberst. 1778–84, 2 Thle.; Derselbe, Beitrag zur Geschichte des Fürstenthums H., ebd. 1784–88, 2 Stücke.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 864-865.
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