Die RAF in der DDR: Komplizen gegen den Kapitalismus Zur Kooperation und Kollaboration der Roten Armee Fraktion und der SED-Geheimpolizei Stasi. Ein Überblick.
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Untergetauchte RAF-Terroristinnen und Terroristen im bürgerlichen Alltag, wie Anfang März 2024 aufgeflogen in Berlin, gab es schon einmal vor rund 34 Jahren. Damals kam heraus, dass die Stasi westdeutschen RAF-Mitgliedern geholfen hatte sich in der DDR zu verstecken – mit Tarnexistenzen. Wie weit ging die Kooperation noch? Ein Überblick von Harald Bergsdorf.
Die Kooperation der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und ihrer Geheimpolizei, dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), mit der Roten Armee Fraktion (RAF] begann bereits kurz nach deren Gründung.
Zur Aufklärung und Bearbeitung links- und rechtsterroristischer Gruppierungen vor allem in der Bundesrepublik hatte das MfS im SED-Auftrag bereits 1975 eigens die Abteilung XXII gegründet.
In der Realität pflegte nicht nur der RAF-Anwalt Klaus Croissant enge Kontakte zur Abteilung XXII des MfS, sondern auch westdeutsche Neonationalsozialisten und Rechtsterroristen, die Anschläge beispielsweise auf die US-Armee in der Bundesrepublik verübten.
II. Ziele der SED-RAF-Kooperation
Besonders eng kooperierte die SED vor allem durch ihr MfS mit der RAF. Zwar ist individualistischer Terror („anarcho-terroristische Kräfte“), wie ihn die RAF ausübte, aus marxistisch-leninistischer Sicht abzulehnen. Daran fühlte sich grundsätzlich auch die SED als Auftraggeber des MfS gebunden. Denn im kollektivistischen Selbstverständnis der SED drohte durch individualistischen Terror eine Entfernung und „Entfremdung“ vom „Proletariat“ als dem „revolutionären Subjekt“. Insofern unterschieden sich die jeweiligen Strategien von SED und RAF zur sogenannten. „Überwindung“ des „Kapitalismus“ gravierend.
Andererseits teilten RAF und SED eben ideologische Affinitäten mit gemeinsamen Feindbildern. So verbanden SED und RAF weltanschaulich ihr Hass auf die rechtsstaatliche Demokratie der Bundesrepublik („Kapitalismus“) und ihre Feindschaft sowohl gegenüber den USA als auch Israel. Mehr oder minder explizit präsentierten sowohl die SED als auch die RAF den „Kapitalismus“ in der Bundesrepublik als die zentrale Ursache des Terrorismus. Neben ihrer ideologischen Nähe pflegten RAF und SED darüber hinaus jeweils enge Beziehungen zu identischen Verbündeten, unter anderem zu sogenannten. „Befreiungsbewegungen“ wie der antisemitischen PLO.
Bei aller deutschlandpolitischen Brisanz in Zeiten deutsch-deutscher Verständigung (unter anderem Milliardenkredite der Bundesrepublik Mitte der 80er-Jahre für die DDR gegen Zugeständnisse bei Menschenrechten) zielte die SED daneben darauf, durch ihre Kollaboration mit der RAF den westdeutschen Linksterrorismus stärker aufzuklären, RAF-Mitglieder zu identifizieren, deren private Verbindungen in die DDR aufzudecken und von RAF-Plänen zu erfahren. Denn trotz ihrer Allianz mit der RAF befürchtete die SED offenbar, westdeutsche RAF-„Anarchisten“ könnten auch gegen die DDR mörderische Anschläge verüben, zum Beispiel gegen DDR-Botschaften. Grundsätzlich gehörte „Anarchismus“ zu den traditionellen SED-Feindbildern.
Um die aktive RAF daher präventiv bereits von Anschlagsplanungen abzuhalten, wollte die SED durch die Aufnahme von demobilisierten RAF-Mitgliedern ein Druckmittel („Faustpfand“) gegen die westdeutsche Terrorgruppierung gewinnen. Ferner sorgte sich die SED, durch Großfahndungen nach der RAF in der Bundesrepublik könnten auch Stasi-Agenten im Westen („Operationsgebiet“) auffliegen und westdeutschen Sicherheitsbehörden „ins Netz gehen“.
Durch die Zusammenarbeit der SED mit der RAF wollte Honeckers Partei letztlich vor allem Ansätze finden, um die bei ihr verhasste Bundesrepublik politisch zu destabilisieren und die DDR zu stabilisieren. Um die eigenen Interessen zu fördern, mahnte die SED die RAF zum Beispiel kurz vor der Bundestagswahl 1980 zu Zurückhaltung. Umgekehrt wollte die RAF-Spitze einen sicheren Rückzugsort für die demobilisierten „Kämpfer“ finden und deren Festnahme auch deshalb verhindern, weil sie fürchtete, im Gefängnis könnten ihre Genossen, um Strafnachlass („Kronzeugenregelung“) zu erlangen, mit „Repressionsorganen“ kooperieren und Interna ausplaudern, darunter konspirative Wohnungen („KW“) oder Depots der aktiven RAF, Falschidentitäten von aktiven RAF-Kadern und überhaupt Details der RAF-Arbeitsweise im Untergrund beziehungsweise in der Illegalität.
III. Praxis der SED-RAF-Kooperation
Gerade nach dem Ende der Schleyer-Entführung und nach der „Stammheimer Todesnacht“ grassierten in Teilen der RAF sowohl Resignation als auch Ausstiegswille. In der DDR schienen die demobilisierten „Kämpfer“, ohne hohen Fahndungsdruck durch das Bundeskriminalamt, vor dessen Zugriff weitgehend sicher. Denn fast selbstverständlich verzichtete das MfS konsequent darauf, die gesuchten RAF-Mitglieder bundesdeutschen Sicherheitsbehörden zu übergeben. Die demobilisierten RAF-Terroristen selbst wollten offenbar lieber im „Realsozialismus“ leben als in bundesdeutschen Gefängnissen landen.
Nur kurzzeitig hatten SED und RAF zuvor erwogen, die demobilisierten „Kämpfer“ in einem afrikanischen Land anzusiedeln, zum Beispiel Angola, Mosambique oder Kap Verden, mit denen die SED enge Beziehungen pflegte. Doch eine solche Lösung in Afrika für die westdeutschen RAF-Aussteiger bewertete die SED bald als zu auffällig, zu gefährlich und zu wenig praktikabel, unter anderem deshalb, weil es den ausrangierten Terroristen an Kenntnissen des Portugiesischen als der Landessprache in Angola, in Mosambique und auf den Kap Verden mangelte. Auch litten die drei Länder aus SED-Sicht, unter anderem wegen der Aktivitäten „konterrevolutionärer Kräfte“, an politischer Labilität - im Kontrast zur damals eher stabilen DDR. Um möglichst wenig aufzufallen, mussten die neuen DDR-Bürger freilich später auch in der DDR erst die Alltagssprache erlernen, wie Inge Viett schreibt.
Die mutmaßliche Terroristin Susanne Albrecht (Mitte links) am 6. Juli 1990 in Karlsruhe, wo der gegen sie bestehende Haftbefehl vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof verkündet wurde. Die 39-Jährige, die am 6. Juni 1990 in Ost-Berlin (DDR) festgenommen worden war, hatte sich am 5. Juli nach Absprache mit ihrer Familie und ihrem Anwalt der bundesdeutschen Justiz gestellt. Am 3. Juni 1991 wurde sie wegen des Mordes an dem Bankier Jürgen Ponto und dem fehlgeschlagenen Mordversuch an dem NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig sowie zwei Sicherheitsbeamten 1979 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. (© picture-alliance/dpa, DB Weißbrod)
Die mutmaßliche Terroristin Susanne Albrecht (Mitte links) am 6. Juli 1990 in Karlsruhe, wo der gegen sie bestehende Haftbefehl vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof verkündet wurde. Die 39-Jährige, die am 6. Juni 1990 in Ost-Berlin (DDR) festgenommen worden war, hatte sich am 5. Juli nach Absprache mit ihrer Familie und ihrem Anwalt der bundesdeutschen Justiz gestellt. Am 3. Juni 1991 wurde sie wegen des Mordes an dem Bankier Jürgen Ponto und dem fehlgeschlagenen Mordversuch an dem NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig sowie zwei Sicherheitsbeamten 1979 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. (© picture-alliance/dpa, DB Weißbrod)
Auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf und Rückzugsraum für kampfesmüde Terroristen, die für ihre Genossen zunehmend eine Belastung und Gefahr bedeuteten, einigten sich RAF und MfS im SED-Auftrag daher 1980 darauf, zehn RAF-Mitglieder (Susanne Albrecht; Silke Maier-Witt; Werner Lotze und Christine Dümlein; Ekkehard von Seckendorff und Monika Helbing; Ralf Baptist Friedrich und Sigrid Sternebeck; Inge Viett; Henning Beer) im SED-Staat, im ganz nahen Osten, legendiert mit neuer Identität und neuen Ausweispapieren unterzubringen und zu beherbergen (MfS-Operativfall „Stern 2“). Hierfür mussten die RAF-Aussteiger weitgehend fingierte Lebensläufe vorlegen. Darin nannten sie gemeinhin ausländische Städte faktenwidrig als ihren Geburtsort und deklarieren die eigenen Eltern realitätsfern als verstorben, um Nachfragen und -forschungen zu erschweren.
In ihrem handschriftlich verfassten, erhalten gebliebenen „Lebenslauf“ bekundete zum Beispiel Monika Helbing 1980, sie sei in die DDR eingewandert, weil sie in einem Land leben wolle, das „an der Seite der befreiten Länder und Befreiungsbewegungen der 3. Welt gegen den Imperialismus kämpft“.
In der DDR unterstützte das MfS die RAF-Aussteiger einerseits finanziell, aber auch durch Arbeitsplätze („RAF in die Produktion“) und Wohnungen – möglichst unauffällig in eher unpersönlich-anonymen Gegenden und weit entfernt sowohl von Transitstrecken als auch der Westgrenze. Andererseits kontrollierte die Stasi die westdeutschen Neubürger, indem sie unter anderem ihre Post überwachte, ihre Telefone abhörte und ihre Wohnungen verwanzte. Durch die Beobachtung und Bearbeitung der RAF-Aussteiger wollte das MfS unter anderem möglichst frühzeitig mitbekommen, wenn westdeutsche Zielfahnder auf die DDR-Spuren der RAF gelangen sollten. Daher überwachten bis zu 20 IM „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) die RAF-Aussteiger. Weil die SED eine Dekonspiration ihrer Liaison mit der RAF fürchtete, überwachte das MfS die RAF-Ruheständler und ihre persönlichen Kontakte in der DDR.
Zugleich arbeiteten einige der demobilisierten RAF-Kader selbst als IM für das MfS, unter anderem Silke Maier-Witt (IM „Anja Weber“), die an der Entführung und Ermordung Schleyers und seiner Begleiter beteiligt gewesen war, und Susanne Albrecht (IM „Ernst Berger“), die als „Türöffnerin“ an der Ermordung Jürgens Pontos, eines engen Freundes ihrer Eltern, mitgewirkt hatte. So lieferten die IM unter anderem Stimmungsberichte aus „volkseigenen“ Betrieben und denunzierten DDR-Bürger, denen es an politischer Linientreue mangele. Später gab das MfS einigen der RAF-Aussteiger, weil deren Enttarnung beziehungsweise Dekonspiration durch Westbesucher und durch Fahndungs-Hinweise aus dem „BRD“-Fernsehen drohte, nochmal eine neue Identität, zum Beispiel Silke Maier-Witt, die damals als Krankenschwester in Erfurt lebte.
IV. Zehn Festnahmen im Sommer 1990
Der ehemalige Stellvertreter von Staatssicherheitsminister Erich Mielke (1980-1989), Gerhard Neiber (M), wird am 26. März 1991 in Berlin verhaftet. Ihm wurde Unterstützung der Roten Armee Fraktion (RAF) vorgeworfen. (© picture-alliance/dpa)
Der ehemalige Stellvertreter von Staatssicherheitsminister Erich Mielke (1980-1989), Gerhard Neiber (M), wird am 26. März 1991 in Berlin verhaftet. Ihm wurde Unterstützung der Roten Armee Fraktion (RAF) vorgeworfen. (© picture-alliance/dpa)
Erst sieben Monate nach dem Mauerfall verhafteten Beamte des Zentralen Kriminalamtes der DDR im Juni 1990 in Kooperation mit westdeutschen Sicherheitsbehörden die zehn demobilisierten RAF-Terroristen in der DDR, darunter als erste am 8. Juni Susanne Albrecht, deren ostdeutscher Ehemann und Vater ihres kleinen Sohnes damals „aus allen Wolken gefallen sein soll“.
Neben Albrecht gehörte Werner Lotze zu den Festgenommen.
Nachdem die Polizei ihn am 12. Juli 1990 per Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen hatte, gestand er seinem Vernehmer in der Generalbundesanwaltschaft, Klaus Pflieger, unter Tränen rasch vor allem einen Mord, den die zuständigen Behörden ihm bis dahin gar nicht zugeordnet hatten: So hatte Lotze, wie er erklärte, am 24. September 1978 den Polizeibeamten Hans-Wilhelm Hansen bei einem Schusswechsel in einem Wald bei Dortmund von hinten erschossen – nur einer von insgesamt zehn durch die RAF getöteten Polizeibeamten, deren Namen selten Erwähnung finden: Norbert Schmid, Herbert Schoner, Hans Eckhardt, Fritz Sippel, Reinhold Brändle, Helmut Schoner, Roland Pieler, Arie Kranenburg, Hans-Wilhelm Hansen und Michael Newrzella.
Offenbar wollte Lotze, Vater einer damals kleinen Tochter, eine Lebensbeichte ablegen. Seine umfassenden Aussagen gegenüber den Behörden begründete er mit dem Hinweis, er sei „davon ausgegangen, über kurz oder lang mit meiner Tochter reden zu müssen...Das ist eine Frage des Verhältnisses untereinander, von mir zu meiner Frau, zu meiner Tochter. Es kann da keine Ecken und Nischen geben, wo noch irgendwas zurückgehalten wird“.
Dadurch profitierte er von der Kronzeugenregel (Paragraph 46b, StGB). Deren zentrales Ziel bestand und besteht darin, sowohl konkretes Insiderwissen über begangene oder geplante Verbrechen zu erlangen als auch terroristische oder kriminelle Gruppierungen durch „Verräter“ in ihrem Innern zu verunsichern und zu erschüttern. Die Regelung bot und bietet Straftätern die Chance, umfassend mit zuständigen Behörden zu kooperieren, um die eigene Lage zu verbessern, erheblichen Strafnachlass zu erlangen und um möglicherweise auch das eigene Gewissen zu erleichtern. Wenn „Verräter“ von der zumindest damals hoch umstrittenen Regelung („Sündenfall des demokratischen Rechtsstaates“; “schreiendes Unrecht“) profitieren wollen, müssen sie zwingend nicht nur über ihre eigenen Tatbeiträge aussagen, sondern eben auch über jene ihrer Mittäter.
Das Oberlandesgericht München verurteilte Lotze aufgrund der Kronzeugenregel trotz vollendeten und versuchten Mordes sowie weiterer Straftaten letztlich lediglich zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren. Tatsächlich gelangte Lotze - trotz des vollendeten Mordes am Polizeibeamten Hansen – unter anderem wegen seiner günstigen Sozialprognose bereits nach fünfeinhalb Jahren auf Bewährung aus der Haft in die Freiheit. Das empörte viele Beobachter. Ohne die Kooperation Lotzes mit den Ermittlungsbehörden hätte er höchstwahrscheinlich eine lebenslängliche Strafe erhalten. Stattdessen profitierte Lotze als langjähriger Feind des demokratischen Rechtsstaates von ihm. Ende 1990 appellierte er an seine RAF-Gesinnungsgenossen, sie sollten und müssten ebenfalls aufhören, zu morden und andere Straftaten zu begehen.
Der Aussagebereitschaft Lotzes folgten später weitere RAF-Aussteiger aus der DDR. Durch ihre Angaben aufgrund innerer Überzeugung und/oder reinem Pragmatismus beziehungsweise Opportunismus gelang es, weitere RAF-Straftaten aufzuklären und die daran beteiligten Terroristen zu verurteilen.
V. Andere Formen der Kooperation
Auch einzelne Anwälte der RAF spielten dubiose Rollen. Hier Klaus Croissant, ehemaliger Verteidiger der Roten Armee Fraktion, der 1993 vom vom Berliner Kammergericht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit zu 21 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Die Aufnahme stammt vom 5.3.1993. (© picture-alliance/dpa, ZB/ Peer Grimm)
Auch einzelne Anwälte der RAF spielten dubiose Rollen. Hier Klaus Croissant, ehemaliger Verteidiger der Roten Armee Fraktion, der 1993 vom vom Berliner Kammergericht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit zu 21 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Die Aufnahme stammt vom 5.3.1993. (© picture-alliance/dpa, ZB/ Peer Grimm)
Bereits Anfang der 1980er hatte das MfS sogar aktive RAF-Terroristen wie Christian Klar protegiert, der in der DDR eine medizinische Behandlung erhalten und im sicheren Hinterland des SED-Staates unter anderem den Einsatz einer Panzerfaust geübt hatte (MfS-Operativfall „Stern 1“). Inwieweit solche Übungen der direkten, konkreten Vorbereitung von Anschlägen dienten und ob das MfS zum Beispiel noch 1989 an der technisch elaborierten Ermordung Alfred Herrhausens mitgewirkt hat, blieb bislang unklar. Neben Klar erhielt Inge Viett (IM „Maria“) in der DDR durch das MfS eine militärische Ausbildung.
Nach der Verhaftung der zehn demobilisierten RAF-Mitglieder 1990 verklärten ehemals zuständige MfS-Verantwortliche die SED-Komplizenschaft mit der RAF als einen Beitrag zur Terrorbekämpfung. Letztlich verurteilte kein Gericht auch nur eine Person aus der SED oder ihrer Geheimpolizei für die Kollaboration mit der RAF zu einer Haftstrafe.
Der ehemalige Stasi-Offizier und Leiter der Terrorabwehr, Harry Dahl, prostet am 19.2.97 im Kriminalgericht Berlin-Moabit mit einem Glas Wasser den Journalisten zu. Dahl mußte sich damals mit drei weiteren früheren Staatssicherheitsmitarbeitern wegen Strafvereitelung verantworten. Sie sollen zwischen 1980 und Juni 1990 zehn ehemaligen RAF-Terroristen mit falschen Identitäten bei der Einbürgerung in die DDR geholfen haben. Die Staatsanwaltschaft sah in dem Handeln der Angeklagten eine Straftat, weil die Stasi-Offiziere die steckbrieflich gesuchten RAF-Aussteiger dem Zugriff bundesdeutscher Fahnder entzogen haben sollen. Dahl erklärte, Bonn habe von der Eingliederung der RAF-Terroristen in der DDR gewußt. (© picture-alliance/dpa, Andreas Altwein)
Der ehemalige Stasi-Offizier und Leiter der Terrorabwehr, Harry Dahl, prostet am 19.2.97 im Kriminalgericht Berlin-Moabit mit einem Glas Wasser den Journalisten zu. Dahl mußte sich damals mit drei weiteren früheren Staatssicherheitsmitarbeitern wegen Strafvereitelung verantworten. Sie sollen zwischen 1980 und Juni 1990 zehn ehemaligen RAF-Terroristen mit falschen Identitäten bei der Einbürgerung in die DDR geholfen haben. Die Staatsanwaltschaft sah in dem Handeln der Angeklagten eine Straftat, weil die Stasi-Offiziere die steckbrieflich gesuchten RAF-Aussteiger dem Zugriff bundesdeutscher Fahnder entzogen haben sollen. Dahl erklärte, Bonn habe von der Eingliederung der RAF-Terroristen in der DDR gewußt. (© picture-alliance/dpa, Andreas Altwein)
Im Ergebnis leisteten sowohl das Ende der SED-Diktatur, weil die RAF damit einen wichtigen Helfer verlor, als auch die Praxis der Kronzeugenregel, die RAF-internes Vertrauen zerstörte, einen wichtigen Beitrag zur späteren Selbstauflösung der RAF 1998. Hinzu kommt: Im Kontrast zur RAF-Propaganda regierten in der Wahrnehmung der übergroßen Mehrheit der Bundesbürger in der „BRD“ vor allem weder ein „faschistisch-repressives“ Regime noch „Massenverelendung“.
Zitierweise: Harald Bergsdorf, "Komplizen gegen den Kapitalismus. Zur Kooperation und Kollaboration der RAF und der SED-Geheimpolizei des MfS. Ein Überblick.“, in: Deutschland Archiv, 15.03.2024, Link: www.bpb.de/546478. Veröffentlichte Texte im Deutschland Archiv sind Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. (hk)
Ergänzend zum Thema:
Jan-Hinrick Pesch,
Jan Schönfelder,
Ein weiter Beitrag im Deutschland Archiv von Harald Bergsdorf über die Feindbilder und Propaganda der RAF ist in Vorbereitung.
Weitere Inhalte
Hraald Bergsdort ist Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Extremismusforschung. Von 1994 bis 1998 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag. 2000 wurde er bei Wolfgang Jäger an der Universität Freiburg im Breisgau mit der politikwissenschaftlichen Dissertation "Ungleiche Geschwister. Die deutschen Republikaner (REP) im Vergleich zur französischen Front National (FN)" zum Dr. phil. promoviert.
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