[437] Hof (lat. Aula, fr. Cour), der Landesherr u. seine Familie, mit ihren sie zunächst umgebenden persönlichen Beamten u. Dienern. Der Ausdruck kommt daher, daß man den fürstlichen Palast (Palatium, Pfalz) nebst seinen Nebengebäuden, um den die Dienerschaft wohnte, als ein Ganzes betrachtete u. daher Hof (Curtis, Curia, Aula) benannte. I. Ein nach der ursprünglichen Form eingerichteter größerer Hofstaat zerfällt meistentheils in folgende Unterabtheilungen: a) das Oberhofmeisteramt (Oberhofmeisterstab); ihm steht der Oberhofmeister vor; derselbe hat auf Beobachtung des eingeführten Hofceremoniels zu halten u. die Hoffeste anzuordnen. Zuweilen ist dies indessen einem eigenen Obereeremonienmeister, der neben od. unter jenem steht, übertragen, auch ist noch ein eigener Maître du plaisir ihm zugeordnet, welcher die Anordnung der Schauspiele u. sonstigen öffentlichen Vergnügungen außerhalb des Schlosses zu besorgen hat. An der Spitze des Hofstaates der Gemahlin des regierenden Fürsten, welche ein weibliches Personal um sich hat, steht die Oberhofmeisterin. b) Das Oberkämmeramt; ihm steht der Oberkammerherr (Oberkämmerer) vor; dieser, wenn er wirklich in Function ist, hat die Kammerherren, Kammerjunker, Hofjunker, Pagen unter sich u. bestimmt auch den Dienst. Von den Kammerherren (s.d.) hat nämlich meist einer den Dienst bei dem regierenden Fürsten u. ein anderer bei dessen Gemahlin; sie wechseln hiermit gewöhnlich wöchentlich. Dieser Dienst besteht darin, daß der Kammerherr jeden Morgen den Fürsten od. die Fürstin nach ihren Befehlen fragt, auch wohl im Vorzimmer derselben harrt, sie, wenn sie ins Schauspiel od. sonst wohin fahren, begleitet, mit an der herrschaftlichen Tafel speist etc. Bei großen Hoffesten steht der Kammerherr vom Dienst bei der Gallatafel, an welcher nur die fürstlichen Personen Theil nehmen, hinter dem Stuhl des Fürsten u. reicht ihm die Speisen zu, die er von den Pagen (diese wiederum von den Lakaien) erhält. Sind andere regierende Herren zum Besuch an einem Hofe, so erhalten auch sie von diesem Kammerherren. Nichtregierende Prinzen, die keinen Kammerherrn für immer haben, ersetzen dessen Stelle durch einen Hofcavalier (Gesellschaftscavalier od. Adjutanten). Die Kammerjunker assistiren den Kammerherren in ihren Diensten. Sie sind als solche ohne Gehalt u. wechseln in ihrem Dienst, welcher dem der Kammerherren ähnelt. Nach den Kammerjunkern folgen die Hofjunker. Junge Edelleute von 1218 Jahren, welche zum Aufwarten der regierenden Fürsten bei der Tafel u. dgl. bestimmt sind, heißen Pagen (s.d.). Alle die bisher genannten Hofämter werden nur von Adeligen bedient. Wie die Fürsten ein männliches Gefolge um sich haben, so umgeben sich die Fürstinnen mit einem weiblichen Hofstaat. Als Gesellschafterinnen stehen der Fürstin Hofdamen, verheirathete od. auch unverheirathete Damen, die auf dem Schlosse wohnen u. Gehalt beziehen, zur Seite. Zuweilen unterscheidet man auch, bes. am französischen Hofe, Ehrendamen (Dames d'honneur) als Hofdamen erster Klasse von denen zweiter Klasse, den Palastdamen; die Damed'atour, welche den Schmuck der Gemahlin des Regenten bewahrt, hat am französischen Hofe den Rang vor allen Hofdamen. Auch Hoffräuleins (Ehrenfräuleins) gibt es an einigen Höfen; doch stehen diese im Rang eine Stufe niedriger, als die Hofdamen. Alle diese Damen stehen, was Ceremoniell, den inneren Dienst u. dgl. anlangt, unter der Oberhofmeisterin. c) Das Hofmarschallamt (Hofmarschallsstab); Vorsteher ist der Oberhofmarschall. Seiner Sorge ist hauptsächlich die Hofökonomie anvertraut; er führt daher die Aufsicht über das sämmtliche Hauswesen des Hofes, sorgt für Erhaltung der gehörigen Ordnung u. Reinlichhaltung innerhalb des Schlosses (da wo dies einem besonderen Hofbeamten aufgetragen ist, führt derselbe den Namen Hausmarschall), hat die Oberaufsicht über die Hofkellerei u. Hofküche u. über Anordnung der Tafel, deren specielles Arrangement eigene Tafeldecker besorgen, u. hat die sonstigen bei Hofe vorkommenden Ausgaben unter sich. Der Tafel selbst steht der Oberschenk u. unter ihm unmittelbar der Haushofmeister vor, u. er besorgt durch die Hofköche od. Mundköche die [437] Küche. Diesem sind mehrere dienende Personen zum Beistand gegeben, u. ein eigener Küchenschreiber controlirt das Ganze. Ein Hofconditor besorgt die Hofconditorei. Ein Mundschenk u. Kellermeister hat den Weinkeller unter sich, u. bei großen Hofhaltungen ist auch wohl noch ein eigener Kellerschreiber angestellt. Ein Silberdiener hat das gesammte Silber unter seinem Verschluß u. seiner Aufsicht, u. eigene Silberwäscherinnen sind zu dessen Reinigung angestellt. Ein eigener Wäschmeister od. eine Wäschmeisterin führt die Aufsicht über sämmtliche von den fürstlichen Personen gebrauchten Leib-, Tisch- u. Bettwäsche, die Bettmeisterin (Bettfrau), beaufsichtigt die Betten. Meist sind dem Hofmarschall auch die zum persönlichen Dienst der fürstlichen Personen bestimmten Diener untergeben. Zunächst stehen meist unter dem Oberhofmarschall die Kammerdiener des regierenden Fürsten u. der Prinzen, die denselben beim Aus- u. Anziehen behülflich u. sonst die ersten Bedienten derselben sind; ferner die eigentlichen Hoflakaien (Hofbedienten), welche bei Tafel, bei Couren u. sonstigen Hoffestlichkeiten aufwarten, Gänge für fürstliche Personen u. die hohen Angehörigen thun etc. Zwischen beiden stehen die Hoftrompeter, welche das Zeichen zu der Tafel u. zu sonstigen Hofversammlungen geben. Ehedem gehörten auch die Haiducken, Leibhusaren u. Laufer, welche Letztere, in eine eigene Tracht gekleidet, vor u. neben den Wagen der Herrschaften herliefen, hierher. Wie bei den Fürsten die Kammerdiener, haben bei den Fürstinnen die Kammerfrauen das Aus- u. Ankleiden zu besorgen u. die Bedürfnisse der Toilette mit Hülfe von eigenen Garderobieren (Kammerjungfern) zu ordnen. Alle diese niederen Bedienungen, vom Hofjunker u. dem Hoffräulein abwärts, erhalten 'Bürgerliche. d) Der Stall (Oberstallmeisterstab); demselben steht der Oberstallmeister vor. Er wird durch mehrere Stalllieutenants unterstützt, die wieder eine gewisse Anzahl bürgerliche Stallmeister, über den Stall gesetzte Beamte u. Bereiter, welche das Zureiten der Pferde besorgen, unter sich haben, welche wieder die Wagenmeister, Futtermarschälle, Reitknechte, Kutscher, Vorreiter, Stallknechte u. Stalljungen beaufsichtigen. Ein Stallschreiber führt die Rechnung über die beim Stall vorkommenden Ausgaben. Zuweilen sind auch noch eigene Reisestallmeister angestellt, die für das schnelle Fortkommen des Fürsten auf Reisen zu sorgen haben; sie werden durch andere Cavaliere, Reisemarschälle, welche die Anordnung des Hofhaltes auf Reisen besorgen, in ihren Geschäften unterstützt. e) Dem Hofjagddepartement steht ein Oberhofjägermeister vor. Ihm sind eigene Jagdjunker, die in gleichem Range mit den Kammerjunkern stehen, beigegeben u. eben so eigene Jagdpagen, die den Fürsten auf Jagden begleiten u. ihm die hierbei nöthigen Dienste leisten. Die Büchsenspanner stehen auf Jagden hinter dem Fürsten, laden dessen Gewehre u. reichen sie ihm zu. Eigene Hofjäger (Wildmeister) beaufsichtigen die für den H. bestimmten Jagdreviere u. Wildgärten. An großen Höfen haben diese sämmtlichen Branchen eigene Kanzleien, an kleineren sind diese in eine einzige Hofkanzlei, mit einem Hofsecretär, Hofcanzlisten, Hofcopisten verbunden. Damit ist an großen Höfen eine Hofbuchhalterei verknüpft, die von einem besonderen Hofbuchhalter besorgt wird u. einen Hofkassirer (Hofkassenverwalter) hat, die Hofkasse, aus der die unmittelbaren Ausgaben des Hofes bestritten werden, unter sich. Jedem der einzelnen Departements ist gewöhnlich ein od. mehrere Hoffouriere beigegeben, welche u.a. auch die Einladungen an den H. zu besorgen haben. Bisweilen ist für den ganzen Hofhalt ein besonderer Kammerfourier angestellt. Außerdem gehören zum H. die Hofgeistlichen; Hofbeichtväter zu halten gestattete der Papst erst am Ende des 13. u. zu Anfang des 14. Jahrh. Anfangs begleiteten die Mönche aus verschiedenen Orden dieses Amt, später bemächtigten sich oft die Jesuiten desselben. Mit dem Posten des Beichtvaters verbunden war der des Almosenirers (fr. Aumoniers), durch welchen die Könige den Bedürftigen unter ihren Unterthanen Almosen zukommen ließen. Die übrigen Geistlichen, welche bei der Hofkapelle angestellt waren, hießen Hofkapellane. Als mehrere Höfe die Reformation annahmen, wurden aus den Beichtvätern Hofprediger (s.d.), welche zugleich die Seelsorge des Hofes behielten. Hofgeistliche u. Leibärzte sind hoffähig; nicht hoffähig sind: Leibchirurgen, der Kapellmeister u. die Mitglieder der Kapelle, der Hofcantor, der beim Gottesdienst in der Hofkapelle vorsingt, der Hofarganist, welcher die Orgel der Hofkirche spielt, der Hoffactor (Hofagent), der den Bedarf von Lebensmitteln, Colonialwaaren u. anderen Bedürfnissen für die Hofhaltung einkauft, allerhand Handwerksmeister, Hofschneider, Hofschuhmacher, Hoftischler etc., welche die nöthigen Geräthschaften für den H. anfertigen, der Hoffiscal, welcher über die Bewahrung des Rechtes des Hofes zu wachen u. die Hofbeamten zu vertreten hat, der Hofgärtner, welcher die Aufsicht über die fürstlichen Gärten führt. Eine ganz eigene Art von Personen bei Hofe waren sonst die Hofnarren (s.d.). Sämmtliche Hofbeamte gehören in kirchlicher Hinsicht zur Hofgemeinde u. waren früher in bürgerlicher Hinsicht von einigen Abgaben u. sonstigen Lasten befreit (daher Hofbefreite).
II. Schon im 14. Jahrh. pflegten die Fürsten Lieblingsfarben zu haben, in denen sie bei feierlichen Aufzügen, bei Reisen etc. ihre Diener kleideten. Diese Hoffarben pflegten die Hauptfarben des Wappens zu sein u. gaben später Anlaß zu den Hofuniformen, welche jetzt die vornehmern Hofbeamten, u. zu den Hoflivreen, welche die Hofbedienten tragen. Später wählte man meist grün, blau od. roth zu Hofuniformen u. ließ nur das Wappen od. den Namenszug auf den Knöpfen des Rockes erscheinen. Epaulettes u. Stickerei bildeten die Unterscheidungszeichen des Ranges auf den Hofuniformen, Achselbänder u. Treffen die auf den Hoflivreen. Personen, welche an den H. gezogen werden, ohne zu einer Hof- od. einer anderen Uniform berechtigt zu sein, pflegen eine vorgeschriebene Hofkleidung zu tragen. Dieser Hofrock besteht aus einem, bis an die Knie reichenden, vorn fast zusammenfallenden, am Kragen, den Schößen u. Seiten herunter reich gestickten Rock, mit Halstuch u. Manschetten von seinen Spitzen, od. jetzt aus einem gewöhnlichen schwarzen Frack mit stehendem Kragen u. einer Reihe Knöpfe. Fast immer wird von jedem am Hofe erscheinenden Weltlichen ein Degen u. ein dreieckiger Hut getragen, u. nur bei den kleineren engeren Hofgesellschaften ist nachgegeben, daß die Geladenen in dem Hoffrack, von bestimmten Farben, meist von der Grundfarbe der Hofuniform, erscheinen dürfen. Noch jetzt ist an den meisten Höfen bei größter [438] Galla, auch wohl bei mittlerer Uniform, vorgeschrieben, mit kurzen Beinkleidern, Strümpfen u. Schuhen zu erscheinen; aber auch an vielen Höfen nachgegeben, zu Hofuniformen, selbst in Galla, in weißen Kasimirpantalons u. in Stiefeln zu erscheinen; Offiziere erscheinen probemäßig, also mit Stiefeln u. Pantolons. Über das Hofceremoniel (Hofetiquette) s.u. Ceremoniel b). Die Hofsprache war bis zu Ende des 16. Jahrh. am kaiserlichen Hofe die Spanische Sprache, um diese Zeit bekam dort die Italienische die Oberhand u. währte bis zu Ende des 17. Jahrh., während an den übrigen Höfen, am kaiserlichen Hofe am spätesten, die Französische vorherrschte u. bis Anfang dieses Jahrhunderts herrschend blieb, wo an den meisten deutschen Höfen die Deutsche wieder in ihre Rechte trat, jedoch mit der Französischen od. Englischen gesprochen wird. Ein wichtiger Theil des Hofceremoniels ist die Bestimmung der Hoffähigkeit, d.h. die Bestimmung, wer zu Hofe Zutritt hat u. wer nicht. Sonst bildeten die Pares curiae u. die Ministerialien die nächste Gesellschaft des Fürsten, aus ihnen ging der Adel hervor u. dieser behauptete daher das Recht, die alleinige Gesellschaft des Fürsten zu bilden. Außer ihm war die hohe Geistlichkeit zutrittsfähig u. auch andere ausgezeichnete Personen, so Gelehrte, bes. wenn sie graduirt waren (was damals dem persönlichen Adel gleich stellte), wurden in früherer Zeit unbedingt an den H. gezogen. Erst als in Frankreich der Adel ausschließlich zutrittsfähig wurde u. sich die französische Hofsitte über die meisten europäischen Höfe verbreitete, wurde den Bürgerlichen der H. ganz verschlossen u. derselbe nur den adelig Geborenen, den Bürgerlichen aber nur ausnahmsweise gestattet. Dies blieb, bis die Französische Revolution mit ihren Folgen hierin eine Milderung eintreten ließ. An den meisten Höfen sind jetzt die Präsidenten der Landescollegien, an manchen auch die wirklichen Räthe u. auch nichtadelige Offiziere für ihre Person hoffähig; auch ausgezeichnete Gelehrte u. Künstler zieht man an deutschen Höfen wenigstens zur Tafel. Gleiches findet in constitutionellen Staaten auch mit den bürgerlichen Deputirten zu Landtagen statt. An anderen Höfen sind die genannten Bürgerlichen wohl tafel-, aber nicht courfähig. In einigen Staaten, z.B. in Rußland, gibt nur der Stand, nicht die Geburt, ein Recht, am Hofe zu erscheinen, es ist dort aber mindestens der auch auf Civilbehörden übertragene Rang eines Obersten dazu erforderlich. Die Versammlungen der Höfe u. die Hoffeste bestehen: in Couren, welche, wie die Gratulations-, auch wohl Präsentationscouren nur etwa eine od. einige Stunden vor Tafel od. Abends, auch an gewissen Tagen (Courtagen), stattfinden u. wo der Fürst u. die Fürstin, od. ein zum Besuch gegenwärtiger Fürst, die Runde macht u. mit den Geladenen spricht; in Levers, wo die Besuche von einer fürstlichen Person nach dem Aufstehen angenommen werden; in Assemblées mit od. ohne Spiel, in weiteren od. engeren Cercles; in Hofconcerten u. in Hofbällen, Tafeln, Jagden, Landpartien, Schlittenfahrten etc. Der Hofton ist an den einzelnen Höfen nach der Individualität der Fürsten verschieden; im Allgemeinen gilt ein möglichst seines, gefälliges, zuvorkommendes, jeden Anstoß aufs Vorsichtigste vermeidendes Benehmen, Gewandtheit der Sprache, namentlich gewählte Eleganz des Ausdruckes, bes. gegen Höhere, u. ritterliche Galanterie gegen Damen für ächte Hofsitte, Dies war die Form des 16., 17. u. 18. Jahrh. Seit der Französischen Revolution ist jedoch an vielen Höfen ein ungezwungeneres Wesen eingeführt worden, doch bleibt an den meisten Höfen die ganze Hofeinrichtung wie ein Rahmen fest bestehend, worein bei Hoffesten, Besuchen von Fremden etc. der H. aus dem Privatleben tritt u. so repräsentirt.
Adelung-1793: Hof-Fourier, der · Hof-Fiscal, der · Hof-Dame, die · Hof-Medicus, der · Hof-Profoß, der · Hof-Prälat, der · Hof-Musicant, der · Hof-Agent, der · Hof-Advocat, der · Hof, der · Hof-Capellan, der · Hof-Conditor, der · Hof-Casse, die · Hof-Capelle, die
Brockhaus-1837: Hof [2] · Hof [1]
Brockhaus-1911: Hof [3] · Hof- und Gerichtsadvokaten · Hof · Hof [2]
DamenConvLex-1834: Hof (Himmelskunde) · Hof (Geographie)
Herder-1854: Hof [2] · Hof [3] · Auerbachs Hof · Hof [1]
Lueger-1904: Kontakterscheinungen, -hof, -metamorphismus · Hof
Meyers-1905: Hof [4] · Hof- und Gerichtsadvokat · Hof [3] · Hof [1] · Hof [2]
Pataky-1898: Vom Hof, Frl. Nanny · Hof, Nanny vom
Pierer-1857: Hof [1] · Hof [3] · Nippenburger Hof · Baierisch Hof · Hof Ragatz · Hof zum Bergen
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro