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Zeuge

[585] Zeuge (Testis), eine Person, welche entweder dazu erwählt ist, um in Rücksicht einer Thatsache, von welcher die Entscheidung eines Rechtsstreites abhängt, auszusagen, was sie von jener, als Ereigniß betrachtet, mit ihren äußeren physischen Sinnen wahrgenommen hat, od. welche dazu erfordert wird, um von einem gewissen Vorgange Wissenschaft zu erhalten u. zugleich durch ihre Gegenwart einem mit jenem Vorgang beabsichtigten Rechtsgeschäfte, z.B. einem Testament, die gesetzliche Form u. Gültigkeit zu verleihen. I. Nach diesem Begriffe theilen sich die Z-n in die zwei Hauptarten der Beweiszeugen (gerichtliche Z-n) u. der Instruments- od. Solennitätszeugen, deren Gegenwart nicht blos zum Beweise, sondern auch zur Form gewisser Geschäfte von den Gesetzen erfordert wird. Beide Arten von Z-n unterscheiden sich von einander auf mancherlei Weise. Solennitätszeugen müssen zur Gegenwart bei dem Geschäfte erbeten sein; ein Zwang findet bei ihnen nicht Statt, so daß, wenn er angewendet ist, das Geschäft deshalb sogar ungültig ist. Als Beweiszeugen gelten auch Frauenspersonen u. unter gerichtlicher Vormundschaft stehende Personen, während dieselben zu Solennitätszeugen nicht zugelassen werden. Die Beweiszeugen müssen vereidet werden, wenn ihrer Aussage im Gericht Glauben beigemessen werden soll; bei Instrumentszeugen ist dies der Regel nach nicht der Fall, so lange nicht über die Echtheit des Instrumentes, welches sie unterschrieben haben, Streit entsteht. Die Solennitätszeugen können oft einen sehr nahen Antheil an dem Geschäft haben, zu welchem sie zugezogen werden, u. manche sind dabei als Z-n fähig, welche als Beweiszeugen nicht zulässig sind, z.B. der emancipirte Sohn beim Testament seines Vaters. Die Tüchtigkeit der gerichtlichen Z-n wird ferner nach der Zeit beurtheilt, zu welcher sie dem Gericht Zeugniß ablegen sollen; bei Solennitätszeugen beurtheilt sich dagegen dieselbe nach der Zeit, zu welcher das Geschäft vorgenommen wurde, u. eine später eingetretene Unfähigkeit schadet der Gültigkeit des Geschäftes nichts. Als Beweiszeugen genügen in der Regel zwei; zur Form eines Geschäftes werden aber in der Regel mehr, z.B. bei Testamenten sieben, erfordert. Die gerichtlichen Beweiszeugen müssen vor Gericht vernommen werden; die Solennitätszeugen legen ihr Zeugniß durch die Unterschrift des Documentes ab, u. es bedarf daher bei ihnen nur der Anerkennung der Unterschrift od. des Beweises der Echtheit derselben. Der Mangel eines Solennitätszeugen kann in der Regel durch nichts Anderes ergänzt werden; der Beweiszeuge bildet nur eine Art der gewöhnlichen Beweismittel, welcher jede andere Art im Ganzen gleichsteht, so daß eine Beweisführung[585] durch Z-n durch jede andere Art Beweisführung, z.B. Augenschein, Urkunden, Eid, ersetzt werden kann. Das Nähere über den Gebrauch der Solennitätszeugen läßt sich nur bei den verschiedenen Rechtsgeschäften, bei welchen sie vorkommen, darstellen; auch der Gebrauch der Beweiszeugen, welche übrigens wohl zu unterscheiden sind von den Sachverständigen (Artis periti, auch wohl Urtheilszeugen genannt, s.d.), ist ein verschiedener, je nachdem sie im Civil- od. Criminalprocesse zur Benutzung kommen. A) Im älteren deutschen Civilproceß standen die Z-n gar nicht in Beziehung zu der streitigen Sache selbst; sie wurden lediglich berufen, um den Eid der Partei, auf welchem das Hauptgewicht für die Beweisführung ruhte, zu verstärken u. als Garanten der Wahrheit dieses Eides aufzutreten. Die Z-n gaben daher lediglich über die Glaubwürdigkeit des Parteieides ein Urtheil ab, u. der Zweck dieser Urtheilsabgabe ging mittelbar od. unmittelbar dahin, durch die Bekräftigung des Rechtes der Partei, deren Eide sie beitraten, das entgegengesetzte Urtheil der Gegenpartei zu entkräften u. zu überwinden. Ausgeschlossen waren hiernach vom Gezeugniß alle diejenigen, denen man ein solches Urtheil über das Recht der eidespflichtigen Partei nicht zutrauen konnte, wie Kinder binnen ihren Jahren, Thoren u. sinnlose Menschen, ferner erkaufte Z-n, das Brodgesinde, regelmäßig auch die nächsten Verwandten. Weil weiterhin ein mittelbares od. unmittelbares Urtheil über ein Recht, welches in einer gewissen Rechtsgenossenschaft Geltung haben sollte, nur demjenigen zugeschrieben werden konnte, welcher selbst in dieser Genossenschaft lebte, u. weil der Gegner des Beweisführers fordern durfte, daß seine entgegenstehende Behauptung nicht dem Urtheil eines solchen zu weichen habe, welcher ihm an rechtlichem Werthe u. an öffentlicher Stellung ungleich war, so gelangte man zu dem Grundsatz, daß über Rechte, welche zu einer bestimmten Rechtsgenossenschaft in genauer Beziehung standen, nur der vollkommene Theilhaber an dieser Genossenschaft Zeugniß ablegen könnte. Daher zeugten im Lehengericht in Bezug auf lehnrechtliche Verhältnisse nur Mannen des richtenden Herrn, welche ihm gehuldigt hatten u. am Heerschild standen, bei Processen um Grundeigenthum nur eingesessene Leute desselben Gerichtes. Im Landgericht wurde wenigstens Vollkommenheit an allen Rechten erfordert, u. blieben deshalb eigene Leute, Mönche, Juden, Kebskinder u. solche, welche sich durch Verbrechen recht- u. ehrlos gemacht hatten, auch regelmäßig Frauenspersonen, vom Gezeugniß ausgeschlossen. Der Sachsenspiegel enthält sogar die Regel, daß für alle diejenigen Rechtsverhältnisse, welche nur unter Königsbann gerichtet werden können, der Sachse nur das Gezeugniß eines ebenbürtigen Mannes über sich ergehen zu lassen brauche, u. fordert daher auch bei Streitigkeiten über Grundeigenthum Schöffen od. schöffenbare Leute, bei Streitigkeiten über Standesrechte Genossen des Gegners des Beweisführers. Eine Befragung des Z-n wegen des Materiellen der Sache galt nach dieser Auffassung des Gezeugnisses für das ältere Deutsche Recht als gänzlich unnütz u. deshalb unstatthaft. Alle diese Grundsätze wurden jedoch mit dem Eindringen des Römischen u. Canonischen Rechtes, welches zugleich dem Gebrauche des Parteieneides im Civilprocesse eine ganz andere Gestalt gab, über den Haufen geworfen. Die Aussagen der Beweiszeugen bildeten nach diesem Rechte nur ein Moment, um die richterliche Überzeugung von dem Dasein od. Nichtdasein gewisser rechtsbegründeter od. sonst auf das streitige Rechtsverhältniß einflußreicher Thatsachen zu bestimmen. Die Zeugenaussagen unterliegen daher von Seiten ihrer subjectiven u. objectiven Glaubwürdigkeit einer Prüfung des Gerichtes u. die Beweiskraft derselben hängt von dem Dasein der in dieser Hinsicht gesetzlich vorgeschriebenen subjectiven u. objectiven Bedingungen ab. a) Nach dem Grade der subjectiven Glaubwürdigkeit zerfallen die Z-n in aa) tüchtige od. klassische Z-n (Testes classici, idonei, omni exceptione majores), gegen welche kein Unfähigkeits- od. Verdachtsgrund vorliegt u. durch welche, wenn auch die objectiven Erfordernisse vorhanden sind, voller Beweis hergestellt wird; bb) verdächtige Z-n (T. suspecti), welche an sich zwar fähig sind vorgekommene Thatsachen richtig aufzufassen, bei denen es aber doch zweifelhaft bleibt, ob sie dieselben richtig aufgefaßt haben od. ihre Auffassung unverfälscht mittheilen können u. wollen; u. cc) unfähige Z-n (T. inhabiles). In der Regel ist Jeder zum Zeugniß befähigt. Ein Grund zur Unfähigkeit kann aber ausnahmsweise eintreten, weil bei ihnen die Voraussetzungen, unter denen durch Zeugenaussagen richterliche Überzeugung bewirkt werden kann, nach der Natur der Sache od. nach positiven gesetzlichen Bestimmungen entweder überhaupt (absolute Unfähigkeit), od. doch wegen eines Verhältnisses, in welchem sie zu einer Partei od. zum Streitgegenstande stehen, in einem bestimmten Processe fehlen, u. weil sie daher die Wahrheit nicht sagen können od. doch nach gesetzlicher Präsumtion nicht sagen wollen (relative Unfähigkeit). Absolut unfähig sind der Natur der Sache nach alle diejenigen, welche die zu beweisende Thatsache aus physischen od. intellectuellen Gründen nicht wahrnehmen konnten, wie Kinder, Wahn- u. Blödsinnige, od. sonst wegen ihres körperlichen od. geistigen Zustandes, u. weil ihnen der zur Wahrnehmung, resp. Mittheilung erforderliche äußere Sinn fehlt, nicht perceptionsfähige od. nicht mittheilungsfähige Personen (Taube in Bezug auf Gegenstände, welche nur durch Hören, Blinde in Bezug auf Vorgänge, welche nur durch das Gesicht wahrgenommen werden konnten, Kinder im zartesten Alter etc.). Außerdem sind nach gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen: alle wegen eines Meineids od. wegen eines anderen mit entehrender Strafe bedrohten Verbrechens Verurtheilte od. in Untersuchung befangene Personen, Ehrlose u. nach Canonischem Rechte auch Personen, welche mit dem Banne belegt sind. Eine relative Unfähigkeit findet Statt: bei verwandten u. verschwägerten Personen in gerader Linie, bei Ehegatten od. Verlobten unter einander, bei. Todfeinden gegen einander, bei Vasallen, außer in geringfügigen Sachen, gegen den Lehnsherrn, bei gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen, wie namentlich Anwälten, so lange das Auftragsverhältniß dauert, rücksichtlich solcher Thatsachen, welche das streitige Rechtsverhältniß betreffen, bei Geistlichen u. Beamten, welche das Beichtsiegel u. resp. Amtsgeheimniß nicht verletzen dürfen, auch Ärzten u. Hebammen, ferner bei unmittelbar Betheiligten (sogen. Testes in causa propria), weshalb z.B. auch Gemeindeglieder in Gemeindesachen, an denen sie ein unmittelbares Interesse haben, Streitgenossen, [586] Bürge u. Hauptschuldner unter einander, der Cedent für den Cessionar, der zur Eviction verpflichtete Verkäufer für den Abkäufer als unfähig zu gelten haben, sowie auch bei bestochenen u. solchen Personen, welche mit Ablegung des Zeugnisses ihre eigene Schande bekennen würden. Dagegen wird die Bestimmung des neuern Römischen u. Canonischen Rechts, wornach Juden u. andere Nichtchristen, auch Ketzer gegen Rechtgläubige als Z-n nicht zugelassen werden sollten, gerichtsgebräuchlich nicht mehr beachtet. Die Frage nach der Verdächtigkeit eines Z-n ist eine mehr factische, als juristische Frage u. ihre Beantwortung im concreten Falle, ebenso wie die Bestimmung des Grades, in welchem die Verdächtigkeit anzunehmen ist, dem richterlichen Ermessen überlassen. Es lassen sich daher auch die Verdachtsgründe nicht auf eine bestimmte Zahl zurückführen. Im Allgemeinen gehören aber zu den verdächtigen Z-n namentlich die Dienstboten (Testes domestici) wegen ihrer Abhängigkeit in Betreff der ihre Herrschaft angehenden Rechtssachen, nahe Seitenverwandte u. Verschwägerte (sie müßten denn beiden Streittheilen gleich nahe stehen), alle diejenigen, welche wenigstens ein mittelbares Interesse am Rechtsstreit haben, intimere Freunde, Feinde, wenn dieselben nicht gerade Todfeinde u. deshalb ganz unfähig sind, Personen von schlechtem Rufe u. solche, welche an Stumpfheit des zur Wahrnehmung erforderlichen Sinnes leiden. Die Gründe der absoluten Unfähigkeit werden von Amtswegen, dagegen Gründe der relativen Unfähigkeit, sowie der bloßen Verdächtigkeit nur dann berücksichtigt, wenn sie von der betheiligten Partei od. vom Unfähigen selbst geltend gemacht u., soweit nöthig, in rechtliche Gewißheit gesetzt worden sind. b) In der Regel ist Jeder verpflichtet, der Aufforderung einer Partei, welche sich auf sein Zeugniß beruft, unweigerlich nachzukommen. Ausgenommen von diesem Zwang sind jedoch alle die, welchen ein relativer Unfähigkeitsgrund zur Seite steht, wenn auch die Gegenpartei gegen ihre Zulässigkeit keine Einwendungen erheben sollte. Ebenso können Mitglieder souveräner Häuser, ferner Seitenverwandte bis zum siebenten Grade der römischen Computation gegen einander, der Bräutigam der Tochter gegen deren Vater, der Vater der Braut gegen den Bräutigam, Vormünder gegen ihre Mündel, Advocaten gegen ihre Clienten, sowie alle die, welche zu ihrem Nachtheil aussagen od. ihre eigene Schande bekennen würden, wider ihren Willen nicht zum Zeugniß genöthigt werden. Bei den Römern waren überdies auch Freigelassene nicht verpflichtet gegen den Patron Zeugniß abzulegen; auch Kranke u. Greise, Militärpersonen u. in öffentlichen Angelegenheiten Abwesende durften das Zeugniß verweigern, während gegenwärtig die Abhörung kranker Personen nöthigenfalls in ihrer Behausung Statt findet u. die Befreiung der andern genannten Personen ganz hinweggefallen ist. Als gesetzliche Zwangsmittel gegen Z-n, welche ohne genügende Entschuldigung ihr Zeugniß verweigern, finden Geld- u. Gefängnißstrafen Statt. Bleiben diese Zwangsmittel fruchtlos, so wird der renitente Z. der in Folge seiner Weigerung unterliegenden Partei zum Schadensersatz verpflichtet u. dieser letzteren die Regreßklage vorbehalten. Die dem Z-n bei Gelegenheit seines Zeugnisses auflaufenden Unkosten hat ihm der Beweisführer nach deren Feststellung durch den Richter zu ersetzen; in der Regel enthalten die Taxordnungen für diese Unkosten besondere Ansätze (Zeugengebühren). c) Selbst ein völlig klassischer Z. bringt durch seine Aussage nicht ohne Weiteres vollen Beweis hervor; vielmehr wird dazu regelmäßig die übereinstimmende Aussage zweier klassischer Z-n erfordert, es müßten denn die Parteien auf die Aussage eines einzigen Z-n ausdrücklich compromittirt haben od. es sich nur um eine blos provisorische Bescheinigung handeln. Auch liefert ein öffentlicher Z., d.h. ein Beamter, welcher über eine Amtshandlung aussagt, welche er selbständig für seine Person vornehmen durfte u. vorgenommen hat, vollen Beweis. Particulargesetze lassen überdies einen Z-n als vollen Beweis auch in Sachen geringfügigen Betrags gelten. Andererseits werden mehr als zwei klassische Z-n niemals erfordert, u. der übergroßen Anzahl von Z-n, deren sich etwa eine Partei bedienen wollte (sogen. Turba testium), soll der Richter selbst Schranken setzen. Haben zwei Z-n in derselben Sache verschieden ausgesagt, so kommt es zunächst darauf an, ob ihre Aussagen, ungeachtet der Verschiedenheit der Angaben od. Ausdrücke, doch neben einander bestehen können u. sich auf das nämliche Ergebniß im Wesentlichen zurückführen lassen (Singularitas testium diversicativa). Hier wird eine Zeugenaussage durch die andere nicht angegriffen, u. der Richter kann daher möglicherweise unter Beihülfe eines richterlichen Eides zur Annahme eines vollständigen Beweises gelangen. Dasselbe kann dann eintreten, wenn die Verschiedenheit sich so äußert, daß zwar jeder der Z-n über andere Thatsachen aussagt, diese Thatsachen sich aber alle auf dasselbe Factum beziehen u. sich so gegenseitig ergänzen (Singularitas testium adminiculativa s. cumulativa). Widersprechen sich die Aussagen aber so, daß sie neben einander nicht bestehen können u. eine derselben nothwendig unwahr sein muß (Singularitas obstativa), so kann Nichts als erwiesen u. der Beweis daher nur als verfehlt gelten. Die Aussage des Z-n selbst muß mündlich an das Gericht geschehen, überdies mit dem promissorischen Zeugeneide bekräftigt werden u. ihrem Inhalt nach so bestimmt u. deutlich, auch ohne Widersprüche u. überhaupt so erfolgen, daß deren Inhalt auch keinen Zweifel in die Wahrscheinlichkeit des Bezeugten setzen läßt Von dem Zeugeneide sind nur fürstliche Personen befreit. Den Mennoniten ist nach Particulargesetzen erlaubt ihre Aussage durch die Versicherung »bei Mannenwahrheit« zu bekräftigen, welche dann einem förmlichen Eide gleichsteht. Öffentliche Beamte, welche über eine amtlich wahrgenommene Thatsache als Z-n abgehört werden, werden nur vor der Abhörung auf ihren Amtseid verwiesen. Der Z. muß das bezeugte Factum selbst wahrgenommen haben. Z-n vom Hörensagen (Ohrenzeugen, Testes de auditu), welche nur auf Privatmittheilungen Anderer hin aussagen, haben keine Beweiskraft; ebensowenig Testes de credulitate, welche nur versichern, daß sie die Thatsache, um deren Beweis es sich handelt, für wahr halten. Indessen kann durch die Aussage beider Arten von Z-n nach Befinden wenigstens eine künstliche Beweisführung verstärkt werden. Im Übrigen können die Z-n sowohl zum Beweise verneinender, als bejahender thatsächlicher Behauptungen gebraucht werden, u. die Frage, ob den affirmiren den Z-n, welche das Geschehensein einer Thatsache, od. den negirenden,[587] welche das Nichtgeschehensein einer solchen versichern, mehr Glauben beizumessen sei, ist lediglich nach der Sachlage im einzelnen Falle zu entscheiden. Namentlich steht der negirende Z. dem affirmirenden völlig gleich, wenn ihm das Factum gar nicht unbekannt bleiben konnte, sowie wenn seine Aussage ebenso speciell ist, als die des affirmirenden Z-n. Handelt es sich um eine eigene Handlung des negirenden Z-n, so hat er wohl sogar den Vorzug vor dem affirmirenden. d) Das formelle Verfahren bei Benutzung der Z-n als Beweismittel ist nach Gemeinem Rechte ordentlicher Weise folgendes: die Antretung des Beweises erfolgt dadurch, daß der Beweisführer (Producent) in seiner, während des Laufes der Beweisfrist einzureichenden Beweisantretungsschrift (sog. Präsentationsschreiben) erklärt, von diesem Beweismittel Gebrauch machen zu wollen, daneben in einem besondern Schriftsatze die Beweisartikel (s.u. Beweis) aufstellt, über welche die Z-n vernommen werden sollen, die Z-n selbst benennt u. die einzelnen Artikel angibt, über welche jeder einzelne Z. vernommen werden soll (Denominatio testium cum directorio), u. die Bitte ausspricht die Beweisartikel dem Gegner (Producten) zur Einreichung seiner Fragstücke mitzutheilen, einen Productionstermin anzuberaumen u. zu demselben die Z-n, um zu schwören u. sich vernehmen zu lassen, den Producten aber, um bei der Vorstellung u. Beeidigung der Z-n mit gegenwärtig zu sein, vorzuladen. Findet der Richter keine wesentlichen Fehler in der Antretung, so hat er sich dieser Bitte zu fügen u. dem Producenten davon Nachricht zu geben. Die Beweisartikel, ein Überbleibsel des sonstigen articulirten Verfahrens, sind kurze Sätze, in welche sich das zu beweisende Thema auflösen läßt, u. sollen dazu dienen, die Vernehmung der Z-n zu leiten u. zu erleichtern. Da ein Z. seiner eigenthümlichen Bestimmung zufolge nicht zu urtheilen, sondern nur anzugeben hat, was er mit seinen Sinnen wahrgenommen hat, so können nur Thatsachen, nicht auch rechtliche Ansichten od. Schlußfolgerungen in die Artikel aufgenommen werden; verwerflich sind daher namentlich die sogen. Illativartikel, d.h. Artikel, welche den Zeugen veranlassen sollen, eine Meinung auszudrücken. Der Inhalt der Artikel muß auch wenigstens mittelbar relevant sein; jeder Artikel soll auch nicht mehr als ein Factum u. darf Nichts enthalten, was entweder auf eine Veränderung der Klage, od. eine nicht zeitig angebrachte Einrede, Replik etc. hinausläuft. Über die Einrichtung der Fragstücke vgl. die besonderen Artikel. Bringt der Product wider die Zulässigkeit der Artikel od. die Zulässigkeit der Z-n wesentliche Einwendungen (Beweiseinreden) vor, so werden dieselben entweder, wenn sie unbegründet sind, sofort verworfen, od. es kann sich über dieselben ein besonderes, nach manchen Proceßordnungen, z.B. der sächsischen, sogar gewöhnliches Incidentverfahren (Productionsverfahren) entspinnen, welches mit einem Productionserkenntniß schließt, in welchem der Richter sich über die Zulässigkeit des angetretenen Beweises u. der vorgeschlagenen Z-n ausspricht. Die eigentliche Production der Z-n findet in dem Productionstermine Statt u. umfaßt aa) die eigentliche Production, d.i. die persönliche Darstellung der vorgeladenen u. erschienenen Z-n von Seite der Producenten, während die Nichterschienenen u. die außerhalb des Gerichtssprengels Wohnenden gewöhnlich als gleichsam anwesend (absentes tanquam praesentes) nochmals aufgeführt werden; bb) die Beeidigung, welche in Gegenwart der Parteien u. gewöhnlich, wenn auch nicht nothwendig, mit allen Z-n auf einmal erfolgt; cc) das Zeugenverhör. Dieses wird nach dem heutigen Gerichtsgebrauch in Abwesenheit der Parteien u. derer Stellvertreter u. mit jedem Z-n allein vorgenommen, während sowohl im altrömischen Verfahren, als auch nach altgermanischem Rechte es üblich war, daß die Z-n in Gegenwart der Parteien abgehört wurden u. letztere dabei auch selbst Erläuterungsfragen an die Z-n stellen durften. Die Antworten der Z-n sind dabei mit möglichster Treue, u. wo es darauf ankommt, selbst mit Beibehaltung der von ihnen gebrauchten Ausdrücke niederzuschreiben. Nach beendigtem Verhör wird jedem Z-n seine Aussage vorgelesen u. demselben vor seiner Entlassung bis zur Eröffnung der Gezeugnisse Stillschweigen auferlegt. Zur Vorbereitung dieser letztern Eröffnung an die Parteien erfolgt sodann durch das Gericht die Zusammenstellung aller Zeugenaussagen in einer öffentlichen Urkunde, dem sogen. Zeugenrotulus (Rotulus examinis testium). Derselbe wird in der Weise verabfaßt, daß darin zunächst die Förmlichkeiten der Zeugenvernehmung, dann neben einander die Aussagen sämmtlicher Z-n über die allgemeinen Fragstücke, die Artikel u. die besonderen Fragstücke angegeben werden. Der Rotul wird, zugleich mit den Protokollen, entweder mit dem Gerichtssiegel besiegelt zu den Acten gelegt od. in dem Depositum des Gerichtes aufbewahrt, bis die Beweisführung u. etwaige Gegenbeweisführung vollständig zu Ende gebracht ist. Sobald dies geschehen ist, setzt dann der Richter entweder von Amtswegen od. auf Anrufen einer Partei einen Termin zur Eröffnung desselben (Terminus publicandarum attestationum) an, zu welchem die Parteien monitorisch geladen werden. Nach diesem Termin, an welchen übrigens die wichtige Folge geknüpft ist, daß nach demselben, selbst wenn aus Versehen früherhin keine peremtorische Beweisfrist bestimmt worden u. folglich aus diesem Grunde noch der Versuch eines besseren Beweises zulässig wäre, doch über die Punkte, über welche bereits Z-n vernommen worden sind, keine neuen Z-n mehr vorgeschlagen werden dürfen, wird das Schlußverfahren (s.u. Beweis) eingeleitet, indem zunächst dem Producten zur Abgabe seiner Impugnationsschrift eine peremtorische Frist ertheilt u. nach deren Ablauf dem Producenten die Abgabe seiner Salvationsschrift ebenfalls binnen peremtorischer Frist abgefordert wird. e) An diesem sehr weitläufigen Verfahren haben jedoch die neueren Civilproceßgesetze theils zu Gunsten einzelner Proceßarten, theils aber auch für alle Proceßarten überhaupt u. insgemein mehrfache auf Vereinfachung u. zweckmäßigere Gestaltung des Verfahrens abzielende Abänderungen eintreten lassen. Insbesondere ist in allen summarischen u. Bagatellproceßsachen die Antretung des Zeugenbeweises mit Artikeln u. die Verabfassung eines besondern Zeugenrötets fast überall beseitigt worden. Die Z-n werden hier von der Partei nur kürzlich entweder gleich mit der Klage, od. in einem besondern Verhörstermin zu Protokoll dem Namen nach benannt, vom Richter ohne Weiteres vorgeladen, über alle einschlagenden Punkte eidlich zu den Acten vernommen u. die darüber aufgenommenen [588] Protokolle den Parteien mitgetheilt. Manche Proceßgesetze sind sogar zu dem alten Gebrauch zurückgekehrt, daß zu der Vernehmung der Z-n auch die Parteien vorgeladen werden, um derselben persönlich beiwohnen u. unter Genehmigung des Gerichtes Fragen zur Aufklärung stellen zu können. In noch ausgedehnterem Maße ist dieser Grundsatz überall u. für alle Proceßgattungen da angenommen worden, wo das Princip der Öffentlichkeit u. Mündlichkeit in den Civilproceß eingeführt worden ist. Die Z-n werden hier in der Regel in öffentlicher Tagfahrt, zu welcher auch die Parteien vorgeladen werden, nur mündlich vernommen. Nach erfolgter Vernehmung findet sogleich, ebenfalls mündlich, die Beweisausführung Statt, indem den Parteien das Wort gegeben wird, um mit Rücksicht auf die erlangten Zeugenaussagen die Resultate zu ihren Gunsten dem Richter näher darzulegen.

B) Im Strafprocesse bildet der Gebrauch der Z-n fast noch mehr, als im Civilprocesse ein häufig zur Anwendung kommendes u. wichtiges Mittel zur Feststellung des Thatbestandes (s.d.) in objectiver u. subjectiver Beziehung. Während dabei in Beziehung auf die Fähigkeit zum Zeugniß ablegen, die Verpflichtung zur Zeugnißablegung, die Verdächtigkeit der Z-n im Ganzen die nämlichen Grundsätze gelten, wie im Civilproceß (s. oben A), so ergeben sich nothwendig in Folge des gänzlich andern Zweckes des Criminalprocesses in Betreff der Vernehmung der Z-n u. der Benutzung ihrer Aussagen wesentliche Verschiedenheiten. Da das Streben des Richters im Strafprocesse immer auf möglichst vollständige Erforschung der materiellen Wahrheit gerichtet ist, so nimmt das Zeugenverhör hier, gleich dem Verhör des Angeschuldigten, den Charakter einer Inquisition an, welche darauf berechnet ist, von dem Z-n über Alles Auskunft zu erhalten, was für die Untersuchung von Wichtigkeit werden kann. Der Richter ist daher bei der Vernehmung hier nicht im Voraus an bestimmte Fragen gebunden, sondern hat dieselben selbst nach Gestalt der Sache zweckmäßig aufzustellen. Jeder Z. wird zunächst allein vernommen. In der Regel beginnt das Zeugenverhör mit der Eröffnung darüber, worüber er Auskunft zu geben habe, u. der sich anschließenden Ermahnung überall nur die vollständige Wahrheit anzugeben. Nach dieser Einleitung folgt die Vernehmung zunächst mit den sogen. Generalfragen, indem der Z. nach Vor- u. Zunamen, Wohnort, Stand, Alter, Religion, Gewerbe od. Beschäftigung, sowie nach seinen Beziehungen zu dem Angeschuldigten od. Beschädigten befragt wird. Sodann wird der Z. zu einer zusammenhängenden Erzählung über den Vorfall, über welchen er Auskunft geben soll, aufgefordert. Der Z. ist dabei so wenig als möglich zu unterbrechen, nach dem Schlusse seiner Erzählung aber noch durch Fragen, welche jedoch auch hier nicht in unnütze Suggestivfragen (s.d.) ausarten dürfen, auf diejenigen Punkte bes. aufmerksam zu machen, hinsichtlich deren seine Erzählung dunkel u. unvollständig geblieben ist od. bei welchen er sich im Widerspruch mit den Aussagen des Angeschuldigten od. anderer Z-n befindet. Zuweilen werden mit der Zeugenvernehmung zugleich Recognitionen von Personen u. Gegenständen, sowie Confrontationen verbunden; auch kann die Zeugenvernehmung nach Befinden wiederholt werden. Wo das Strafverfahren auf Öffentlichkeit u. Mündlichkeit begründet ist u. dasselbe sich daher in eine Voruntersuchung u. Hauptverhandlung (s.u. Criminalproceß) scheidet, verfolgt die Vernehmung der Z-n in der Voruntersuchung durch den Untersuchungsrichter zunächst mehr nur den Zweck die Unterlagen zu gewinnen, auf welche die förmliche Anklage wider den Angeschuldigten erhoben werden kann. Es genügt daher hier auch eine unvollständige Vernehmung, welche nur die Hauptpunkte erörtert. Ebendeshalb findet auch eine Vereidung der Z-n der Regel nach nicht in der Voruntersuchung Statt, sondern wird erst in der Hauptverhandlung vorgenommen. In letzter erfolgt die Vernehmung der Z-n durch den Vorsitzenden des Gerichtes im Ganzen in gleicher Weise, wie das Verhör in der Voruntersuchung; nur hat dabei der Z. seine Aussage in Gegenwart des Anklägers (Staatsanwaltes) u. des Angeklagten abzustatten, u. es ist auch den Beisitzern des Gerichtes, Geschwornen, dem Staatsanwalt, dem Angeklagten u. dessen Vertheidiger gestattet durch Vermittelung des Vorsitzenden Fragen an den Z-n zu richten. Wo das sogen. Kreuzverhör (s.u. Verhör) statthaft ist, kann diese Abhör sogar unmittelbar durch den Ankläger u. Angeklagten erfolgen. Nach der Vernehmung bleibt der Z. im Sitzungssaale anwesend, um, wenn im weitern Verlaufe der Verhandlung noch Fragen an ihn nöthig werden sollten, sofort auf dieselben antworten zu können. Um einer Befangenheit des Z-n vorzubeugen, kann der Vorsitzende bei der Vernehmung andere Z-n od. auch den Angeklagten auf Zeit aus dem Sitzungssaale abtreten lassen, hat aber danach beim Wiedereintritt den Entferntgewesenen sofort das in ihrer Abwesenheit Verhandelte mitzutheilen. Die Vereidung wird in der Hauptverhandlung bald vor dem Beginn der Vernehmung, bald erst nach derselben, immer aber in Gegenwart des Anklägers u. Angeklagten vorgenommen. Haben die Z-n in der Voruntersuchung nur Unwesentliches ausgesagt, od. erscheint ihre nochmalige Vernehmung wegen anderweit erlangter Beweise, namentlich durch das offene Geständniß des Angeklagten, unnöthig, so wird von der nochmaligen Vorladung der Z-n zur Hauptverhandlung ganz abgesehen, u. es kann dann auch nur zu einer Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Zeugenaussagen kommen. Die Beweiskraft der Zeugenaussagen ist verschieden, je nachdem der Strafproceß noch eine gesetzliche Beweistheorie kennt, wie der gemeine Deutsche Criminalproceß, od. nur die freie, moralische Überzeugung der Richter entscheidet. In ersterem Falle ist der Richter befugt, aber darum noch nicht verpflichtet, das durch zwei klassische Z-n Ausgesagte als vollständig erwiesen anzusehen; im andern Falle kann der Richter möglicher Weise selbst schon auf die Aussage Eines Z-n hin verurtheilen, wenn ihm derselbe bes. glaubwürdig erscheint, während sonst das allein stehende Zeugniß einer Person, wie im Civilprocesse, nur eine Wahrscheinlichkeit zu begründen vermag. Selbst das Zeugniß eines öffentlichen Beamten macht hiervon gemeinrechtlich keine Ausnahme; particularrechtlich ist demselben freilich, namentlich hinsichtlich des Beweises von Forstfreveln etc., öfters ausnahmsweise die Kraft eines vollständigen Beweises beigelegt worden.

II. Als Beweismittel in Rechtssachen diente das Zeugniß schon A) im Mosaischen Recht; in Criminalfällen mußten zwei bis drei Zeugen (Edim)[589] aufgestellt werden, welche auch, wenn die Todesstrafe über den Angeklagten verhängt wurde, zuerst die Hand an den Hinzurichtenden legen mußten (s.u. Steinigung). Wenn nur ein Z. zu erlangen war u. dessen Aussage Berücksichtigung verdiente, so wurde die Sache zur Entscheidung an das höhere Gericht beim Heiligthum abgegeben. Wer ein falsches Zeugniß ablegte, erlitt dieselbe Strafe, welche den Angeklagten im Fall der Verurtheilung getroffen hätte. In bürgerlichen Sachen, z.B. bei Kaufcontracten, wurden Z-n sowohl vor Gericht, als auch unter Privatpersonen zugezogen u. sie vertraten hierbei die Stelle schriftlicher Urkunden. Daß die Z-n auf ihre Aussage vereidet worden wären, ist gewöhnlich aus 3. Mos. 5, 1 geschlossen worden, allein es ist dort blos die Rede von einer feierlichen Aufforderung der Richter an die Anwesenden als Z-n aufzutreten, wenn sie um die Sache wüßten. Erst im Talmud sind specielle Bestimmungen über Z-n aufgestellt. Dem nach waren unfähige Z-n solche, welche etwa an dem betreffenden Handel ein Interesse haben konnten, also namentlich nahe Verwandte; ferner mit einem sittlichen Makel Behaftete, wie Räuber, Diebe, zum Tode od. zur Geißelstrafe Verurtheilte, die unehrliches Gewerbe Treibenden, wie Spieler, Wucherer, Zöllner; auch körperlich u. geistig Gebrechliche, wie Blinde, Taube, Cretins; endlich Unmündige, Sklawen u. Heiden. Der König galt wegen seiner hohen Stellung als zeugungsunfähig. Nur in bürgerlichen Händeln wurden an sich untüchtige Z-n zugelassen, wenn die Gegenpartei damit sich einverstanden erklärte. Die Zahl der Z-n anlangend, so sind, wo von Z-n die Rede ist, immer zwei gemeint; nur bei Schuldforderungen an bewegliches Eigenthum genügte die Aussage Eines Z-n, um den leugnenden Gegentheil zum Eide zu nöthigen; auch um in einzelnen Fällen den Mörder zu constatiren u. einen des Ehebruchs Verdächtigen das Recht des Gottesurtheils durch das bittere Wasser zu benehmen, genügte Ein Z., welcher dann auch ein sonst untüchtiger sein konnte. Wenn Einer zur Bezeugung einer als ihm bekannten Thatsache aufgefordert wurde, er aber seine Kenntniß davon eidlich leugnete, so mußte er ein Opfer bringen. Die oben genannte, von dem Richter vorgenommene Beschwörung der bei Gericht Anwesenden als Z-n aufzutreten, war auch im Rabbinischen Recht noch gewöhnlich, aber die eidliche Verpflichtung der Z-n auf die Wahrheit ihrer Aussage kommt erst spät vor. Die Z-n wurden einzeln verhört; die Vermittelung eines Dolmetschers zwischen Richtern u. Z-n war nicht gestattet; Widerspruch der Z-n in einzelnen bemerkenswerthen Punkten machte das Zeugniß nichtig. Wo dem Richter die Z-n in Täuschung befangen schienen, mußte er durch strenge Untersuchung auf die Wahrheit zu kommen suchen, u. selbst sein Mißtrauen in die Wahrheit der Aussagen sollte ihn abhalten auf Grund solcher Zeugnisse ein Urtheil zu sprechen u. er sollte dann die Sache einem anderen Richter zur Entscheidung übergeben. Alle Zeugnisse wurden unentgeltlich abgelegt; bezahlte Zeugnisse waren ungültig. Auch B) im Attischen Proceß wurde auf Zeugenaussagen großes Gewicht gelegt. Z-n (Μάρτυρες) konnten alle freie, volljährige, sich im Besitz der bürgerlichen Rechte befindliche Männer sein; auch Fremde, wenn sie, ohne bei der Sache betheiligt zu sein, davon durch ihre eigene Gegenwart Kunde hatten; Zeugniß auf Hörensagen galt nur, wenn Solche, von denen man etwas gehört haben wollte, gestorben waren; Sklaven konnten nicht Z-n sein, obgleich ihren auf der Folter abgelegten Aussagen Beweiskraft beigelegt wurde. Jeder als Z. Angerufene war zu Zeugnißablegung verpflichtet; wer sich vor Gericht zu erscheinen u. Zeugniß abzulegen weigerte, od. sich sonst dieser Verpflichtung entzog, der konnte dazu durch eine feierliche Aufforderung (Κλήτευσις) od. durch eine Klage auf Zeugnißverweigerung (Δίκη λειπομαρτυρίου) belangt werden; wollte er gleichwohl nicht zeugen, unter dem Vorgeben von der Sache nichts zu wissen, so mußte er diese Unwissenheit eidlich erhärten (Ἐξωμοσία). Solche Z-n, welche entweder abwesend od. vor Gericht zu erscheinen verhindert waren (Ἐκμαρτυρεῖς), gaben ihr Zeugniß (Ἐκμαρτυρία) vor glaubwürdigen Personen schriftlich ab, u. diese Letzteren hatten dann vor Gericht das Zeugniß zu constatiren. Durch die Διαμαρτυρία suchte der Kläger mittelst Z-n die Rechtmäßigkeit seiner Klage, namentlich bei Injurien Έπιμαρτυρία genannt, der Beklagte aber die Rechtmäßigkeit seiner Einrede gegen die Einführung der Klage zu beweisen. Überhaupt wurden alle Zeugnisse schriftlich abgegeben u. in der Regel bei der Instruction des Processes beschworen u. zu den Acten genommen, bei der Gerichtsverhandlung selbst aber in Gegenwart der Z-n vorgelesen. Ablegung falschen Zeugnisses (Ψ῾ευδομαρτυρία) vor Gericht, gegen welches eine besondere Privatklage gegeben war, wurde nach der Überführung u. vorangegangener Schätzung mit einer Geldbuße belegt u. zog nach dreimaliger Wiederholung den Verlust der bürgerlichen Rechte für den falschen Zeugen (Ψευδομάρτυς) nach sich. Auch derjenige, welcher falsche Z-n dang, unterlag einer Geldstrafe. C) Im römischen Rechtsverfahren war der Gebrauch der Z-n ein sehr mannigfaltiger. Als Solennitätszeugen kamen sie namentlich vor bei den Mancipationen, Testamenten, der Cretion (einer feierlichen Art des Erbschaftsantrittes) etc. Als Beweiszeugen dienten sie schon bei der ersten Einleitung eines Civilprocesses, der In jus vocatio; der Kläger hatte selbst den Beklagten zum Erscheinen vor dem Prätor aufzurufen u. zum Beweis dessen, daß er diese Aufrufung bewirkt habe, hatte er die Anwesenden zum Zeugniß aufzufordern (Antestatio). Die Aufforderung erfolgte dabei gewöhnlich durch Zupfen am Ohr. Fehlte dem Kläger ein Z., so konnte er vor der Wohnung des Beklagten in drei Tagen eine öffentliche Aufforderung erlassen (Obvagulatio), welche sodann das Zeugniß ersetzte u., falls der Geforderte dazu geschwiegen hatte, bei einem nachherigen Betreffen desselben den Kläger ebenso zur Gewaltanwendung (Manus injectio) berechtigte, als wenn der Geforderte sich der wirklich von Z-n ergangenen Aufforderung Folge zu leisten geweigert hatte. Im weiteren Verlaufe des Processes erfolgte, wenigstens in der älteren Zeit, auch die Feststellung der Streitpunkte (Litis contestatio) unter Zuziehung von Z-n. Bei der eigentlichen Beweisführung über die thatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreites stand der Beweis durch Z-n gegen den Beweis durch Urkunden zurück, so daß man den Zeugenbeweis überhaupt mehr als eine Unterstützung jenes Beweises, denn als eine selbständige Beweisführung betrachtete, obwohl sich wiederholt eingeschärft findet, daß der Verlust der über das fragliche Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde keineswegs[590] als ein Hinderniß die Wahrheit der Thatsachen zu erforschen angesehen werden dürfe. Die Z-n waren der Regel nach persönlich vor den Richter zu stellen u. hatten vor ihm ihre Aussagen im mündlichen Verhöre u. Kreuzverhöre (Interrogatio) der Parteien abzulegen. Beibringung einer beglaubten schriftlichen Aussage eines abwesenden Z-n (Recitatio testimonii) war darum nicht ausgeschlossen, bes. wurden die von sieben römischen Bürgern besiegelten Zeugnisse zum ewigen Gedächtnisse (Testationes) als Beweismittel zugelassen. Doch standen solche Zeugnisse, da dabei dem Richter der persönliche Eindruck u. dem Gegner die Möglichkeit zur Befragung abging, hinter dem mündlichen Zeugniß an Glaubwürdigkeit zuzück. Z. konnte in Civilsachen nur der Freie sein; im Übrigen bestimmten Civität, Stand, Vermögen, Ruf u. Charakter den Werth der Aussage. Ein directer Zwang zur Ablegung eines Zeugnisses fand früherhin nur statt, wo ein öffentliches Interesse vorlag, daher namentlich bei Popularklagen u. bei Klagen wegen Grenzverrückung, außerdem auch da, wo Jemand sich als Solennitätszeuge bei einem Rechtsgeschäfte, z.B. Testament, hatte zuziehen lassen. Die Zwölf Tafeln sprachen gegen den in solchen Fällen sich des Zeugnisses Weigernden die Strafe der Infamie u. der Intestabilität, d.h. der Unfähigkeit ein Testament zu machen od. aus Testamenten zu erwerben, aus. Erst Justinian führte den Zeugnißzwang in allen Civilsachen als Regel ein. Im Criminalprocesse galt derselbe dagegen von Alters her wenigstens für die Belastungszeugen; auf Entlastungszeugen wurde der Zwang erst im sogenannten Extraordinarverfahren (Extraordinaria cognitio, s.u. Criminalproceß) angewendet. Doch wurden auch Entschuldigungsgründe anerkannt, namentlich wurden die Pflichten des Freigelassenen gegen den Patron, der Blutsverwandten u. nächsten Verschwägerten gegen einander in allen Gesetzen geachtet. Die erschienenen Z-n wurden in der öffentlichen Verhandlung (Quaestio) vom Praeco einzeln vorgelesen u. nach abgelegtem Zeugeneid von ihrer Partei ins Hauptverhör, vom Gegner in das Kreuzverhör genommen; erst in der Kaiserzeit examinirte der Richter. Hierbei konnten dann auch Sklaven als Z-n vernommen werden; als eine nothwendige Bekräftigung ihrer erstatteten Aussagen galt aber ihre Unterwerfung unter die Folter. Wurde gegen einen Eigenthümer von Sklaven eine Anklage erhoben, so konnte sich derselbe durch Hingabe der Sklaven zur Tortur derselben erwehren; dagegen durften selbst mit seiner Bewilligung seine Sklaven nicht gefoltert werden, um gegen ihn Beweise aufzusuchen, ja sie wurden gegen ihn nicht einmal angehört. Ausnahmen hiervon wurden nur bei Anklagen wegen schwerer Staatsverbrechen (z.B. in der Catilinarischen Verschwörung), bei Verbrechen wider die Staatsreligion (z.B. im Proceß des Clodius wegen Entweihung der Heiligthümer der Bona dea nach der speciellen L. Fufia Caleni vom Jahr 61 v. Chr.) u. bei Anklagen wegen Ehebruchs gemacht, weshalb auch Sklaven binnen 60 Tagen nach der Scheidung, als der für derartige Anklagen gesetzten Frist, nicht freigelassen werden durften. Im Falle des gewaltsamen Todes eines Herrn wurden nach dem SC. Silanianum vom Jahre 11 n. Chr. alle mit ihm unter einem Dache wohnenden Sklaven der Tortur unterworfen, um ein Geständniß beim Zeugniß über den Mörder zu erlangen. Falsche Z-n wurden nach dem Zwölftafelgesetz zur Strafe vom Tarpejischen Felsen gestürzt, später war die Strafe dem Ermessen des Richters überlassen. D) Über die eigenthümliche Stellung der Z-n im älteren germanischen Rechtsverfahren, s. oben S. 586. Der Gebrauch, den Z-n beim Ohr zu nehmen, kommt auch hier vor, z.B. in Baiern. Die Zahl der Z-n, welche die beweisende Partei neben ihrem Eide beizubringen hatte, war nach der Beschaffenheit der Sache verschieden, bald 2, bald 6 od. 7. Wer mit 2 Mannen zu gezeugen hatte, wie im Lehnrecht, hatte das Recht 7 um das Gezeugniß zu fragen, wer mit 7, sogar 21, so daß, wenn auch 5, bezüglich 14 gefragte Z-n nichts wußten od. mißlich aussagten, die beweisende Partei doch noch mit den übrigen 2, resp. 7 ihren Beweis vollführen konnte.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 585-591.
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