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Arzt

[793] Arzt, (v. lat. Artista [Künstler], weil im Mittelalter die Medicin mit den philosophischen Wissenschaften verbunden war u. die Philosophi u. Physici od. Medici sich mit dem Gesammtnamen Artistae benannten) überhaupt 1) jeder, der die Kunst versteht, Schaden an Dingen zu ersetzen, so nennt man provinciell Mühlarzt Einen, der sich mit der Reparatur von Mühlen beschäftigt; bes. aber 2) derjenige, welcher im Besitz gründlicher Kenntnisse der Arzneikunst (s.d.) ist u. die Ausübung derselben zu seinem eigentlichen Beruf macht. Von Ä-n ist schon im Alten Testamente an vielen Orten die Rede (1. Mos. 50, 1. Jerem. 8, 22. 2. Chron. 16, 12 u. a.). Die Profangeschichte weist bei mehreren älteren Völkern in frühester Zeit auf Priesterärzte (s. u. Arzneikunde) hin. In Griechenland u. Rom cultivirten die Arzneikunst Individuen unter verschiedenen bürgerlichen Verhältnissen, eben so Freie u. Philosophen als Sklaven im Hausdienste ihrer Herren. Die Leibärzte der römischen Kaiser wurden seit Constantius Zeiten Archiatri palatini genannt u. gehörten unter die angesehensten Hofbeamten; die von den Kaisern Valentinian u. Valens eingeführten Archiatri populares entsprechen den Physikern u. Staatsärzten der neueren Zeit. Jede Stadt hatte eine bestimmte Anzahl; sie wurden von den Bürgern gewählt, bildeten ein Collegium (Ordo archiatrorum), unter welchem die anderen Ä-e standen, wurden vom Staat besoldet, waren durch mehrere Privilegien begünstigt u. verpflichtet, Unterricht in der Arzneiwissenschaft zu ertheilen. Im Mittelalter waren häufig Geistliche zugleich Ä-e; dies hörte auf, als mit Wiederherstellung der Wissenschaften u. mit den entstehenden Universitäten, auch Lehranstalten für wissenschaftliche Bildung von Ä-n organisirt wurden. Hier erhielt unter den verschiedenen akademischen Facultäten die medicinische die dritte Stelle. Von dieser geprüft u. auctorisirt, gewöhnlich mit der zugleich erlangten medicinischen Doctorwürde begabt, gingen nun in allen neueren europäischen Staaten A-e aus. Auch kommen im Mittelalter häufig Meisterärzte (Magistri in medicina) vor, die bes. auch wichtige chirurgische Operationen vornahmen, gemeine chirurgische Beschäftigungen aber den Badern überließen. In neuerer Zeit ist der Stand der Ä-e u. ihr Wirken in allen gut polizirten Staaten unter Staatsaufsicht gesetzt. Der Staat sorgt zunächst für Bildung guter A-e durch Unterrichtsanstalten, ertheilt die Befugniß zur Übung der ärztlichen Kunst nur nach vorheriger, Sachverständigen übertragener Prüfung der Geeigentheit dazu, läßt den Ä-en in der Wahl der Mittel zu Hebung von Krankheiten zwar eine weite freie Sphäre, macht sie aber bei groben Mißgriffen, Nachlässigkeit u. sonstigem Verschulden verantwortlich u. unterwirft sie, nach Maßgabe einer mehr od. minder strengen Handhabung der Medicinalordnung, auch mehreren od. minderen Beschränkungen. Der A. ist, in treuer u. gewissenhafter Übung seiner Kunst, einer der verdienstvollsten Staatsbürger; aber die Anforderungen, die mit Recht an ihn gemacht werden, sind sehr hoch. Der gute A. ist nur Diener der Natur, er verfährt nur leitend, tritt aber keineswegs ihr entgegen, sucht jede Krankheit auf dem einfachsten u. mildesten Wege zu beseitigen, achtet daher auch die Regulirung angemessener Lebensordnung in Krankheiten für den Haupttheil der Kur, ob er gleich auch nach Bestimmungen der Wissenschaft u. eigener Erfahrung die Zeitpunkte beachtet u. benutzt, wo es darauf ankommt, durch entscheidendes Einwirken der, der Naturkraft überlegen werdenden Krankheit eine andere u. zum Heil des Kranken gereichende Wendung zu geben. Schlagen alle Mittel fehl, verläßt ihn die Kunst, ist der Kranke gar nicht mehr zu retten, so sucht er wenigstens dem Kranken noch den Tod leichter zu machen (Euthanasie). Gern sucht er den Umgang mit erfahrenen Kunstgenossen, auch in Arztvereinen u. überhaupt in Cultivirung collegialischer Verhältnisse, Mittel zur Erhöhung des eigenen gedeihlichen Wirkens. Nach der besonderen Richtung u. Beschränkung eines A-es in seinem Beruf bekommt der A. auch eigene zugefügte Bezeichnungen, so als öffentlicher A., sofern ihm ein Theil der Medicinalaufsicht im Staate anvertraut ist; als Gerichts-A., sofern er Anforderungen, die von Seiten eines Gerichtes an ihn ergehen, gegen angemessene Vergütung zu entsprechen hat (vgl. Physicus); als Leib-A., wenn er sich der Wahrnehmung des Gesundheitswohles eines Fürsten od. sonst einer angesehenen Person vorzugsweise widmet; als Hof-A., in Wahrnehmung des Gesundheitswohles des Personals eines Hofstaates; als Militär-A., in Anstellung bei einem Armeecorps od. eines Theiles davon, dann gewöhnlich auch mit einem entsprechenden Militärrang als Stabs-, Regiments-, Bataillons-A. etc.; ferner als Schul-A., Kloster-A., in Anstellung bei großen Schulanstalten, in reichen Klöstern, eben so als Schiffs-, Gesandtschafts-, Reise-A. etc. Als Land-A. (Volks-A.) widmet er sich vorzugsweise, gewöhnlich selbst auf dem Lande wohnend, der Berathung u. Wiederherstellung erkrankter Landleute; als Armen-A. ist ihm bei einer wohl geordneten Armenpflege das Gesundheitswohl der der Staatsfürsorge zufallenden Dürftigen, als Hospital-A. das der in Hospitälern aufgenommenen Pfleglinge od. Kranken anvertraut; als Brunnen-A. hat er die Medicinalaufsicht über[793] eine besuchte Mineralquelle, mit der Verbindlichkeit, der Berathung der solche Besuchenden u. Benutzenden sich nicht zu entziehen. Als Pestilenz-Ä-e waren in früheren Zeiten in Pestepidemien u. pestartigen Krankheiten, für die Zeit der Dauer derselben, vom Staat eigene Ä-e angestellt. An ihre Stelle treten jetzt die Quarantäne-Ä-e in Quarantäneanstalten. Ein eigenes u. höchst angemessenes ärztliches Verhältniß ist das eines Haus-A-s, wo der A. durch das hier eintretende freundschaftliche Verhältniß noch ein freieres Feld nützlicher Wirksamkeit eröffnet erhält. In Hinsicht auf bestimmte Arten von Krankheiten, denen er sich vorzugsweise widmet, kann er sein: physischer A., wenn er Gemüths- u. Geisteskranken, bes. in eigenen, diesen bestimmten Anstalten Hülfe leistet, Frauenzimmer-, Kinder-A. Auch von eigenen Heilmethoden, welche Ä-e nach subjectiven Überzeugungen vorzugsweise befolgen, erhalten sie Namen, so bes. als homöopathische Ä-e, indem sie die homöopathische Heilmethode befolgen, im Gegensatz von allopathischen Ä-en, die jene Heilmethode nicht anerkennen etc. Auch in Beschränkung der gebotenen u. geleisteten ärztlichen Hülfe auf Körpergebrechen eigener Art od. einzelner Theile werden Ä-e bezeichnet; so als Wund-A. (so v.w. Chirurg), als Augen-, Zahn-A.; endlich die nicht menschliche Gebrechen, sondern Thierkrankheiten zum Gegenstand ihres Heilbemühens haben, als Thierärzte. Die Vergütung der ärztlichen Bemühungen (Arztgebühren, Arztlohn, gr. Sostrum), ist entweder conventionell der Forderung des A-es, od. dem Dankgefühl der von ihm Beistand Erhaltenden überlassen, od., wie in Staaten, wo eine Medicinalordnung ist, gesetzlich vorgeschrieben (Arzttaxe). Durch diese soll jedoch nur eine allgemeine Bestimmung ertheilt werden, wie in gewöhnlichen Fällen u. unter Berücksichtigung der Vermögenheit der Zahlungspflichtigen eine billige Ausgleichung zu bewirken ist, u. in Fällen eines erhobenen Rechtsstreites den entscheidenden Behörden eine Grundlage darbieten. Bezieht ein A. als Hausarzt einer Familie ein jährliches Honorar, so kann er wegen Behandlung von Familiengliedern auch nur in Fällen, wo diese mit ungewöhnlicher u. bei Festsetzung jenes Honorars nicht berücksichtigten Bemühungen verbunden ist, auf eine bes. Vergütung Anspruch machen. Nach gemeinem Rechte u. fast überall, hat ein A., gleich dem Avotheker, in Concursen wegen seiner Forderungen ein Vorzugsrecht. Meist werden vom A. erstattete Besuche od. Consultationen, auch Verordnungen im Hause des A-es, in Ansatz gebracht, chirurgische Verrichtungen od. Entbindungen aber als eigene Geschäfte nach Bestimmungen der Arzttaxe in der Medicinalordnung. Auslagen, Meilengelder, Diäten bei Krankenbesuchen an entfernten Orten, werden besonders berechnet. Lebrecht, Der Arzt im Verhältnisse zur Natur, zur Menschheit u. zur Kunst, Mainz 1821; Greiner, Der Arzt im Menschen, Altenb. 1827–29, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 793-794.
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