Wilhelm von Eiff:
Löwenbändiger
Stuttgart
Landes-Gewerbemuseum
GLASSCHNITT IM HOCHRELIEF
VON GUSTAV E. PAZAUREK, STUTTGART
WAS selten ist, wird geschätzt. Ein jeder Kenner
freut sich, einem nicht alltäglichen Objekt
gegenüber zu stehen und außergewöhnliche
Reize genießen zu können. Aber was selten ist, wird
auch nicht geschätzt, weil meistens die Kenner fehlen,
die eine ungewöhnliche Arbeitsleistung der Technik
zu würdigen wüßten. Die Folge davon ist vielfach
eine Verwechselung mit einem Surrogat, das wohl
eine annähernd ähnlich aussehende Arbeit darstellt
und dennoch wertlos ist.
Der Glasschnitt, wie auch der technisch damit so
ziemlich zusammenfallende Edelstein- und Halbedel-
steinschnitt gehört zu den seltensten und schwierigsten
kunstgewerblichen Techniken. Die meisten Edelstein-
graveure sind infolge der mangelnden größeren Auf-
träge nur noch für den Wappen- oder Monogramm-
schnitt eingerichtet. Und der Qlasschnitt ist in den
größeren Städten noch viel seltener; seit rund 250
Jahren hat er sich meist in die Nähe der Glaserzeu-
gungsgebiete, wie in die Gebirgswälder von Böhmen,
Schlesien oder Thüringen zurückgezogen. Aber ge-
rade durch die Trennung von der vornehmen Kund-
schaft des Edelsteinschnittes hat er nicht gerade an
Qualität gewonnen, sondern sich eher den Wünschen
einer verbreiteten Exportindustrie angepaßt. Während
das seit vielen Generationen betriebene Glasschneiden
einfachster Rankenornamente, Blümchen oder Buch-
staben bei der Hauptmasse der Glasschneider zum
Schema wurde, haben findige Köpfe durch verschie-
dene Pressungen und Ätzungen dafür gesorgt, daß
an Stelle wertvolleren künstlerischen Schnittes ganz
wohlfeile Ersatzstücke von ungefähr ähnlicher Ge-
samtwirkung auf den Markt geworfen werden konnten.
Überdies waren ganze große Erzeugungsgruppen in der
Glasindustrie, wie die in der Masse gefärbten Gläser,
sämtliche Schmelz- und Transparentmalereien, sowie
namentlich alle Iris- und Lüsterwirkungen dem Glas-
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXVIII. H. 10.
— 1
schnitt nichts weniger als günstig, da dieser vornehm-
lich auf geschliffenes oder ungeschliffenes Kristallglas
oder auf Überfangglas angewiesen ist. Der venezia-
nische Glasstil hat ohnehin mit dem aus dem Berg-
kristallstil hervorgegangenen Glasschnitt nichts gemein.
Es ist somit kein Wunder, wenn der Glasschnitt
im letzten Jahrhundert immer mehr zurückging, ob-
wohl einzelne seiner Vertreter wie D. Bimann oder F.
Pfohl die Technik des Tiefschnittes nicht minder gut be-
herrschten, als die Hauptmeister des 17. und 18. Jahr-
hunderts, wie die Lehmann, Schwanhardt, Schwinger,
Winter, Jäger, Spiller, Gundelach, Schwarz, Killinger,
Kunckel u. a. Zwar versuchte der vor kurzem ver-
storbene Ludwig Lobmeyr in Wien im Anschluß
an die edelsten Renaissance - Werke die Kunst der
Alten zu neuem Leben zurückzurufen, und auch
Emile Galle in Nancy schuf, angeregt von chinesischen
Tabakfläschen geschnittene Farben-Marketterie-Gläser
von hohem poetischem Reiz. Aber selbständige mo-
derne Glasschnittobjekte in Kristallglas brachte erst
die Wiener Kunstgewerbe-Schule in Verbindung mit
deutschbömischen Glasschneidern in den letzten beiden
Jahrzehnten hervor, allerdings nur wenige Ausstellungs-
stücke, durchwegs im Tiefschnitt.
Und doch haben wir einen Glasschneider, der
heute nicht nur den Tiefschnitt nach jeder Richtung
beherrscht, sondern sogar den in der Glasdekoration
überaus seltenen Reliefschnitt, der vor zwei Jahrhun-
derten im Zusammenhange mit der Potsdamer Kgl.
Glasmanufaktur und namentlich in Cassel meisterlich
geübt wurde, aber seither nur einige überaus seltene
und auch nicht immer gelungene Einzelbeispiele auf-
zuweisen Vermag. Wer die fabelhaft schwierige, auf
unvollkommenes Werkzeug gestützte Technik kennt,
wird darüber nicht erstaunt sein.
Um so größere Bewunderung werden aber bei
jedem Fachmann solche Arbeiten finden, wie wir sie
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85 —
Löwenbändiger
Stuttgart
Landes-Gewerbemuseum
GLASSCHNITT IM HOCHRELIEF
VON GUSTAV E. PAZAUREK, STUTTGART
WAS selten ist, wird geschätzt. Ein jeder Kenner
freut sich, einem nicht alltäglichen Objekt
gegenüber zu stehen und außergewöhnliche
Reize genießen zu können. Aber was selten ist, wird
auch nicht geschätzt, weil meistens die Kenner fehlen,
die eine ungewöhnliche Arbeitsleistung der Technik
zu würdigen wüßten. Die Folge davon ist vielfach
eine Verwechselung mit einem Surrogat, das wohl
eine annähernd ähnlich aussehende Arbeit darstellt
und dennoch wertlos ist.
Der Glasschnitt, wie auch der technisch damit so
ziemlich zusammenfallende Edelstein- und Halbedel-
steinschnitt gehört zu den seltensten und schwierigsten
kunstgewerblichen Techniken. Die meisten Edelstein-
graveure sind infolge der mangelnden größeren Auf-
träge nur noch für den Wappen- oder Monogramm-
schnitt eingerichtet. Und der Qlasschnitt ist in den
größeren Städten noch viel seltener; seit rund 250
Jahren hat er sich meist in die Nähe der Glaserzeu-
gungsgebiete, wie in die Gebirgswälder von Böhmen,
Schlesien oder Thüringen zurückgezogen. Aber ge-
rade durch die Trennung von der vornehmen Kund-
schaft des Edelsteinschnittes hat er nicht gerade an
Qualität gewonnen, sondern sich eher den Wünschen
einer verbreiteten Exportindustrie angepaßt. Während
das seit vielen Generationen betriebene Glasschneiden
einfachster Rankenornamente, Blümchen oder Buch-
staben bei der Hauptmasse der Glasschneider zum
Schema wurde, haben findige Köpfe durch verschie-
dene Pressungen und Ätzungen dafür gesorgt, daß
an Stelle wertvolleren künstlerischen Schnittes ganz
wohlfeile Ersatzstücke von ungefähr ähnlicher Ge-
samtwirkung auf den Markt geworfen werden konnten.
Überdies waren ganze große Erzeugungsgruppen in der
Glasindustrie, wie die in der Masse gefärbten Gläser,
sämtliche Schmelz- und Transparentmalereien, sowie
namentlich alle Iris- und Lüsterwirkungen dem Glas-
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXVIII. H. 10.
— 1
schnitt nichts weniger als günstig, da dieser vornehm-
lich auf geschliffenes oder ungeschliffenes Kristallglas
oder auf Überfangglas angewiesen ist. Der venezia-
nische Glasstil hat ohnehin mit dem aus dem Berg-
kristallstil hervorgegangenen Glasschnitt nichts gemein.
Es ist somit kein Wunder, wenn der Glasschnitt
im letzten Jahrhundert immer mehr zurückging, ob-
wohl einzelne seiner Vertreter wie D. Bimann oder F.
Pfohl die Technik des Tiefschnittes nicht minder gut be-
herrschten, als die Hauptmeister des 17. und 18. Jahr-
hunderts, wie die Lehmann, Schwanhardt, Schwinger,
Winter, Jäger, Spiller, Gundelach, Schwarz, Killinger,
Kunckel u. a. Zwar versuchte der vor kurzem ver-
storbene Ludwig Lobmeyr in Wien im Anschluß
an die edelsten Renaissance - Werke die Kunst der
Alten zu neuem Leben zurückzurufen, und auch
Emile Galle in Nancy schuf, angeregt von chinesischen
Tabakfläschen geschnittene Farben-Marketterie-Gläser
von hohem poetischem Reiz. Aber selbständige mo-
derne Glasschnittobjekte in Kristallglas brachte erst
die Wiener Kunstgewerbe-Schule in Verbindung mit
deutschbömischen Glasschneidern in den letzten beiden
Jahrzehnten hervor, allerdings nur wenige Ausstellungs-
stücke, durchwegs im Tiefschnitt.
Und doch haben wir einen Glasschneider, der
heute nicht nur den Tiefschnitt nach jeder Richtung
beherrscht, sondern sogar den in der Glasdekoration
überaus seltenen Reliefschnitt, der vor zwei Jahrhun-
derten im Zusammenhange mit der Potsdamer Kgl.
Glasmanufaktur und namentlich in Cassel meisterlich
geübt wurde, aber seither nur einige überaus seltene
und auch nicht immer gelungene Einzelbeispiele auf-
zuweisen Vermag. Wer die fabelhaft schwierige, auf
unvollkommenes Werkzeug gestützte Technik kennt,
wird darüber nicht erstaunt sein.
Um so größere Bewunderung werden aber bei
jedem Fachmann solche Arbeiten finden, wie wir sie
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