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Bernstorff

[649] Bernstorff, alte deutsche Familie, deren Glieder als Erbherren auf B. u. Teschow in Mecklenburg schon im 12. Jahrh. vorkommen, Lutherischer Confession u. seit 1715 in den Freiherren- (s. B. 1) u. seit 1767 in den Grafenstand (s. B. 2) erhoben sind. Sie sind begütert in Mecklenburg, Hannover, Braunschweig, Lauenburg u. Dänemark. 1) Andreas Gottlieb, geb. 1649, war großbritannischer u. hannoverscher Premierminister u. wurde wegen seiner Dienste, welche er dem Kurfürsten Georg von Hannover zur Erlangung des königlichen Thrones geleistet hatte, 1715 in den Reichsfreiherrenstand erhoben; er stiftete das Gartow-Wotersensche Familienfideicommiß u. st. 1726. 2) Graf Joh. Hartwig Ernst, Großneffe des Vorigen u. Sohn von Joachim Engelke von B., geb. 13. Mai 1712 in Hannover; studirte zu Tübingen, wurde 1732 dänischer Gesandter am sächsischen Hofe u. 1737 beim Reichstage zu Regensburg u. ward 1744 nach Frankreich geschickt; 1751 trat er als Mitglied in den Geheimen Staatsrath, nachdem er schon das Jahr vorher Staatssecretär u. Geheimer Rath geworden war, erwarb sich durch die von ihm vermittelte [649] Neutralität Dänemarks im Siebenjährigen Kriege, die Rüstungen gegen Peter III. u. den Hausvertrag mit Rußland etc. (s. Dänemark, Gesch.), große Verdienste u. wurde 1767 in den Grafenstand erhoben; durch Struensee außer Activität gesetzt, zog er sich 1770 nach Hamburg zurück; nach Struensees Sturz zurückberufen, war er im Begriff nach Kopenhagen zugehen, starb aber unterwegs 19. Febr. 1772. Er gab die Leibeigenen auf seinem Gute frei, war höchst wohlthätig gegen die Armen, gründete mehrere Wohlthätigkeitsanstalten u. führte die Pockeninoculation ein; er war auch ein Beschützer der Wissenschaften u. bewies sich bes. sehr liberal gegen Klopstock. 3) Andreas Gottlieb, älterer Bruder des Vorigen, geb. 1708 u. gest. 1768, war hannöverscher Landrath u. wurde durch seine beiden Söhne Joachim Bechtold u. Andreas Peter (s. B. 4) u. 6) Stifter der beiden folgenden Linien: A) Ältere od. Gartower Linie, gestiftet von 4) Graf Joachim Bechtold, älterem Sohn des Vorigen, geb. 1734, starb als hannöverscher Geheimrath 1807; jetziger Chef dieser Linie ist: 5) Graf Bechtold, Sohn des 1840 verstorbenen Grafen Ernst, geb. 25. Oct. 1803, hat seinen Sitz zu Gartow, ist Mitglied der 1. Kammer der hannöverschen Ständeversammlung, außerordentliches Mitglied des hannöverschen Staatsrathes u. seit 1828 vermählt mit Thekla, geb. Freiin von Bibra (geb. 1810); sein ältester Sohn ist Graf Ernst, geb. 1829. B) Jüngere od. Wotersensche Linie, gestiftet von 6) Graf Andreas Peter, jüngerem Sohn von B. 3), geb. 28. Aug. 1735 in Gartow im Lüneburgischen, erhielt nach vollendeten Universitätsstudien u. längeren Reisen durch Deutschland, Frankreich, Italien, Holland u. England, die ihn in Beziehung zu den berühmtesten Staatsgelehrten seiner Zeit brachten, 1759 eine Anstellung auf der deutschen Kanzlei in Kopenhagen. Bald darauf auch Deputirter der Westindisch-guineaschen Zollkammer u. des Generallandesökonomie- u. Commerzcollegiums, traf er in seinem Wirkungskreise manche treffliche Veranstaltungen u. schaffte Mißbräuche u. veraltete Einrichtungen ab. 1769 von einer wichtigen diplomatischen Mission vom Versailler Hofe zurückgekehrt, wurde er Geheimerrath, aber 1770, wie sein Oheim B. 2) von Struensee seiner Ämter entsetzt. 1772 zurückberufen, ward er Minister des Auswärtigen u. Director der deutschen Kanzlei. Als solcher leitete er die Verhandlungen zwischen dem Großfürsten Paul von Rußland u. der Krone Dänemark in Betreff der holsteinischen Erblande u. brachte 1773 den Definitivtractat zu Stande. Mit feinem politischen Tact erhielt er dem Lande während des Krieges zwischen Frankreich u. England den Frieden, indem er die Ostseestaaten zu der bewaffneten Neutralität bewog u. den Sund für die kriegführenden Mächte schloß. Die gegen ihn gesponnenen Intriguen des Geheimeraths Hoegh-Guldberg bewogen ihn 1780 seine Entlassung zu fordern. Er ging dann für einige Jahre nach Mecklenburg, erhielt aber 1784 seine vorigen Stellen zurück. Abermals leistete er nun dem Staate als Diplomat die ausgezeichnetsten Dienste, indem er die Freundschaft mit allen Staaten zu erhalten wußte u. Englands ungebührliche Forderungen mit Entschiedenheit u. siegreichen Gründen zurückwies. Eine der mit England gewechselten Noten wurde als ein Meisterstück diplomatischen Styls in London in 7 Auflagen gedruckt. Im Innern wirkte er mit großer Energie auf die Emancipation des Bauernstandes hin. Er st. 21. Juni 1797. Er war vermählt mit Henriette Friederike, geb. Gräfin zu Stolberg-Stolberg (st. 1782) u. hinterließ 5 Söhne. Vgl. Eggers, Aus dem Leben B-s, Kopenh. 1800; Nigerup, B-s Estermäle, ebd. 1799. 7) Graf Christian, Sohn des Vorigen, geb. 1769 in Kopenhagen; war zuerst bei der dänischen Gesandtschaft in Berlin, dann Gesandter in Schweden, nach seines Vaters Tode Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, nahm aber 1810 seine Entlassung; 1811 wurde er Gesandter in Wien, 1814 dänischer Bevollmächtigter beim Wiener Congresse u. dann Gesandter in Berlin; 1818 trat er in den preußischen Staatsdienst u. wohnte als Minister der Auswärtigen Angelegenheiten den Congressen zu Aachen, Verona, Karlsbad, Troppau u. Laibach bei; er trat 1832 in das Privatleben u. st. 1835 in Berlin. 8) Graf Magnus Karl, Bruder des Vor., geb. 1781 u. gest. 1836; ihm folgte als Erbherr auf B. in Seeland sein Sohn Graf Egmont, geb. 1808, vermählt 1837 mit Thusnelda v. Hammerstein, sein älterer Sohn, Arthur, ist geb. 1839. Zwei Brüder des Vorigen u. Söhne von B. 6), Joh. Hartwig Ernst u. Friedrich, gründeten die beiden folgenden Speciallinien: a) Gyldensteen-Wotersensche Speciallinie: 9) Graf Johann Hartwig, Enkel des Stifters u. Sohn des 1837 verstorbenen Grafen Erich, geb. 18. Jan. 1815, ist königlich dänischer Hofjägermeister u. seit 1844 vermählt mit Anna, geb. Gräfin von Hardenberg (geb. 1824). b) Dreilützow-Stintenburger Speciallinie: 10) Graf Hermann, Sohn des Stifters, des 1838 verstorbenen Grafen Friedrich geb. 26. Mai 1804; er ist Großherzoglich mecklenburg-schwerinscher Kammerherr u. seit 1830 vermählt mit Frieda, geb. v. Rantzau-Pancker u. Trahlan (geb. 1812); sein Bruder ist: 11) Graf Albrecht, geb. 22. März 1809, seit 1838 Erbherr von Stintenburg; war 1840 Legationsrath u. erster Secretär der preußischen Gesandtschaft zu Neapel, wurde 1846 außerordentlicher Gesandter u. bevollmächtigter Minister in München, 1848 bis April 1851 in Wien, Ende 1852 in Neapel u. im Mai 1854 an Bunsens Stelle in London. Er ist seit 1839 vermählt mit Anna, geb. Freiin v. Könneritz (geb. 1821), sein älterer Sohn ist Andreas Peter, geb. 1844.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 649-650.
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