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Emancipation

[666] Emancipation, 1) (Emancipatio), bei den Römern gerichtlicher, der förmlichen Veräußerung des Eigenthumsrechts über eine Sache nachgebildeter Act, welcher angewendet wurde, wenn ein Kind der väterlichen Gewalt entlassen u. sein eigner Herr (sui juris) werden sollte (dann Emancipatus). Vor einer Magistratsperson, in Gegenwart eines Libripens, der eine eherne Wage hielt, u. 5 Bürgern als Zeugen (Antistatus) verkaufte der Vater den Sohn an einen Dritten (Paterfiduciarius) per aes et libram (mit Münze u. Wage) u. übergab ihn demselben mit einer feierlichen Formel, durch welche der Haussohn in das Mancipium gelangte, ein Verhältniß, welches dem Sklavenverhältniß nachgebildet war. Der Käufer, eine Münze in die Wage werfend u. sie dann jenem als Kaufschilling übergebend, erwiderte: Hunc ego hominem ex jure Quiritium meum esse ajo, isque mihi emtus est hoc aere aeneaque libra. Hierauf wurde dieser Scheinkauf zum 2. u. 3. Mal wiederholt, weil der Satz galt, daß er Vater seinen Sohn dreimal kaufen dürfe. Zum 3. Mal gab der Käufer den Sohn nicht los, sondern verkaufte ihn an den Vater zurück, der ihm nun förmlich, wie einem Sklaven, die Freiheit gab. Bei der Entlassung einer Tochter od. eines Enkels fand die E. nur 1 Mal statt. Diese Form der E. hieß E. antiqua. Unter den Kaisern fielen diese Förmlichkeiten weg (E. nova). Nach Anastasius konnte die Freilassung durch kaiserlichen Ausspruch (Rescriptum principis) bewirkt werden (E. Anastasiana), u. nach Justinians (E. Jestinlanea) Verfügung sollte es genügen, wenn der Vater blos vor einem Magistrate erklärte, daß er seinen Sohn aus der väterlichen Gewalt entlasse; übrigens war mit der E. eine Capitis deminutio minima verbunden, indem der Sohn dadurch die Rechte eines Agnaten in der Familie verlor. Nach Deutschem Rechte kann die E. ohne allen gerichtlichen Act, während alle diese Förmlichkeiten schon längst weggefallen sind, auch stillschweigend erfolgen (E. tacita), z.B. wenn der Vater mit Zustimmung des Sohnes ihm einen Tutor erbittet, wenn der Sohn einen abgesonderten Haushalt anlegt (Quasiemancipatio, E. saxonica), od. wenn eine Tochter heirathet. Volljährigkeit, so wie die Erlangung einer Würde od. eines Staatsamts, heben an sich die väterliche Gewalt nicht auf. Wider den Willen des Kindes kann der Vater jetzt nur die Adoptirten entlassen; denn bei den leiblichen Kindern werden in diesem Fall die rechtlichen Folgen der väterlichen Gewalt nicht aufgehoben. Ähnlich ist 2) die E. canonicōrum, wenn ein Klosterbruder zu einer geistlichen Würde erhoben u. dem Gehorsam gegen seine bisherigen Obern entzogen wird, u. E. canonĭca, das Lossprechen eines Domicilar von dem Besuchen der Stiftsschule, weil er eine Präbende bekommen soll; 3) die Befreiung von Beschränkungen, welche nicht in der Natur, sondern in den hergebrachten ethischen Ansichten u. Bestimmungen od. in bestehenden legislativen[666] u. socialen Verhältnissen beruhen, so bes. E. der Juden in christlichen Ländern (s.u. Juden), E. der Katholiken in protestantischen Staaten, namentlich in Großbritannien (s.u. Römisch-katholische Kirche u. Anglikanische Kirche), E. der Schule von der Kirche (s. Schule u. Kirche), E. des Fleisches u. E. der Frauen. Unter E. des Fleisches versteht man die Befreiung der sinnlichen Begierden von den Schranken, theils der Sitte u. Religion, theils des Vorurtheils u. der Noth. Hergenommen ist der Ausdruck Fleisch aus der biblischen Sprache, wo derselbe für sinnliche Natur u. Sitz der Sünde im Gegensatz zu Geist, dem sittlichen Triebe, dem Göttlichen im Menschen, gebraucht wird, u. wo ein Kampf gegen das Fleisch, als welches unfähig zum Reiche Gottes mache, durch den zum Reiche Gottes befähigten Geist geboten wird. In sehr weit gehender Consequenz wurde durch das Mönchs- u. Einsiedlerwesen statt eines Kampfes gegen das Fleisch eine Ertödtung des Fleisches als die Heiligkeit bedingend gesetzt. Gewissermaßen emancipirte schon die Reformation das Fleisch, indem dieselbe eine Ertödtung desselben weder im Klosterleben noch in dem Priestercölibat als Beweis der christlichen Heiligkeit anerkannte. Aber neben der asketischen Fleischesertödtung war schon lange eine E. des Fleisches hergegangen bei denen, welche die Mittel dazu besaßen, ihre sinnlichen Wünsche u. Begierden durch entsprechende Genüsse zu befriedigen, u. sie trat in einem gewissen Zusammenhange an den Tag in dem Zeitalter Ludwigs XIV. u. XV. u. pflanzte sich unter allen Klassen fort, aber immer bekämpft von der Kirche u. theilweise von dem Staate. Die Rehabilitation des Fleisches, d.h. die unbeschränkte Selbstbestimmung des Individuums rücksichtlich seiner sinnlichen Genüsse, war eine der Consequenzen der socialistisch-communistischen Doctrin von der Gleichberechtigung aller Menschen am Genusse des Lebens, welche namentlich in Frankreich großen Anhang fand, während in Deutschland der gesunde Sinn des Volks an der sittlichen Ordnung festhielt (s. Communismus). Rücksichtlich der E. der Frauen, od. der Befreiung der Frauen von den Beschränkungen durch Naturverhältnisse od. sociale Einrichtungen, so hat schon das Christenthum die Schranken zwischen Mann u. Frau aufgehoben, sofern es durch die Anerkennung der Frau als Individuum dem, in den socialen Verhältnissen des Orients begründeten Sklaventhum enthob u. sie zu gleichem Menschentecht mit dem Manne erhob. Die Forderungen der in neuerer Zeit nach E. verlangenden Frauen gingen aber weit über dies Ziel hinaus. Als äußerste Consequenz der communistischen Gleichheitstheorie begehrten dieselben völlige Gleichstellung mit dem Manne in socialer u. politischer Beziehung. Um ihre Nichtachtung der socialen Schranken, mit welchen die Natur das Weib auf das Haus u. die Familie angewiesen hat, zu erkennen zu geben, ahmten viele emaneipationslustigen Weiber, namentlich Schriftstellerinnen, das männliche Wesen im Äußern nach, indem sie Männerkleider trugen, öffentliche Orte frequentirten, Cigarren rauchten etc. Die geistreichste Vorkämpferin der E. der Frauen war Madame Dudevant (s.d.), welche jedoch nach u. nach von den Extravaganzen einer leidenschaftlich ergriffenen Idee zurückkam, auch sich nicht zu jenem Grade von so widerlicher Verläugnung der weiblichen Bestimmung hinreißen ließ, wie ihre Nochbeterinnen in Deutschland u. Amerika. In mehr idealer Weise strebten nach einer E. der Frauen in England Mary Wollstoncrast (s. Godwin 3) u. deren Gatte Godwin (s.d. 2), unter den Deutschen von Hippel (s.d.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 666-667.
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