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Zähne

Zähne

[776] Zähne heißen die kleinen, sehr harten Knochen, welche in den Zahnfächern der obern und untern Kinnladen des Menschen festsitzen, außerdem besonders bei den Säugthieren, vielen Amphibien und Fischen sich finden.

Den Knochen in ihren Bestandtheilen ähnlich, sollte man sie gleichwol nicht dazu rechnen, weil ihre Bestimmung eine ganz andere wie die jener das Gerippe des Körpers bildenden Theile desselben ist. Sie dienen nämlich vorzugsweise zum Erfassen und Zerkleinern (Kauen) der Nahrungsmittel im Munde, unterstützen beim Menschen die Aussprache mancher Buchstaben und dienen den Thieren auch als Waffe. Der erwachsene Mensch hat 32 Zähne, im Allgemeinen von Gestalt unregelmäßiger Kegel, deren starkes Ende, die Krone, frei in die Mundhöhle aus den Zahnfächern herausragt, in denen ihre einfache oder getheilte Spitze, die Zahnwurzel, sich befindet; der vom Zahnfleische umgebene Theil zwischen den vorigen heißt der Zahnhals. Außerdem besteht jeder Zahn wesentlich aus einer innern, weichen Partie, die man Pulpa und Kern des Zahns nennt, aus dem harten und eigentlichen Zahnknochen oder Zahnbein, dessen freier Theil mit dem Schmelz oder der Glasur überzogen ist, welche ihm ein porzellanartiges Ansehen gibt, die festeste Masse daran ist und die Stelle der Beinhaut vertritt. In der Spitze jeder Zahnwurzel befindet sich eine seine Öffnung, welche zu der im Innern eines jedes befindlichen, mit einem zarten Häutchen ausgekleideten Höhle führt, und einer Arterie, Vene und einem Nerven den Durchgang erlaubt. Die 32 Zähne des Menschen sind zu gleichen Hälften in den Ober-und Unterkiefer vertheilt und Dasselbe gilt von den Arten derselben. Man unterscheidet nämlich acht Schneidezähne, welches die vier vordersten in jeder Kinnlade sind; vier Eck-, Spitz-, Augen- oder Hundszähne, von welchen je einer sich zu beiden Seiten der vorigen anschließt; 20 Backen- oder Mahlzähne, die zu fünf auf jeder Seite der Kinnladen vertheilt sind und von welchen auch die zwei den Augenzähnen zunächst folgenden »kleine Backenzähne«, die zwei nächsten die großen und die hintersten Zähne jeder Reihe die Weisheitszähne genannt werden. Die Keime zu den Zähnen sind in Gestalt kleiner, eirunder Säckchen schon im neugeborenen Menschen innerhalb der Kieferknochen verborgen; höchst selten nur werden Kinder mit einzelnen Zähnen geboren oder verspätigt sich im entgegengesetzten Falle der Ausbruch der Zähne (das Zahnen) bis ins zweite und dritte Jahr ihres Alters. In der Regel erfolgt es zwischen dem fünften und neunten Monate nach der Geburt allmälig und gewöhnlich erscheint zuerst das mittlere Paar der untern Schneidezähne, welchen nach einigen Wochen das entsprechende obere folgt. Bis zum 16. Monate stellen sich die vier äußern Schneidezähne, bis zum zweiten Jahre die vier Augenzähne, im folgenden Halbjahre die denselben zunächst stehenden vier ersten Backzähne und ebenso die vier darauf folgenden ein und die nun vorhandenen 20 Zähne werden Milchzähne genannt. Sie fallen im sechsten bis achten Lebensjahre gewöhnlich in derselben Reihenfolge, in welcher sie erschienen, wieder aus und werden bis zum 14. Jahre nicht blos ersetzt, sondern es sind dann auch schon die Backzähne so weit durchgebrochen, daß blos die vier Weisheitszähne noch fehlen, welche vom 18. – 30. Jahre und zuweilen noch später erst zum Vorschein kommen. Das Zahnen ist oft von Krankheitserscheinungen begleitet, jedoch in der Regel nur das erste Mal, und das zweite, der Zahnwechsel, pflegt ohne Gesundheitsstörungen abzugehen, den Durchbruch der Weisheitszähne etwa ausgenommen, welcher oft unter großen Schmerzen erfolgt. Nur in seltenen Fällen werden einzelne verloren gegangene Zähne und selbst mehre nebeneinander durch ein drittes Jahr ersetzt.

Die Zähne beschreiben in ihren ununterbrochenen Reihen, von denen hier eine Seitenansicht gegeben ist, zwei krumme, parabolische Linien, die Zahnbogen genannt, deren obere die große, die untere die kleinere Seite eines Ovals darstellt, daher beide hinten im Munde genau zusammentreffen, während vorn der untere vom obern überragt wird. Nicht blos für die Gesundheit, weil schlechte Zähne auch schlechte Säfte im Munde erzeugen und unter die unvollständig gekauten Speisen bringen, sondern auch für die Schönheit sind gute Zähne wichtig, weil die Rundung und Fülle des Gesichts davon mit abhängt. Um sie gesund zu erhalten, muß man überhaupt den Genuß zu [776] heißer und zu kalter Speisen und Getränke, namentlich aber in rascher Folge, ebenso zu saurer und den Genuß von vielem Zucker vermeiden, welcher eine auflösende Wirkung auf den Kalkgehalt derselben zu haben scheint. In anderer Art leiden sie durch Zerbeißen sehr harter Dinge, z.B. von Nüssen. Ebenso ist das Zerbeißen von Fäden, wobei der Schmelz leidet, und von Knoten, wodurch sie bis tief in die Zahnfächer erschüttert werden, den Zähnen sehr nachtheilig. Tägliches Reinigen mit einer nassen, nicht zu harten Bürste und öfteres Ausspülen des Mundes ist der Erhaltung der Zähne sehr dienlich; scharfe Zahnpulver und Säure enthaltende Zahntincturen sind dabei zu vermeiden; auch gebrauche man nie metallene Zahnstocher. Eine Folge nachlässiger Reinigung der Zähne ist der sogenannte Weinstein, welcher sich bei Personen, die viel Fleisch genießen, Taback rauchen, besonders in der Nähe des Zahnfleisches bildet, aus verhärtetem Schleim und erdigen Theilen besteht und grau, gelblich, bei Tabaksrauchern gewöhnlich schwarz aussieht. Das Zahnfleisch wird von ihm verdrängt und die Zähne werden dadurch nicht allein entstellt, sondern auch locker und verdorben; ist er schon vorhanden, so ist es am besten, ihn vom Zahnarzt entfernen zu lassen und durch Reinlichkeit seine Wiederbildung zu verhüten. Die Krankheiten der Zahnsubstanz betreffen entweder ihren harten Theil wie Abnutzung, Schwinden, Zerbrechen, Brand und Knochenfraß derselben, oder sie befallen die weichen Theile, wie Entzündungen des Zahnkerns, der Pulpa, die schwammige Entartung derselben mit ihren Folgen. Am häufigsten kommt der Knochenfraß oder Brand an den Zähnen vor, und entsteht theils in Folge äußerer Verletzung, theils aus Vernachlässigung der schon erwähnten Sorgfalt für Erhaltung derselben. Gewöhnlich entwickelt er sich in der Kindheit und im angehenden Mannesalter und greift durch Ansteckung unter den Zähnen um sich, wird zuerst in der Regel äußerlich als ein gelber oder schwarzer Fleck sichtbar, der um sich und in die Tiefe frißt, den Zahn hohl macht und ganz zerstören kann, auch zum Sitz von Zahnschmerzen disponirt. Durch zeitiges Ausfeilen der kranken Stelle des Zahns, Plombiren, d.h. Ausfüllen der etwa vorhandenen Höhlung mit Stanniol, Goldblech, Zahnkitt, kann dem Brande oft Einhalt gethan und ein davon ergriffener Zahn noch lange erhalten werden. Zum Ausziehen eines Zahns muß man immer nur im Nothfalle schreiten und wenn es durch kein Mittel zu hebende unerträgliche Zahnschmerzen erfodern, weil es eine stets mit einiger Gefahr verbundene Operation bleibt und die Zähne sich nicht ersetzen. Mitunter bekommen Menschen zu viele Zähne, oder einzelne davon haben eine fehlerhafte Stellung, sodaß sie zuweilen ganz entfernt oder der schiefstehende Theil davon abgefeilt werden muß. Künstliche Zähne werden zum Ersatz verlorener eingesetzt und befördern das deutliche Sprechen, tragen auch zur Erhaltung der übrigen Zähne dadurch bei, daß sie ihnen einen Halt gewähren und können auch zum Kauen dienen. Befestigt werden sie mittels Silber- oder Goldstifte auf die zurückgebliebene Wurzel, oder wo das nicht geht, mittels Seide und Golddrath an die benachbarten Zähne. Man benutzt dazu die von gesunden verstorbenen Menschen, verfertigt auch welche aus Walroß- und Kuhzähnen und Elfenbein, sowie aus einer Porzellanmasse. Für die Schutzheilige der Zähne gilt in der katholischen Kirche die h. Appollonia. – Von den Zähnen der Thiere sind die des Menschen vielfach verschieden. Von denen der Säugthiere unterscheiden sie sich namentlich durch ihre gleiche Höhe, welche ihr dichtes Beisammenstehen möglich macht, während z.B. schon beim Affen die Eckzähne so vergrößert sind, daß im gegenüberliegenden Kiefer eine Lücke nöthig ist, um sie aufzunehmen. Die Zähne der blos von Pflanzenkost lebenden Thiere unterscheiden sich nicht allein durch ihre Gestalt, sondern auch durch ihren Bau. – Zahnfisteln heißen Geschwüre an den Zähnen, meist von einem kranken Zahne veranlaßt, welcher dann baldigst herausgenommen werden muß und sind zuweilen mit Beinfraß der Kinnlade verbunden. (S. Fisteln.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 776-777.
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