[566] Calcutta (im Sanskrit Kalikata), Hauptstadt der britischen Präsidentschaft Bengalen in Ostindien, sowie des gesammten angloindischen Reichs, eine der größten Städte Asiens, liegt am linken Ufer des Hoogly, eines mächtigen Armes des Ganges, etwa 22 Ml. von dem Meere stromaufwärts, u. dehnt sich am Ufer selbst 1 deutsche Meile aus, bei einer Breite von 1/3 Ml. Auf der Landseite wird die Stadt, die ein Areal von fast 1/3 QM. bedeckt, von dem Mahrattawall (Mahratta Ditch) umgeben, einer 1742 gegen die Invasion der Mahratten begonnenen Circumvallation, die im N. der Stadt vom Flusse aus erst östlich (1/3 Ml.), dann südöstlich (3/4 Ml.), endlich wieder südwestlich nach dem Flusse zu wendet, aber hier nie vollendet ward. Jenseit des Walles liegen die Vorstädte C-s, von denen die wichtigsten sind: Chitpore im Norden; Nundenbagh, Bahar-Simlah, Sealdah, Entally u. Ballygunge im O. u. SO.; endlich Bhowaneepore, Allipore u. Kidderpore in S. C. gegenüber auf dem rechten Ufer des Hoogly liegen die Dörfer Seebpore, Howrah u. Tulkea, mit den Waarenhäusern (Salt-golahs) der Regierung, mehreren großen Fabriken u. verschiedenen Docks u. Schiffswerften. Parallel mit dem Mahratta-Ditch auf der Stadtseite läuft die große Circular-Road. Am Flusse beginnt die Stadt mit Garden-Roach, einer Reihe schöner Villen mit Parkanlagen; dabei der Ankerplatz für die Dampfer der Überlandpost; nördlich der Garden-Roach folgen die Docks der Regierung, weiter über dem Kanal Tolly-Nullah liegt das Arsenal, auf welches das Fort William folgt. Vor diesem liegt die weite Esplanade, oberhalb welcher der große Chandpaul-Ghaut am Flusse den Hauptlandungsplatz C-s bildet. Diesem schließt sich stromaufwärts der stattliche Strand mit vielen schönen Gebäuden u. Strandtreppen (Ghauts) an, bis endlich im N. der Circular-Kanal die Stadt von der Vorstadt Chitpore scheidet. Eine Linie von Bebee-Roß-Ghaut aus am Flusse östlich bis zur Upper-Circular-Road gezogen, bildet ungefähr die Scheide zwischen der Weißen Stadt (im S.) u. der Schwarzen Stadt (im N.). Die Weiße Stadt, nicht blos von den Europäern, sondern auch von vielen Einheimischen bewohnt, hat einen durchaus europäischen Anstrich, u. man kann in ihr eben so gut ihre City wie ihr Court-end unterscheiden. Die City ist von stattlichen geraden Straßen durchschnitten, während das aristokratische Viertel, die Chowringhee, die prächtigen Paläste (vielfach in griechischem Style mit geräumigen Säulenhallen) der höheren Regierungsbeamten u. reichen Kaufleute umfaßt. Zwischen der Chowringhee u. dem Flusse dehnt sich die geräumige Esplanade aus, deren südliche Front durch das Fort William gebildet wird. Letzteres gilt für eins der stärksten Festungen Indiens, bildet ein Octogon, von welchem 5 Seiten landeinwärts, 3 nach dem Flusse zu streichen, ward von Cliva gleich nach der Schlacht von Plassey (1757) begründet u. 1773 vollendet. Das Fort ist mit 619 Geschützen armirt u. kann 14,000 Menschen beherbergen. In demselben findet sich ein vortreffliches Zeughaus u. eine Kanonengießerei. Die Schwarze Stadt, in welcher sich der größte Theil der Bevölkerung, darunter jedoch nur wenige Europäer, zusammendrängt, trägt ganz den Charakter orientalischer Städte, hat enge u. krumme schmutzige Straßen u. nur wenige massive Häuser, meist nur armselige Hütten. Die Zahl der Häuser in ganz C. betrug 1850: 62,565, von denen 5950 nur ein Stockwerk, 6438 zwei, 721 drei, 10 vier u. 1 fünf Stockwerke enthielten; 49,445 waren bloße Hütten. Unter den öffentlichen Gebäuden sind die bedeutendsten: das Government-House, an der Esplanade, 1804 von Marquis Wellesley mit einem Kostenaufwand von 130,000 Pfd. St. erbaut; die Townhall, ebendaselbst, in dorischem Styl; der Supreme Court of Indicature; die Medresse u. das Hindoo-College; die Martinière, eine Erziehungsanstalt für 20 Knaben u. 30 Mädchen, begründet von General Claude Martin; Metcalfe-Hall, auf Subscription zum Andenken an die Verdienste Lord Metcalfe's um C. erbaut; das Ochterlony-Monument, zum Andenken an Sir David Ochterlony u. dessen Verdienste um die Muhammedaner. An der Südwestspitze von Fort William führt ein schöner Ghaut zum Strome, zum Andenken an den hochverdienten James Prinsep erbaut; unweit desselben das Monument zur Erinnerung an die Siege bei Muharadschpore u. Punniar, construirt aus den in der Schlacht erbeuteten Kanonen. Als Merkwürdigkeit zeigt man das jetzt baufällige Monument vor der berüchtigten Schwarzen Höhle (jetzt Niederlage), in welcher der Radscha Ed-daulah 1756 mehr als 100 Engländer umkommen ließ. Sonst sind noch zu nennen das Zollhaus u. die Neue Münze am [566] Strand; die St. Pauls Kathedrale, die schottische Kirche am Tank-Square; ebendaselbst Writer's Buildings; das Theater in Park-Street, Chowringhee. Auf dem rechten Ufer des Hoogly, gegenüber Garden-Roach, das Bishop's-College, eine Bildungsanstalt für Geistliche u. Lehrer aus Einheimischen. Die Hindus haben in C. 167, die Muhammedaner 74 Cultusstätten; die Chinesen 1 Tempel; die Juden 1 Synagoge; außerdem finden sich in C. 1 griechische u. 1 armenische Kirche; 3 Baptistenkapellen, sowie 2 für Nicht-baptistische Independenten; die Katholiken haben 5, die Anglikaner 8, die Established Church of Scotland 1, die schottische Free-Church ebenfalls 1 Kirche. Von Unterrichtsanstalten befinden sich zu C., außer der Universität (anstatt des eingegangenen College von Fort William begründet) u. den Schulen u. Pensionaten für Europäer, das Hindu-College mit 488, das College-Pantschala mit 215 u. die Bengal-School mit 453 brahmanischen Schülern; ferner das Sanskrit-College mit 299 u. die Medresse für die Muhammedaner mit 280 Schülern. Unter den gelehrten Gesellschaften steht die Asiatic Society of Bengal oben an; sonst sind noch die Medical and Physical Society u. die Agricultural and Horticultural Society zu nennen. Es erscheinen zu C. nicht blos eine ziemliche Anzahl Zeitungen in englischer, bengalischer u. hindustanischer, sowie einzelne auch in persischer u. armenischer Sprache, sondern auch mehrere wissenschaftliche Zeitschriften gediegenen Inhalts. Unter den sonstigen Bildungsmitteln ist der Botanische Garten hervorzuheben, einer der größten der Erde, in welchem fortwährend 150200 Arbeiter beschäftigt sind u. dessen Vermittelung Europa die Einführung sehr vieler Cultur- u. Zierpflanzen zu danken hat; er liegt unterhalb der Stadt am rechten Ufer des Hoogly, südlich des Bishop's College. Unter den zahllosen Stiftungen u. Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die St. James Schools, gestiftet vom Bischof Middleton; das European Female Orphan Asylum, die Benevolent Institution, für die Erziehung armer christlicher Kinder; die Free School and Church; die Church Missionary Almshouses; das Hospital für Leprose; die Institution der General-Assembly. Da das Wasser des Stromes brackig ist, bleibt man auf Regenwasser angewiesen, zu dessen Aufsammlung 1013 Wasserbehälter (darunter 15 öffentliche) od. Tanks bestehen. Der schönste u. beste ziert die Tank-Square. Artesische Bohrversuche sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben. Die Einwohnerzahl (nach dem letzten Census vom Mai 1850) der Stadt (ohne die oben genannten Vorstädte) beträgt 413,182 (mit den Vorstädten etwa 800,000), darunter 6233 Europäer, 4615 Eurasier, 892 Amerikaner, 847 Chinesen, 15,342 Asiaten verschiedenen Stammes, 274,335 Hindus, 110,918 Muhammedaner. C. ist die bedeutendste Handelsstadt Indiens, u. wohl ganz Asiens, sowie der Mittelpunkt des Verkehrs zwischen Ostindien u. England. Nach dem Innern dient dem Handel die höchst bedeutende Flußschifffahrt mit mehr als 500 Stromfahrzeugen; nach auswärts die Seeschifffahrt, obgleich nur Schiffe bis zu 500 Tonnen bis C. stromaufwärts fahren können. Dazu tritt für den Verkehr mit dem Innern von ganz Hindustan (dem Stromgebiet des Ganges) die große Heerstraße (Grand Trank Rond), die nach den nordwestlichen Provinzen führt, u. die begonnene Eisenbahn, die Anfang 1857 bis Burdwan vollendet war. Seit 1855 ist C. auch durch elektrische Telegraphen mit den Hauptstädten Ostindiens in Verbindung gebracht. Der wichtigste Ausfuhrartikel C-s ist Indigo; in zweiter Linie folgen Zucker, Salpeter, Baumwolle, Rohseide, Baumwollen- u. Seidenwaaren, Opium, Lack, Schellack, Reis, Färberröthe etc. Nicht so bedeutend wie der Handel ist die Industrie. Handel u. Wandel werden befördert durch die Bank of Bengal, die Union-Bank u. die Bengal Chamber of Commerce. C. ist die Residenz des Generalgouverneurs des gesammten britischen Ostindiens, sowie des Obersten Raths; eines Lieutenant-Governors für Bengalen, des Oberrichters, der obersten Gerichtshöfe für die Präsidentschaft u. vieler anderer Magistrate; ferner eines anglikanischen Bischofs. Auch ist C. der Centralpunkt aller evangelischen Missionen in Ostindien. C. ist eine sehr junge Stadt; im Jahre 1700 war ihre Stätte noch mit Wald u. Wiesen bedeckt. Nur zwei kleine Dörfer, von denen das eine den Namen C. führte, lagen dazwischen. Letztere erhielt die ostindische Compagnie von Azim, einem Sohne Aurungzeb's, zum Geschenk, worauf Governor Charnock die Factorei von Hoogly nach C. verlegte Dennoch blieb es ein elender Ort, bis nach Gründung des Fort William u. Consolidirung u. Vergrößerung der britischen Macht seit Mitte des 18. Jahrh. auch der Ort sichtbar zur Blüthe gelangte. Seit 1773 wurde C. Residenz des Generalgouverneurs. Am 6. Mai 1846 große Feuersbrunst hier. Die große Rebellion der Seapoys von 1857 konnte in C. nicht zum Ausbruch kommen. 31/4 Ml. nördlich von der Stadt C. liegt Barrackpoor am Hooghly mit einem Palast des Generalgouverneurs inmitten eines großen u. schönen Parks u. den Cantonnements mehrerer einheimischer Regimenter. Auch Dumdum, 13/4 Stunde von C., ist eine Militärstation.
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