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Calcutta

[244] Calcutta, die Hauptstadt der Präsidentschaft Bengalen im britischen Vorderindien, liegt am östlichen Ufer des Hoogly in einem ungeheuren Halbkreise, und gewährt einen prächtigen, imposanten Anblick. Der Hafen ist geräumig; längs demselben erstreckt sich die schöne Esplanade, hinter welcher sich die Stadt mit ihren unzähligen Minarets, Moscheekuppeln, Kirchthürmen, Pagodenspitzen etc. erhebt, im Hintergrunde noch von grünen Hügeln, üppiggrünen Gärten mit zahllosen weißen Landhäusern malerisch überragt. Der von etwa 8000 Europäern bewohnte Stadttheil Thuringhi ist regelmäßig gebaut, die Häuser im griechischen Style, mit flachen Dächern, schönen Balkons etc. Die vornehmsten Gebäude sind: der Regierungs- und Justizpalast, das Rathhaus, die katholische, armenische und griechische Kirche, viele Moscheen und Pagoden. Jedes Viertel hat sein sogenanntes Square, d. h. in der Mitte einen freien, mit Rasen, Bäumen, Gesträuch und Blumen beflanzten Platz, in deren Mitte sich Brunnen und Fontainen befinden. Die sogenannte schwarze Stadt und die Vorstäde sind eng und winklig, haben nur schlechte Häuser aus Holz, Lehm oder Bambus, die Straßen sind ungepflastert, werden aber sehr reinlich gehalten. – Die Gesammtbevölkerung beträgt 800,000 Seelen, und ist ein Gemisch von Europäern und Asiaten aller Farben, Nationen und Religionen.[244] Die Briten leben auf europäische Weise und haben sogar ihr Theater. Sie sind Beamte, Militärpersonen, Kaufleute, Lehrer und Handwerker. Die Armenier treiben bloß Handel, und besitzen ungeheure Reichthümer. In der Nähe der Stadt liegt der botanische Garten, der größte in der Welt und das Landhaus des Generalgouverneurs, der hier mit wahrhaft orientalischer Pracht lebt. – Es gibt in Calcutta viele Schulen für Christen, Hindus und Muhammedaner; Museen, Kunstsammlungen, die berühmte asiatische Gesellschaft (Asiatic Society) etc. – Das häusliche Leben weicht in mancher Beziehung von dem unsrigen ab. Man muß ein Heer von Dienern halten, deren jeder sein eigenes Geschäft hat. Das Kindermädchen z. B., welches die Kinder spazieren fährt, kleidet dieselben nicht an und aus; dieß ist das Geschäft einer andern Person. Man steht zeitig auf, um noch vor Sonnenaufgang die frische Morgenkühle zu genießen; um 12 Uhr wird ein warmes Frühstück genommen, dann schläft man 2 bis 3 Stunden. Die Hauptmahlzeit folgt um 7 Uhr. Das Fleisch ist vortrefflich und in großem Ueberflusse vorhanden. Was über den Bedarf geschlachtet worden, wird in's Freie geworfen, wo sich ungeheure Scharen von Geiern und Krähen, und des Nachts Füchse, Schakals und Hyänen davon nähren. Die religiösen Vorurtheile der Hindus nämlich verbieten ihnen etwas zu essen, was nicht von ihrer Kaste zubereitet worden. Man reist gewöhnlich in Palankinen, doch haben die Vornehmen Equipagen, und es ist Mode, vor der Hauptmahlzeit spazieren zu fahren. Des Nachts laufen Knaben mit Fackeln vor den Wagen einher, was auf der Esplanade, wenn sich 30–40 solche Flammen hin und her bewegen, von malerischer Wirkung ist. – Ein herrschendes Laster in Calcutta ist die Spielwuth, welche sogar unter den niedern Ständen angetroffen wird. – Viele unverheirathete Engländerinnen reisen nach Calcutta, in der Absicht, sich gut zu verheirathen, was in der Regel denen, welche von guter Bildung und empfehlendem Aeußern sind, gelingt.[245] Andere beschäftigen sich mit Erziehung und Unterricht; es gibt hier viele Pensionsanstalten, für welche meistens Europäerinnen als Lehrerinnen gesucht werden. – Die dienende Klasse besteht aus Muhammedanern, Parias und vielen zum Christenthum bekehrten Hindus. Ein vornehmer Mann muß 200 Dienstleute haben, die freilich nur schlecht bezahlt werden. Die Hauptbeschäftigung der Einwohner besteht in Manufaktur- und Fabrikarbeiten. Man verfertigt schöne Seiden- und Baumwollenzeuge, treffliche Lederarbeiten, Tischler-, Gold- und Silberwaaren. Es gibt zahlreiche Zuckersiedereien, Arakbrennereien etc. Das Küchengeschirr ist geschmackvoll und von seltener Dauerhaftigkeit; der Handel Calcutta's ist sehr lebhaft und ausgebreitet. –

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 244-246.
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