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Scholastĭker

[940] Scholastĭker (lat.), im allgemeinen ein Mann der Schule, der sich mit Lehren und Lernen in der Schule, namentlich pedantisch, beschäftigt. Speziell werden die Philosophen des Mittelalters so genannt, deren Untersuchungen, Scholastik, Scholastizismus, sich vorzüglich auf die kirchliche Theologie bezogen und zwar nicht auf deren Inhalt, der von vornherein feststand, sondern namentlich darauf, ihn auf Grund der aus dem Altertum überlieferten Philosophie zu systematisieren, zu begreifen und zu beweisen. Im ganzen stand also bei diesen Philosophen das Denken in dem Dienste der Kirchenlehre, obwohl die spezifisch christlichen Dogmen, z. B. die Trinität, durch die Vernunft nicht beweisbar sein sollten, auch philosophische Probleme auf dem natürlichen Gebiete ohne Anlehnung an die Kirchenlehre behandelt werden durften und auch behandelt wurden. Ihren Namen haben die S. daher, daß sie ursprünglich meist Lehrer an den seit der Zeit Karls d. Gr. gestifteten Kloster- und bischöflichen Schulen waren. Den nötigen Apparat logischer Hilfsmittel entnahmen sie jahrhundertelang den dürftigen Überlieferungen aus dem klassischen Altertum, die vorzüglich die Übersetzungen und eignen Schriften des Boethius darboten, die metaphysischen Hilfsmittel teils Platonischen und, durch Vermittelung der angeblich von Dionysios Areopagita herrührenden Schriften, neuplatonischen, teils Aristotelischen Begriffen. Außerdem genossen bei den Scholastikern die lateinischen Kirchenväter, namentlich Augustin, hohes Ansehen. Der Gegenstand, der bis zu Ende des 11. Jahrh. hauptsächlich, wenn auch keineswegs ausschließlich, eine Art selbständigen und philosophischen Interesses in Anspruch nahm, war die Frage, ob die allgemeinen Begriffe wirkliche Dinge bezeichneten oder bloße Produkte der Reflexion und Abstraktion seien. Der Gegensatz in der Beantwortung dieser Frage (s. Realismus und Nominalismus) spaltete sich in eine Menge teils streitender, teils vermittelnder Lehrformen. In der ersten, bis zu Anfang des 13. Jahrh. reichenden Periode der Scholastik haben hervorragende Bedeutung: Joh. Scotus Eriugena, Gerbert, Mönch zu Aurillac, der nachherige Papst Silvester II., Berengar von Tours, Lanfranc, Joh. Roscellinus, Peter Abälard, Wilhelm von Champeaux, Peter von Poitiers (Pictaviensis), Petrus Lombardus und Johan u von Salisbury (s. die betreffenden Artikel). Eine neue Epoche in der Geschichte der Scholastik beginnt am Anfang des 13. Jahrh. mit dem Bekanntwerden auch der metaphysischen und physischen Werke des Aristoteles teils durch lateinische Übersetzungen, teils durch Benutzung der Werke der arabischen Philosophen. Fortan tritt neben dem kirchlichen Dogma die Aristotelische Metaphysik als der zweite die Scholastik beherrschende Faktor auf, und die Hauptbegriffe derselben, Substanz und Akzidenz, Form und Materie, actus und potentia, mit allen ihren möglichen Kombinationen, Distinktionen und Klassifikationen boten ein Schema dar, nach dem jede theologische und metaphysische Frage behandelt wurde. Der zur Herrschaft gelangte Realismus ließ als hinreichenden Beweis der Gültigkeit eines Begriffs gelten, daß er überhaupt gedacht werde, und die Meinung, das Wesen der Dinge schon durch bloße Nominaldefinitionen der sie bezeichnenden Begriffe erkennen zu können, rief ein unfruchtbares Spiel mit Quidditäten und Häcceïtäten, spezifischen Differenzen und verborgenen Qualitäten hervor. Dieser zweiten Periode gehören an: Alexander von Hales, Albertus Magnus, Thomas von Aquino und Johannes Duns Scotus, in zweiter Linie auch Vincentius Bellovacensis und Raimund Lullus. Hatte schon in dieser Periode der trocknen Verstandesschärfe und unerquicklichen Disputiersucht gegenüber das religiöse Bedürfnis des Gemüts in dem Mystizismus des Hugo und Richard von St. Victor und Bonaventura Befriedigung gesucht, so entstand im 14. Jahrh. innerhalb der Scholastik selbst eine Spaltung durch das Wiederaufleben des Nominalismus namentlich durch Wilhelm Occam. Es brach der alte Streit zwischen Realismus und Nominalismus von neuem aus und wurde nun speziell zu einem Kampf zwischen Thomisten (den Anhängern des Thomas von Aquino) und Scotisten (Anhängern des Scotus). Der Nominalismus siegte zwar, aber die Scholastik selbst, in Schulstreitigkeiten aufgelöst, verlor den religiösen Ernst und war ebensowenig imstande, sich der neuen lebensvollen Gestaltung der Wissenschaften, wie sie am Ausgang des Mittelalters hervortrat, anzuschließen, als ihr das Gegengewicht zu halten. Die Scholastik schien zwar im 15. Jahrh. zu verschwinden, doch erreichte sie vom Ende des 16. Jahrh. an eine neue Blüte in den Jesuitenschulen, und die Eigentümlichkeit ihrer Lehrart[940] hat sich selbst auf protestantischen Universitäten bis ins 17. Jahrh. hinein erhalten. Vgl. Rousselot, Etudes sur la philosophie dans le moyen-âge (Par. 1840–42, 3 Bde.); Hauréau, Histoire de la philosophie scolastique (das. 1872–80, 3 Bde.); Kaulich, Geschichte der scholastischen Philosophie (Prag 1863, nur Bd. 1); Stöckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters (Mainz 1864–67, 3 Bde.); v. Liliencron, Über den Inhalt der allgemeinen Bildung in der Zeit der Scholastik (Münch. 1876); Talamo, L'Aristotelismo della scolastica nella storia della filosofia (3. Aufl., Siena 1881); Reuter, Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (Berl. 1875 bis 1877, 2 Bde.); K. Werner, Die S. des spätern Mittelalters (Wien 1881–87, 4 Bde.); v. Eicken, Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung (Stuttg. 1887); de Wulf, Histoire de la philosophie médiévale (Par. 1900); Guttmann, Die Scholastik des 13. Jahrhunderts in ihren Beziehungen zum Judentum (Bresl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 940-941.
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