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Berengar von Tours

[655] Berengar von Tours, berühmter Scholastiker, bald nach 1000 vielleicht in Tours geboren, gest. 1088, Schüler des Bischofs Fulbert von Chartres, ward gegen 1040 Vorsteher der Domschule zu Tours und brachte diese durch seine Gelehrsamkeit, seine dialektische Gewandtheit und sein Lehrtalent zuhoher Berühmtheit. Als er im Widerspruch gegen die Transsubstantiationslehre (s. Abendmahl) die Ansicht des Ratramnus verteidigte, nach der Brot und Wein im Abendmahl nur Zeichen und Unterpfand des Leibes und Blutes Jesu seien, dagegen physisch unverändert blieben und keine substantielle Verwandlung erlitten, wurde er auf einer im April 1050 zu Rom abgehaltenen Synode von seinem Rivalen Lanfranc (s. d.) der Irrlehre angeklagt und, da er auf seiner Meinung beharrte, auf Befehl König Heinrichs I. von Frankreich gefänglich eingezogen. Auf die Fürsprache des ihm gewogenen Kardinals Hildebrand (nachmals Gregor VII.) beruhigte sich die Synode von Tours (1054) bei Berengars einfacher Erklärung, Brot und Wein seien nach der Konsekration Leib und Blut Christi, und B. blieb mehrere Jahre hindurch unangefochten. Allein auf einem Konzil in Rom 1059 wurde er zur Unterschreibung und Beschwörung einer Formel genötigt, worin er die ihm zum Vorwurf gemachte Ketzerei verwünschte und zu glauben gelobte, daß Brot und Wein im Abendmahl der wirkliche Leib und das wirkliche Blut Christi seien. Nach seiner Rückkehr erklärte er laut seine Reue über den in Todesfurcht geschwornen Meineid und beharrte bei seiner frühern Ansicht. Die Folge waren neue Verdammungen, bis B. endlich auf einer römischen Synode (März 1079) auf Gregors VII. Veranlassung widerrief und Stillschweigen gelobte. 1080 zog er sich auf die Insel St.-Cosme bei Tours zurück. Über die sehr entstellte Geschichte seines Streites haben Lessing in dem Werkchen »Berengarius Turonensis« (1770) und Stäudlin, der Berengars Schrift gegen Lanfranc, die Lessing in der Wolfenbütteler Bibliothek aufgefunden hatte, in mehreren Programmen herausgab (seit 1820), Licht verbreitet. Eine Ausgabe von Berengars Schriften besorgten A. F. und F. Th. Vischer (Berl. 1834). Vgl. Schnitzer. Berengar von Tours (Münch. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 655.
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