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Lausitz

[254] Lausitz (Lusatia) oder die Lausitzen, zusammenfassender geographischer Begriff für die zwei ehemaligen gesonderten Markgrafschaften Ober- und Niederlausitz (über die Namen s. unten). Die Oberlausitz, etwa 5940 qkm (107,88 QM.) groß, zerfiel in die Kreise Görlitz und Bautzen und zählte außer den sogen. Sechsstädten Bautzen, Görlitz, Zittau, Löbau, Lauban und Kamenz noch 16 Landstädtchen, 7 Marktflecken und viele Dörfer. Bei der Teilung Sachsens 1815 wurde auch sie zerstückelt, so daß es jetzt eine sächsische und eine preußische Oberlausitz gibt. Die sächsische Oberlausitz bildet mit Einschluß einiger früher böhmischer Parzellen und der 1845 von Österreich an Sachsen abgetretenen Enklaven Schirgiswalde etc. die gegenwärtige Kreishauptmannschaft Bautzen, die vier der Sechsstädte (nun Vierstädte): Bautzen, Zittau, Löbau und Kamenz, die Standesherrschaften Königsbrück und Reibersdorf, das katholische Domstift St. Petri in Bautzen, die Nonnenklöster Marienstern und Marienthal, das protestantische adlige Fräuleinstift Joachimstein sowie die Landstädte, Dörfer und Rittergüter der nach den vier Städten benannten Amtshauptmannschaften umfaßt, mit einem Gesamtareal von 2470 qkm (44,86 QM.) und (1906) 405,173 Einw., darunter 28,234 Personen mit wendischer Muttersprache. Die preußische Oberlausitz, der größere nordöstliche Teil des Gebiets, mit einem Areal von 3396 qkm (61,68 QM.) und (1900) 305,080 Einw., darunter 24,361 Personen mit wendischer Muttersprache, umfaßt die Kreise Stadt und Land Görlitz, Rothenburg, Hoyerswerda und Lauban des schlesischen Regbez. Liegnitz, in ihr liegen außer den Kreisstädten und mehreren Landstädten auch die drei Standesherrschaften Hoyerswerda (königlich), Muskau und Seidenberg (zu Reibersdorf gehörig). Die Niederlausitz hat 6838 qkm (124,19 QM.) Flächeninhalt und zerfiel früher, außer dem Kottbuser Kreis, der seit 1462 brandenburgisch und nur 1806–14 sächsisch war, in fünf Kreise: den Luckauischen, Gubenschen, Kalauischen, Krummspreeischen (Lübbenschen) und Sprembergischen Kreis. Bei der Teilung Sachsens kam sie ganz an Preußen und bildet gegenwärtig die Kreise Guben (Stadt und Land), Lübben, Luckau, Kalau, Kottbus (Stadt und Land), Sorau und Spremberg des brandenburgischen Regbez. Frankfurt a. O., mit (1900) 461,973 Einw., darunter 34,837 Personen mit wendischer Muttersprache. Die größten Städte sind Guben, Kottbus, Forst, Lübben und Spremberg; an Standesherrschaften besitzt die Niederlausitz neben drei königlichen (Neuzelle; Dobrilugk mit Spremberg, Sorau und Triebel; Friedland mit Schenkendorf) noch Forst und Pförten, Amtitz, Lieberose, Straupitz, Lübbenau, Leuthen, Fürstlich-Drehna und Sonnewalde. Beide Landschaften durchfließt die Spree mit ihren zahlreichen Zuflüssen; außerdem geht zur Elbe noch die Schwarze Elster, zur Oder die Lausitzer Neiße. Die Oberlausitz ist im S. bergig und reich an Naturschönheiten (s. Lausitzer Gebirge) und namentlich im sächsischen Teil Sitz eines bedeutenden Gewerbfleißes (Leinweberei). Die Niederlausitz ist ein vorwiegend flaches, wasserreiches und sandiges [254] Land; von eigenartigem Reiz ist der Landschaftscharakter des Spreewaldes (s. d.); industriell wichtig sind der Braunkohlenbergbau und die Tuchfabrikation. Über die Ober- und Niederlausitzer Wenden s. Artikel »Slawische Sprachen«. Das Wappen der Oberlausitz ist seit der Mitte des 14. Jahrh. eine goldene Mauer mit drei Zinnen im blauen Felde (ebenso wie das Wappen der Landeshauptstadt Bautzen, s. d.), das der Niederlausitz, gleichfalls seit dem 14. Jahrh., ein roter, nach rechts schreitender Stier im weißen Felde (wie das Wappen der Landeshauptstadt Luckau, s. d.).

[Geschichte.] L. (Lusiz, Lusatia) kommt als Name ursprünglich nur der heutigen Niederlausitz zu; erst zu Beginn des 15. Jahrh. finden sich sichere Zeugnisse einer fälschlichen Einreihung der Oberlausitz, des damaligen Sechsstädtelandes oder der Marken Bautzen und Görlitz, unter den Begriff L., und erst der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gehört das allmähliche mißbräuchliche Aufkommen des Namens Oberlausitz an, wodurch der echten, alten L. der Name Niederlausitz aufgedrängt wurde.

Die Niederlausitz bewohnten sicher seit dem 1. Jahrh., wahrscheinlich aber, da die vorgeschichtlichen Funde keinen Bevölkerungswechsel erkennen lassen, schon mindestens zwei Jahrhunderte v. Chr. Germanen, und zwar Semnonen, in deren Gebiet das suevische Stammesheiligtum lag. Spuren ihres Daseins bewahrte der Boden in großer Reichhaltigkeit; ihnen gehören Fundstücke der Bronzezeit und als besonders charakteristisch die Gefäßformen und Beigaben des sogen. Lausitzer Typus an. Um die Mitte des 3. Jahrh. verließen sie ihre Sitze; etwaige in der Heimat zurückgebliebene Reste wurden von den allmählich einrückenden Slawen aufgesogen. Diese Slawen gehörten zum Hauptstamm der Sorben oder Soraben, die neben einigen kleinern Stämmen in die Zweige der Daleminzier (Mark Meißen), der Milzener (Oberlausitz) und der Lusizer in der Niederlausitz zerfielen. Über letztere erfahren wir erst im;10. Jahrh. Näheres. König Heinrich I. eroberte 932 ihre Hauptfeste Liubusua beim heutigen Dorf Lebusa zwischen Dahme und Schlieben; doch ihre rücksichtslose und dauernde Niederwerfung führte erst der von König Otto I. 938 eingesetzte Markgraf oder Markherzog Gero durch; er ist der erste deutsche Landesherr der Niederlausitz, wennschon er und seine Nachfolger noch nicht den Markgrafentitel der L. führten. Nach seinem Tode 965 kam die L. an den Markgrafen Hodo (gest. 993), dann an Geros Großneffen Gero 11., unter dem sie 1002 an den Polenherzog Boleslaw Chrobry verloren ging; erst Geros II. Enkel Odo II. gelangte 1031, als Boleslaws Sohn Mieczyslaw (Miesko) die sorbischen Eroberungen herausgab, wieder in den Besitz der Ostmark und L., starb aber bald darauf, wohl 1032. Kaiser Konrad II. verlieh die Niederlausitz nun an den Wettiner Dietrich II., der bereits 1034 ermordet wurde; aber die Mark blieb seinem Hause, das damit sein erstes Reichsfürstentum erlangte, erhalten. Dietrichs Sohn Dedi II. besaß sie von 1034 bis zu seinem Tode 1075, worauf König Heinrich IV. sie 1076 zunächst seinem Helfer in den sächsischen Kämpfen, dem Böhmenkönig Wratislaw, 1.081 aber Dedis Sohn Heinrich I. (von Eilenburg, der 1089 auch die Mark Meißen erhielt) gab. Dessen Sohne Heinrich II. (1103–23) folgte nicht der nächste Verwandte Konrad von Wettin, sondern 1123 (oder 1124) der Askanier Albrecht der Bär bis 1131, dann Heinrich, der Sohn Wiprechts von Groitzsch, bis 1136, und darauf erst Konrad bis 1156. Letzterer teilte seine Lande; der zweite Sohn, Dietrich, erhielt die Niederlausitz und die Grafschaft Eilenburg (1156–85); ihm folgte sein Bruder Dedo V. (der Feiste), seit 1156 Inhaber der Grafschaft Groitzsch, und diesem 1190–1210 sein Sohn Konrad. Mit letzterm starb die besondere niederlausitzische Markgrafenlinie der Wettiner aus, die auch urkundlich mehrfach den lausitzischen Markgrafentitel führte, da die Niederlausitz sich als besonderes Territorium herausbildete. Die Lande fielen an Konrads Vetter, Markgraf Dietrich (den Bedrängten) von Meißen (1210–21). Unter dessen Sohn Heinrich dem Erlauchten (1221–88) nahm das Städtewesen kräftigen Aufschwung. Sein Enkel Dietrich der Jüngere oder Diezmann wurde durch die Kämpfe mit den Königen Adolf und Albrecht veranlaßt, die Niederlausitz 1303 an die askanischen Markgrafen von Brandenburg zu verkaufen, die schon die Oberlausitz besaßen. Bei Waldemars Tod 1319 strebten die askanischen Herzoge von Sachsen, die Markgrafen von Meißen, der Böhmenkönig Johann und Herzog Heinrich von Jauer nach dem Besitz der Niederlausitz, die König Ludwig der Bayer 1323 mit Brandenburg seinem Sohne Ludwig dem Ältern verlieh. Politische und finanzielle Schwierigkeiten nötigten Ludwig (1323–51) und seine Brüder Ludwig den Römer (1351–65) und Otto V. (1351–68) wiederholt zur Verpfändung des ganzen Landes oder einzelner Teile, so 1328–39 an Rudolf I. von Sachsen, 1350 (bez. 1353)-64 an die Wettiner von Meißen, 1364–68 an Bolko II. von Schweidnitz, bis schließlich Kaiser Karl IV. den 1364 angebahnten Übergang an Böhmen durch Kauf im J. 1368 zur Ausführung brachte und 1370 das Land den unveräußerlichen böhmischen Kronlanden einverleibte; deshalb wurde die Niederlausitz wie auch die Oberlausitz und Böhmen selbst in die maximilianische Kreiseinteilung Deutschlands von 1495 nicht eingeschlossen. Die Landesverwaltung führte mit ziemlich weitgehenden Rechten als Vertreter des Königs der Landvogt; geistlicher Oberhirt war der Bischof von Meißen. 1377 erhielt Karls jüngster Sohn, Johann, neben dem Herzogtum Görlitz und der Neumark auch die östliche L. als eignes Fürstentum, nach seinem Tode 1396 gelangten seine Lande an Wenzel bis 1419, der die Niederlausitz aber 1397–1411 seinem Vetter Jost überließ. Wenzels Bruder und Erbe, König Siegmund, verpfändete sie 1422 an den Landvogt Hans von Polenz, der dadurch der eigentliche Landesherr unter nomineller Weiterregierung des Böhmenkönigs wurde. Nach seinem Tode führte sein Bruder Nickel von Polenz als Landvogt die vormundschaftliche Regierung für Hansens Söhne; doch in dem Ringen Brandenburgs und Sachsens um die L. gelang es 1448 dem Hohenzollern Friedrich II., die L. (formell als Pfandinhaber und böhmischer Landvogt) zu erwerben; erst 1462 brachte sie König Georg an Böhmen zurück, nur Kottbus und Peitz blieben seitdem (als böhmisches Lehen bis 1815) brandenburgisch. 1469 kam das Land unter die Herrschaft des Matthias Corvinus von Ungarn bis 1490, darauf wieder unter die der Böhmenkönige bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Kurfürst Johann Georg 1. von Sachsen besetzte die Niederlausitz 1620 als kaiserlicher Kommissar, empfing 1621 als solcher und 1623 als Pfandherr die Huldigung und erhielt sie im Prager Frieden 1635 erblich abgetreten. Nach seinem Tode (1656) fiel die Niederlausitz mit an die Merseburger Nebenlinie[255] der Albertiner bis zu deren Erlöschen mit Herzog Heinrich (von Spremberg) 1738. Herzog Christian 1. schaffte 1666 die Stelle des Landvogts (der seit Rudolfs II. Erlaß von 1598 nur ein Einheimischer sein durfte) ab und richtete als oberste Verwaltungsbehörde die Oberamtsregierung ein, die bis 1815 bestand. 1738 gelangte die Niederlausitz an die Kurfürsten von Sachsen zurück, die sie bis 1815 innehatten; im Wiener Frieden wurde sie an Preußen abgetreten, vorübergehend dem Generalgouvernement des Herzogtums Sachsen, 1816 aber der Provinz Brandenburg, und zwar dem Regierungsbezirk Frankfurt a. O., zugewiesen. Die alten Landstände bestehen noch fort, doch sind die Kompetenzen des Lübbener Kommunallandtags auf Verwaltung verschiedener gemeinnütziger Anstalten und Kassen beschränkt.

Die Oberlausitz bewohnten ursprünglich ebenfalls Germanen, nach älterer Annahme Semnonen (wie in der Niederlausitz), nach neuern Forschungen vermutlich Silingen. Beim Zuge der Burgundionen nach Südwesten um die Mitte des 3. Jahrh. n. Chr. schlossen sich Silingen an, Teile aber mögen zurückgeblieben und in den nachrückenden Slawen ausgegangen sein. Doch erst unter den sächsischen Königen hören wir von bestimmten slawischen Bewohnern der Oberlausitz, den Milzenern. Die Unterwerfung der Daleminzier (928) brachte König Heinrich I. in Berührung mit den östlich wohnenden Milzenern, die in den folgenden Jahren unterworfen wurden. 970 überließ Kaiser Otto I. dem Bistum Meißen den Zehnten in der provinzia Milzsane. Das Land behielt aber unter der Oberherrschaft der meißnischen Markgrafen zunächst seine eignen Rechtseinrichtungen und Freiheiten, die ihm erst der energische Markgraf Ekkehard I. (985–1002) entzog. Nach seinem Tode riß der Polenherzog Boleslaw Chrobry auch das Milzenerland an sich und erwirkte sogar von König Heinrich II. seine Belehnung damit; trotz vorübergehender Wiederbesetzung durch die Deutschen 1005–07 behauptete er es, vom deutschen König 1013 und nochmals 1018 im Besitz anerkannt, bis an seinen Tod 1025. Erst sein Sohn Miesko wurde 1031 von Konrad II. zur Abtretung des Milzenerlandes genötigt, das als Zubehör der Mark Meißen an Ekkehards Sohn Hermann (gest. 1032) gelangte. Auf Hermanns Bruder Ekkehard II. (1032–46), den letzten Ekkehardiner, folgten im Besitz Meißens und des Landes Budissin die Grafen von Weimar-Orlamünde Wilhelm IV. (gest. 1062) und sein Bruder Otto (gest. 1067), dann die braunschweigischen Brunonen Ekbert I. (gest. 1068) und sein Sohn Ekbert II. Des letztern Teilnahme am Sachsenaufstand bewog König Heinrich IV. 1076, die Lande dem Böhmenherzog Wratislaw zu verleihen, der Budissin 1086 als Mitgift seiner Tochter Jutta dem Grafen Wiprecht von Groitzsch überließ. Vorübergehend gab König Heinrich V. das Land dem Grafen Hoyer von Mansfeld (1112–15); nach dessen Tod erhielt es Wiprecht zurück und nach ihm sein Sohn Heinrich 1124–36. Die Annahme, daß 1136 Herzog Sobieslaw von Böhmen das Land Budissin erhalten habe, ist unzutreffend; auch daß Görlitz schon 1126 böhmisch gewesen sei, wird von der neuern Forschung verworfen. 1136–56 war Budissin unter Markgraf Konrad wieder mit Meißen vereinigt, erst nach dessen Tod verlieh Friedrich Barbarossa das Land dem Böhmenkönig Wladislaw II. Bei Böhmen verblieb es bis zur Mitte des 13. Jahrh. König Ottokar II. überließ es als Ersatz der Ausstattung seiner Schwester Beatrix (Božena) und für andre Geldansprüche bald nach seinem Regierungsantritt 1253 an Markgraf Otto III. von Brandenburg. Bei der Landesteilung der Askanier kam das Land Bautzen mit Löbau und Königsbrück an die Johanneische (Stendaler) Linie, das Land Görlitz mit Lauban und Rothenburg an die Ottonische (Salzwedler), nach deren Erlöschen 1317 die Johanneische unter Waldemar d. Gr. bis 1319 beide Landesteile vereinigte. Bei dessen Tode erkannte das Land Bautzen freiwillig den König Johann von Böhmen als Herrn an, während Görlitz der schlesische Herzog Heinrich von Jauer, als Sohn einer Askanierin, an sich brachte; erst 1329 verkaufte er es an Johann. Unter Karl IV. erfolgte 1346 der Zusammenschluß der Städte Bautzen, Görlitz, Zittau, Löbau, Lauban und Kamenz, zunächst als Schutzbund zu gemeinsamer Wahrung des Landfriedens, woraus allmählich durch den Zusammenschluß der Stände (Land, d.h. Adel, und Städte) eine feste politische Organisation und ein Hauptfaktor der innern Landesverwaltung wurde. Durch Zittaus Anschluß trat der böhmische Gau Zagost in Verbindung mit den Landen Bautzen und Görlitz und ging schließlich in der Oberlausitz auf, nur die geistliche Abhängigkeit vom Erzbistum Prag deutete noch die alte Zugehörigkeit zu Böhmen an, denn die übrige Oberlausitz gehörte zum Bistum Meißen. Der Name des Sechsstädtelandes oder kurz der Sechsstädte bildete sich zum Gesamtnamen der Lande Görlitz und Bautzen aus, bis die Benennung Oberlausitz durch Namensübertragung von der eigentlichen alten L. (s. oben) üblich wurde. Nach Karls IV. Tod wurde dem Lande Görlitz eine kurze politische Selbständigkeit zuteil, indem Karls jüngster Sohn, Johann, 1377 zum Herzog von Görlitz erhoben wurde; 1396 fiel auch dieser Teil an Wenzel von Böhmen. In den Hussitenkriegen stand die Oberlausitz auf Seite König Siegmunds und litt schwer unter den Hussiteneinfällen. Als gegen König Georg von Podiebrad der Ungarnkönig Matthias Corvinus auftrat, fiel ihm 1469 auch die Oberlausitz zu, die er bis zu seinem Tode (1490) behauptete; dann erhielt sie der Böhmenkönig Wladislaw zurück. Nach seines Sohnes Ludwig (1516–26) Tod erlangte der Habsburger Ferdinand, Ludwigs Schwager, mit Böhmen, Ungarn und den andern Nebenlanden auch die Oberlausitz. In seine Regierung fällt die schwere Zeit des Pönfalls: wegen angeblich unterlassener Unterstützung des Königs im Schmalkaldischen Kriege verloren die Sechsstädte fast alle Besitzungen und Rechte und erlangten sie nur allmählich unter Geldopfern zurück. Unter den habsburgischen Böhmenkönigen stand die Oberlausitz bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Nach Matthias' Tod (1619) aber schloß sich die Oberlausitz den gegen Ferdinand II. aufständischen Böhmen an, bis Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen sie als kaiserlicher Kommissar 1620 unterwarf und als solcher 1621 die Interimshuldigung empfing, der 1623 die Immission in den Pfandbesitz des Landes bis zur Vergütung seiner Kriegskosten folgte. Dadurch blieb die Oberlausitz von dem traurigen Schicksal, das über Böhmen, Mähren und Schlesien hereinbrach, verschont. Die Kriegsjahre verhinderten die Einlösung, und der Prager Friede verschaffte dem Kurfürsten 1635 den erblichen Besitz. Als Vertreter des Landesherrn stand seit dem 13. Jahrh. an der Spitze der Markgrafschaft, die sich[256] ihre Sonderstellung in Verwaltungsangelegenheiten immer zu wahren strebte, der Landvogt, dessen Amt in sächsischer Zeit wiederholt von Kurprinzen (so Johann Georg III., Friedrich August II., Friedrich Christian) bekleidet wurde. Nach dem Tode des H. F. v. Stammer 1777 wurde kein Landvogt mehr ernannt. Der Dreißigjährige Krieg sowie die Kriege des 18. Jahrh. und der Napoleonischen Zeit fügten auch der Oberlausitz schwere Schäden zu, doch gelang es der Regierung verhältnismäßig rasch, den wirtschaftlichen Zustand zu heben. Einen schwerern Schlag versetzte dem Lande der Wiener Friede 1815, der den östlichen und nördlichen Teil mit Görlitz, Lauban, Nothenburg, Muskau und Hoyerswerda an Preußen gab, so daß Sachsen nur der kleinere Westteil mit Bautzen, Löbau, Zittau, Kamenz und Königsbrück verblieb, der den Hauptteil der heutigen Kreishauptmannschaft Bautzen bildet. Die preußische Oberlausitz kam zum Regierungsbezirk Liegnitz der Provinz Schlesien. In beiden Landesteilen blieben als Rest der alten Selbständigkeit die Landstände zur Verwaltung des Schuldenwesens und verschiedener Stiftungen bestehen.

[Literatur.] Vgl. Chr. G. Hoffmann, Scriptores rerum Lusaticarum antiqui et recentiores, Bd. 1–4 (Leipz. u. Bautzen 1719); »Scriptores rerum Lusaticarum«, Bd. 1–4 (Görl. 1837–70); »Verzeichnis oberlausitzischer Urkunden«, 2 Bde., hrsg. von Zobel und Neumann (Heft 1–8, das. 1799–1805; Heft 9–20, das. 1824); »Codex diplomaticus Lusatiae superioris« (Bd. 1, hrsg. von G. Köhler, das. 1851; 2. Aufl. 1857; Bd. 2 in zwei Teilen, Urkunden des Oberlausitzer Hussitenkrieges, hrsg. von R. Jecht, das. 1896–1904); J. G. Worbs, Inventarium diplomaticum Lusatiae inferioris (nur Bd. 1, 873 bis 1620, Lübben 1834); »Urkundenbuch zur Geschichte des Markgraftums Niederlausitz«, Abt. 1: Kloster Neuzelle, hrsg. von E. Theuner (das. 1897); »Corpus iuris provincialis marchionatus Lusatiae superioris« (Budissin 1715); B. G. Weinart, Rechte und Gewohnheiten der beyden Marggrafthümer Ober- und Niederlausitz (Leipz. 1793, 4 Bde.); S. Großer, Lausitzische Merckwürdigkeiten (das. 1714, 5 Teile); K. Limmer, Entwurf einer urkundlich-pragmatischen Geschichte der Lausitzen (Ronneb. 1839); Th. Scheltz, Gesamtgeschichte der Ober- und Niederlausitz (Bd. 1, Halle 1847; Bd. 2, Görl. 1882); H. Berghaus. Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgraftums Niederlausitz, Bd. 3 (Brandenb. 1856); W. Lippert, Wettiner und Wittelsbacher sowie die Niederlausitz im 14. Jahrhundert (Dresd. 1894); J. W. Neumann, Versuch einer Geschichte der niederlausitzischen Landvögte (Lübben 1831 bis 1833, 2 Bde.) und Das Provinzialrecht des Markgraftums Niederlausitz, nebst Darstellung der frühern niederlausitzischen Verfassung (Frankf. a. O. 1837); L. Große, Entwickelung der Verfassung und des öffentlichen Rechts der Niederlausitz seit 1635 (Görl. 1878); J. A. E. Köhler, Die Geschichte der Oberlausitz (2. Aufl., das. 1867); H. Knothe, Urkundliche Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte der Oberlausitz von ältester Zeit bis Mitte des 16. Jahrhunderts (das. 1877) und Geschichte des Oberlausitzer Adels und seiner Güter vom 13. bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts (Leipz. 1879, Fortsetzung bis 1620 im »Neuen Lausitzischen Magazin«); ferner die Zeitschriften: »Lausitzische Monatsschrift« (Görl. 1790–99); »Neue Lausitzische Monatsschrift« (das. 1800–08); »Neues Lausitzisches Magazin« (das. 1821–1905, 81 Bde.); »Destinata literaria et fragmenta Lusatica«, Bd. 1, 12 Tle., Bd. 2, 3 Tle. (Lübben 1738–47); Worbs »Archiv« und »Neues Archiv für die Geschichte Schlesiens und der L.«, 3 Bde. (Sorau 1798, Glogau 1804, Züllichau 1824); Gallus und Neumanns »Beiträge zur Geschichte und Altertumskunde der Niederlausitz«, 2 Hefte (Lübben 1835–38); »Niederlausitzer Mitteilungen« (Lübben u. Guben 1887–1905, 8 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 254-257.
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