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Hebamme

[124] Hebamme, Frauensperson, die sich zum Berufsgeschäft macht, Beistand bei Geburten zu leisten. Daß Frauen beim Gebären den Beistand von Frauen, nicht von Männern erhalten, ist so naturgemäß u. der Schicklichkeit entsprechend, daß derselbe von jeher überall nebst der Fürsorge für das Neugeborne, zum größten Theil, wo nicht einzig, dem weiblichen Geschlecht anvertraut war. Nur in Fällen, wo durch normwidrige Zustände die Geburt gehemmt, ja ohne ein kunstmäßiges Einwirken u. ohne Entschlossenheit, zu der ein weiblicher Charakter sich nicht so leicht erhebt, unmöglich wird, werden Geburtshelfer mit zugezogen (s. Entbindung). Daher ist in den gegenwärtig fast nirgends mangelnden Hebammenordnungen dafür gesorgt, daß der gewöhnliche geburtshülfliche Beistand nur von Frauen geleistet wird, die dazu geeignet u. erbötig sind, auch die gehörige Unterweisung erhalten haben u. unter Aufsicht von Medicinalpersonen stehen, daher auch für Ungebührnisse in ihrem Geschäft verantwortlich bleiben; daß sie aber zugleich dabei auf eine gewisse Sphäre beschränkt sind u. in schwierigen Fällen die zu leistende Hülfe wissenschaftlich gebildeten Geburtshelfern zu überlassen u. deren Herbeiziehung zu veranlassen haben, gegen welche sie dann in einem untergeordneten Verhältniß stehen. Indessen sind auch in unseren Tagen Beispiele von H-n, die wissenschaftlich u. technisch höhere Ausbildung erlangt haben, wie Mar. Theodora Charlotte v. Heidenreich (v. Siebold) wenn auch sparsam, doch nicht so ganz selten. Als Eigenschaften einer angehenden H. werden erfordert: ein reiferes, doch noch jugendliches Alter (unter 40 Jahren), ein gesunder u. kräftiger Körperbau, vorzüglich wohlgeformte Hände u. Finger, ein guter Verstand, Gewissenhaftigkeit, Vorsichtigkeit, eben so aber auch ein gewisser Muth, Geduld, Freundlichkeit u. Gutmüthigkeit, Nüchternheit, Redlichkeit u. wenigstens so viel Cultur, daß sie fertig zu lesen u. zu schreiben versteht. Zu ihrem Geschäft wird sie theils durch Unterricht, theils durch eigene Wahrnehmung u. Übung angeleitet, bes. indem sie als Hebammengehülfin od. sogenannte Beifrau eine Zeitlang einer erfahrenen H. zur Seite stand. Sie hat als H. entweder eine öffentliche Anstellung mit einigem festen Gehalt od. gewissen Emolumenten, od. ist als solche, nach Ausweis, gehörigen Unterricht empfangen zu haben, für einen gewissen Bezirk concessionirt. Man erwartet dann von ihr besonders, daß sie mit den Erkenntnißzeichen der Schwangerschaft bekannt sei u. auch deshalb zu gerichtlicher Untersuchung gebraucht werden könne; daß sie den Vorgang bei einer gewöhnlichen Geburt genau wisse, aber auch die Hemmungen derselben, um bei Zeiten den Beistand eines Geburtshelfers da zu veranlassen, wo eine operative Hülfe nöthig ist. Es gehört dahin besonders alle Anwendung von Geburtszangen u. anderen Instrumenten; auch sind Fälle, wo das Kind durch Wendung zur Welt gebracht werden kann, nur ausnahmsweise u. wenn man ein besonderes Vertrauen zu der Erfahrung u. Geschicklichkeit einer H. fassen darf, ihnen zu überlassen. Man fordert ferner, daß die H. in Unterscheidung der Wehen den Zeitpunkt wahrnehme, wo durch thätige Förderung der Kreisenden (zu der sie dann erst diese zu veranlassen hat), dieselben für die Geburt wirksam werden können; daß sie durch behutsame Fürsorge Beschädigung der Kreisenden u. des Kindes bis zu der Geburt verhüte; daß sie das geborene Kind aufnehme, es durch Unterbinden. der Nabelschnur u. Durchschneiden derselben von der Nachgeburt löse; daß sie auch diese aufnehme u. beseitige; daß sie nach erfolgter Geburt ihre Fürsorge zwischen Mutter u. [124] Kind theile. daß sie in Allem förderlich, was zur Ruhe u. Erholung der Wöchnerin dient, das Kind aber von dem, mit zur Welt gebrachten käsigen Hautüberzug durch Baden u. Waschen befreie u. dafür Sorge trage, daß es, gehörig umwickelt u. gekleidet, sein erstes Lager erhalte; daß sie ferner, während der ersten Tage des Wochenliegens, die diätetische Abwartung der Wöchnerin so wie des Kindes leite etc. Meist ist den H-n auch die Vorbereitung des Kindes für den Taufact u. die Fürsorge für dasselbe während desselben übertragen, wofür ihnen dann auch Nebenvortheile zufließen. Einen eigentlichen medicinischen Beistand auszuüben ist ordnungsgemäß den H-n nur unter großer Beschränkung verstattet; doch erhalten sie zu leichten dahin gehörigen Hülfsleistungen, von denen nicht leicht Mißbrauch zu besorgen ist, wie Klystiersetzen, Anweisung u. werden auch mit einzelnen Mitteln bekannt gemacht, die sie in dringenden Fällen n., wo ärztlicher Beistand ermangelt, in Anwendung zu bringen befugt sind. In dieser Hinsicht enthalten auch mehrere Lehrschriften für H-n ein Verzeichniß solcher Mittel nebst Andeutung der Benutzung, als Hebammenapotheken, besonders für Landhebammen. Deshalb müssen sie auch gewisse Instrumente, Arzneien etc. (Hebammenapparat), bei sich führen, eine Klystierspritze, ein Katheter, eine Nabelschnurscheere, Band zur Unterbindung der Nabelschnur, Wendeschlingen, Waschschwamm, Feuerschwamm, Camillen, Naphtha od. Hoffmannische Tropfen, Salmiakgeist, Zimmttinctur etc. Die H-n erhalten in eigenen Hebammeninstituten (Hebammenschulen), deren jetzt fast in allen Hauptstädten, auch in Universitätsstädten, sowie in mehreren Provinzialstädten mit eigenen Hebammenlehrern sich befinden, theoretischen u. praktischen Unterricht, auch sind eigene Hebammenbücher (die ältesten von Röslein, neuere v. Siebold, Jörg etc.), auch in katechetischer Form (Hebammenkatechismus) zu ihrem Unterricht vorhanden. Über die H-n bei den Alten s.u. Entbindung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 124-125.
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