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Geschlecht

[267] Geschlecht (Genus), 1) der Inbegriff lebender Wesen, die von Natur einen übereinstimmenden [267] Charakter ihrer Bildung erhielten; so werden Menschen in ihrem Zusammenbestehen als Menschengeschlecht bezeichnet; eben so spricht man von Thier- u. Pflanzengeschlecht; 2) in Natursystemen so v.w. Gattung; 3) lebende Wesen in Bezug auf ihr Entstehen von Wesen derselben Art u. ihrer Fortpflanzung; 4) (Gens), in gleicher Bedeutung, aber in Beschränkung auf Familien, welche gemeinschaftliche Abstammung haben; so spricht man von adeligen, edeln u. von ausgestorbenen Geschlechtern; vgl. Genealogie; 5) so v.w. Generation; 6) in den vormaligen Reichsstädten so v.w. ein rathsfähiges od. patricisches G.; daher auch Geschlechter, Geschlechterin, vgl. Gens u. Familia; 7) (Sexus), als männliches u. weibliches G., die in den meisten thierischen Organismen u. bei allen Thieren auf höheren Stufen Statt findende Scheidung, zufolge welcher allen darunter befaßten Individuen in Bezug auf die Fortpflanzung ihrer Art verschiedenartige Organe verliehen sind, an deren zusammenwirkende Thätigkeit, Geschlechtsvereinigung, die Fortpflanzung selbst gebunden ist. Die mit männlichen Geschlechtsorganen versehenen Geschöpfe sind als die anregenden, die mit weiblichen Geschlechtsorganen als die fortbildenden bei der Zeugung u. Entwickelung des Eies zu betrachten. Es erstreckt sich aber dieser Geschlechtsunterschied u. also auch der Geschlechtscharakter, od. die Eigenheiten eines jeden (männlichen od. weiblichen) G-s, nicht blos auf die in dieser Beziehung auch als Geschlechtstheile bezeichneten Organe (s. Genitalien), sondern er deutet sich im ganzen Organismus u. im ganzen Leben, wenn auch minder scharf, aber doch auf unverkennbare Weise an. Bes. macht sich das G. im menschlichen Leben als Geschlechtsleben, d.h. durch die mit den geschlechtlichen Functionen zusammenhängenden Äußerungen des Lebens, auf die vielfachste Weise geltend (vgl. Mann u. Weib). So haben die Männer breitere Brust, schmäleres Becken, träftigere Knochen u. Muskeln, größere Masse des ganzen Körpers u. Gehirns u. einen Bart im Gesicht; die Frauen sind in Muskeln u. Knochen zarter, haben eine breitere Beckenhöhle, mehr Fett unter der Haut u. daher rundere Form. Gewöhnlich zeigen die Männer auch schärferen Verstand u. größere Charakterenergie, dagegen schreibt man den Frauen mehr Gefühl, Gemüth u. Ausdauer im Erleiden von Mühseligkeiten zu. Die Geschlechtsentwickelung (Pubertät.) beginnt im 11.–15. Jahre; die weitverbreitete Annahme, daß in südlichen Ländern die G. frühzeitiger eintrete, hat man in neuester Zeit widerlegt. Sitten u. Volkscharakter bedingen allerdings energischere Äußerungen der geschlechtlichen Erregung, u. darum wird manches auf eine unseren Augen ausfällige Weise bemerkbar. Wichtig ist aber die Sorge dafür, daß das Geschlechtsleben nicht künstlich beschleunigt werde, was theils durch nervenerregende Getränke, Gewürze, theils durch geistige Aufregung, Kleidung, schlüpfrige Lectüre etc. geschieht. Der. Eintritt der Geschlechtsreife macht sich durch größeren geistigen Ernst, lebhaftere Phantasie u. oft durch unwiderstehlichen Trieb nach geschlechtlicher Befriedigung bemerkbar. Gewaltsame u. unnatürliche Unterdrückung führt zu mancherlei Krankheiten. Der Geschlechtstrieb, d.h. die mit der Geschlechtsentwickelung erwachende Neigung zum anderen Geschlecht zum Zweck der Erhaltung der Gattung, ist dem Menschen wie den Thieren gemeinsam u. äußert sich bei dem Menschen ebenfalls instinctartig wie bei den Thieren, nur daß er an keine bestimmte Zeit gebunden ist; vgl. Brunst. Je nach der niederen od. höheren Stufe der Geistesausbildung veredelt sich der thierische Geschlechtstrieb zur Geschlechtsliebe, kann aber bei mangelnder Herrschaft des Verstandes zu mancherlei Lastern u. Verbrechen führen. Im Allgemeinen gilt die Regel, daß eine zu geringe Benutzung des Geschlechtstriebes von geringerem Nachtheile sei, als ein unmäßiges Hingeben an den sinnlichen Genuß der Liebe u. daß ein günstiger Einfluß der Ehe u. der normalen Befriedigung des Geschlechtstriebes durch längere Lebensdauer der Verheiratheten als der Ehelosen erwiesen ist. Bei den Pflanzen gelten seit Linné die Staubgefäße als die männlichen, die Pistille als die weiblichen Geschlechts- od. Befruchtungswerkzeuge, und das künstliche System von Linné, das nach diesen geordnet ist, nennt man daher Sexualsystem der Pflanzen; 8) (Gramm.), s. Genus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 267-268.
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