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Blutegel

[918] Blutegel, 1) (Blutigel, Hirudinĕa), Familie der Saugwürmer (Trematoda); Leib lang, quergefurcht, lanzettlich, bisweilen zusammengedrückt; Mund mit einer Lippe umgeben; eine Scheibe am After. Mit Mund u. After können sie sich ansaugen u. so durch spannenartige Bewegungen vorwärts kommen. Am Munde sind meistens 3 kalkige Zähne od. Kiefern, mit welchen das Thier sich einheißt u. Blut abzieht. Die weiblichen B. legen Eier in Hülsen. Die Gattung Hirudo L. ist verschiedentlich zertheilt worden in: a) Trocheta, bei Dutrochet; Mund zweilippig, ohne Spur von Zähnen od. Kinnladen; Leib mit einem Wulste, wie der Regenwurm, versehen; Art: Grüne Trocheta (T. subviridis), aus Frankreich; frißt Regenwürmer; b) Egelgel (Erpobdella Blainv., Helluo Ok., Glassophora Johns.), Leib flach, Bauch wie eine Sohle zum Kriechen, ohne Saugloch u. Kiefer; Art: Gemeiner Egelegel (Hell. vulgaris, Erp. v.), gelb u. braun, verzehrt kleine Wasserthiere, frißt Schnecken an, u.a.; c) Schmarotzeregel (Phylline Cuv., Entobdella Blainv.), Leib flach, glatt, fast eiförmig, die Hinterscheibe zusammenziehbar, mit Häken; Art: Ph. hippoglossi (Epobdella h. Blainv.), auf der Haut des Flunders; d) Fischegel (Piscicola Lam., Gnatho Goldf), Leib lang, walzig, glatt, Kopf geflügelt, 4 Augen u. ohne Zähne; Art: Gemeiner Fischegel (Quappenegel, G. piscium, Hirudo geometra L.), schreitet spannend fort; Plage der Fische; gelb, mit weißer Linie; e) Warzenegel (Pontobdella Lam., Phormio Goldf.), Leib walzig, verlängert, warzig od. stachelig, höckerig, Mund u. Schwanz scheibenartig; Art: Stacheliger Warzenegel (P. muricata, Hirudo m.), mit 60 Warzenringen, jeder mit 10 Warzen; sangt sich an Fische an; f) Branchiobdella, mit Kiemen; Art: B. torpedinis; g) Hippobdella u.a.; h) Hirudo, unterschieden durch den zugespitzten Kopf; 2) B. (Gemeiner B., H. medicinalis), auf dem Rücken braungrün mit 6 länglichen Streifen (die mittlelsten gelblichroth mit schwarzen Punkten, die folgenden schwarz, die äußersten gelb), auf der Bauchseite meist stahlgrau, mit gelben, unregelmäßigen, mehr od. minder starken, gelben Flecken, ausgedehnt gewöhnlich von 3–4, doch auch 6–7 Zoll lang, zusammengezogen kaum 1 Zoll lang: in Teichen u. langsam fließenden Bächen, vorzüglich im Norden Europas, z.B. Polens, daher er auch Polnischer Blutegel heißt. Der officinelle od. ungarische B. (H. officinalis), ist schwärzlichgrün, glatt, mit 6 rostfarbenen, ungefleckten Längsbinden. u. schwarzgeflecktem Bauche; lebt mehr in Südeuropa, z.B. Ungarn, Südrußland, Türkei, ferner in Ägypten, Südasien etc. Beide werden durch Ansaugen an Badende, an Pferde, an Fische u. dgl. schädlich; nützlich durch medicinischen Gebrauch. Roßegel (H. gulo), größer, schwarz mit grünlichen Nebelflecken, verschleimt die Bißwunden, ist deshalb unbrauchbar. Schon die ältesten Ärzte wendeten B. zu örtlicher Blutentziehung an; doch geschah dies später nur selten u. es ward dem Schröpfen der Vorzug ertheilt. Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, bes. nach Empfehlung Schmuckers, sind sie wieder in Aufnahme gekommen u. werden jetzt von jedem Apotheker stets in Vorrath gehalten. Bes. in Frankreich u. in England ist ihre Anwendung sehr häufig, u. da sie letzteres Land zum Bedarf nicht ausreichend liefert, so gehen ganze Schiffsladungen derselben aus NFrankreich, namentlich aus dem Departement Finisterre, dahin. Auch aus Deutschland werden jährlich mehrere Millionen Stück ausgeführt. Man fängt die B. entweder mit einem kleinen Ketscher, nachdem man das Wasser, worin sie leben, in Bewegung gebracht hat, od. man züchtet sie in Teichen, die etwa 3 Fuß hoch Wasser halten Wenn sie im Mai od. Juni hineingesetzt sind, so legen sie im September Eier, aus welchen etwa 12 Junge auskriechen. Den Winter über hält man sie in kleineren Gruben mit Lehmboden, in denen das Wasser im Sommer alle 3 Tage, im Winter alle 8 Tage erneuert werden muß, od. in Wasserbehältern, welche jedoch täglich frisches Wasser erhalten müssen. So halten sie sich ohne Nahrung Jahre lang, müssen aber, wenn sie zur Zucht brauchbar werden sollen, mindestens alle 6 Monate einmal Blut saugen. Bei dem Sammeln ist darauf zu sehen, daß man wirklich den medicinischen B. (nach den oben beschriebenen Merkmalen) aus reinem Wasser sammele. Man sammelt sie meist im Juni u. Juli bei warmem Wetter. Man verschickt sie in Beuteln von Leinwand, welche in Wasser getaucht sein müssen. Sie können in einem feuchten Beutel einige Stunden außer Wasser ohne Schaden zubringen, nur nicht während eines Gewitters. Ein guter B. muß einen langen, zusammengedrückten Körper u. eine eigenthümlich sammtartig glänzende Haut haben, sich in Wasser lebhaft bewegen u. verlängern können. Im Handel werden oft schon gebrauchte, künstlich entleerte od. vollgesogene B. unter frische gemengt, od. auch unechte Sorten (Bastardblutegel) mit ächten vermischt. Die Haut bereits gebrauchter B. ist faltig u. schlecht, das Saugloch geschwollen u. weißlich, die Körperbewegung langsamer. Kranke B., deren Endtheile aufgeschwollen sind, während sie aus dem Saugloche eine rothe, seröse Flüssigkeit od. Schleim absondern, müssen von den gesunden entfernt werden. Große [918] Hitze u. Kälte ist ihnen schädlich. Das Ansetzender B. gelingt meist, wenn sie lange nicht gezogen haben; indeß ist es doch auch bisweilen schwierig, u. wird durch Befeuchten des Theils, an welchem der B. anfangen soll, mit Milch, Zuckerwasser od. Blut erleichtert; od. man hält den B. in einem zusammengerollten Kartenblatte mit seinem spitzigen Kopfende an den Theil. Über die Fälle selbst, wo sie, um auf eine milde u. allmählige Art Blut zu lassen, von Nutzen sind, s.u. Aderlassen. Vollgesogen, fallen sie von selbst ab. Dies Abfallen kann man durch Salz od. Asche, womit man die B. bestreut, beschleunigen; nie aber dürfen sie losgerissen werden. Wenn man einen abgefallenen B. dann gelinde über den Körper nach dem Kopfe zu streicht, gibt er das Blut, das er aufgenommen (1–4 Drachmen), durch den Mund von sich, bes. wenn man ihn vorher mit Asche od. Salz bestreut hat; er ist dann zu einem nochmaligen Ansetzen tauglich, doch immer erst nach mehreren Wochen od. Monaten. Die durch die B. schmerzlos gemachten 3eckigen Wunden bluten oft lange, u. es wird dieses Bluten auch wohl durch warmes Wasser geflissentlich unterhalten. Nur selten ist, um Wunden zum Schließen zu bringen, die Anwendung blutstillender Mittel nöthig. Man setzt ihrer gewöhnlich mehrere, von 2–10, nach Umständen u. Verschiedenheit des Orts. Die Spuren der 3eckigen Wunden von ihrem Ansatz auf der Haut bleiben mehrere Tage, verschwinden aber immer von selbst; dagegen lassen Wunden von Roßegeln u.a. gewöhnlich langdauernde Entzündungen zurück. Gegen verschluckte B gibt man reichlich Salzwasser zu trinken, läßt zugleich mehrere Löffel Öl nehmen u. sucht Erbrechen zu bewirken; gegen, in den Mastdarm gekommene gibt man salzige u. ölige Klystiere. Verhalten sich B. auf dem Boden des Gefäßes ruhig, so deutet dies auf helles, schönes Wetter, im Winter auf trockene Kälte; gehen sie aber im Wasser in die Höhe, so deutet solches Regen, im Winter Schnee an; schnelle Bewegung Sturm. Kuntzmann, Anatomisch-physiologische Untersuchungen über den B., Berl. 1817; Knolz, Über die B., Wien 1820; Th. Chr. Martius, Lehrbuch der pharmaceutischen Zoologie, für Apotheker etc., Stuttg. 1838.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 918-919.
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