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Haare

[305] Haare sind die elastischen, dünnen, fadenartigen, in großer Menge dicht beieinander stehenden Körper, welche den meisten Säugthieren zur Bedeckung entweder des ganzen Körpers oder einzelner Theile desselben dienen. Sie haben, wie die Nägel, die Eigenschaft, daß sie, namentlich wenn man sie vorher abgeschnitten, wieder wachsen und kommen von sehr verschiedener Länge, Stärke und Farbe vor. Auch ihre Form ist verschieden, insofern sie entweder wollig, lockig, schlicht oder struppig sind. Beim Menschen sind es namentlich der obere und hintere Theil des Kopfs, die Geschlechtstheile und die Achselhöhlen welche behaart sind, und beim Mann überdies noch der hintere Theil der Wangen, das Kinn und die Oberlippe. Die Haare an diesen Theilen, die Barthaare, unterscheiden sich von den Haupthaaren besonders durch größere Härte und Dicke, welches jedoch hauptsächlich eine Folge des häufigen Abschneidens derselben sein mag. (S. Bart.) Jedes Haar bildet einen von unten nach oben spitz zulaufenden Körper, und hat am untern Theile ein kleines Säckchen, das aus verschiedenen übereinanderliegenden Blättchen besteht und mit dem es in der Haut festsitzt. Betrachtet man ein Haupthaar mit Hülfe eines stark vergrößernden Mikroskops, so erscheinen die Ränder desselben dunkler als die Mitte, und man hat hieraus geschlossen, daß jedes Haar eine Röhre bilde. Die Elasticität der Haare sieht man nicht allein daraus, daß sie gebogen wieder in ihre vorige Lage zurückkehren (worauf die Benutzung der. stärkern Thierhaare zu Bürsten beruht), sondern auch aus dem Umstande, daß man die Haare um eine ansehnliche Länge ausziehen kann und daß dieselben losgelassen wieder zusammenfahren. Auch durch die Feuchtigkeit verlängern sich die Haare und verkürzen sich wieder beim Trocknen, weswegen man sich derselben zur Herstellung von Hygrometern (s.d.) bedient hat. Jedes Haar hat einen ölartigen [305] Überzug, welcher es auch nach dem Abtrennen vom Körper oder nach dem Tode noch sehr lange vor dem Verderben sichert. Man sagt sogar, daß an Leichen die Haare, sowie die Nägel, noch längere Zeit fortwachsen sollen. Was die Farbe des Haupthaars der Menschen betrifft, so findet man im Allgemeinen bei den in wärmern Gegenden wohnenden Menschen schwarzes, bei den in kalten Gegenden lebenden blondes Haar. Da das Haupthaar des Menschen eine der schönsten Zierden desselben ist, welches, im Fall es ausfällt, nur mangelhaft durch Perücken und Haartouren ersetzt werden kann, so ist es räthlich, auf die Pflege desselben sorgfältig Acht zu haben. Reinlichkeit ist die wichtigste Bedingung für das Gedeihen des Haars, und dieselbe wird vorzüglich durch häufiges Kämmen befördert. Häufiges, wol gar täglich wiederholtes Waschen des Kopfs mit Wasser ist nur dann anzurathen, wenn das Haar eher zu viel als zu wenig Fettigkeit hat. Leidet das Haar an Trockenheit, so kann man sich eines unschädlichen Öls oder einfacher Pomade bedienen, um es geschmeidiger zu machen. Der Haarwuchs wird durch häufiges Abschneiden befördert, und bei langen Haaren soll man alle 3–4 Wochen die Spitzen abschneiden, weil dann die Haare weiter wachsen, welche im entgegengesetzten Falle häufig sich spalten und nach einiger Zeit ausfallen. Frauen dürfen das Haupthaar nicht zu fest binden, sich keiner wollenen Bänder beim Binden bedienen, müssen das Haar vorm Schlafengehen auflösen u.s.w. Das Brennen der Haare ist stets nachtheilig und darf wenigstens nur selten und nicht mit zu heißem Eisen angewendet werden. Waschen mit Weinessig soll das Haar kraus machen und das Wachsthum desselben befördern. Fällt nach einer heftigen Krankheit das Haar stark aus, so kann man dem gänzlichen Verluste desselben dadurch vorbeugen, daß man das Haar glatt abschneidet und einige Zeit lang häufig abrasiren läßt. Ein bedeutendes Förderungsmittel des Haarwuchses ist auch, den Kopf so viel als möglich bloß zu tragen. Besonders muß man sich vor zu warmer Kopfbedeckung hüten. Der wenig zuverlässigen Mittel, das Ausfallen der Haare zu verhindern und an kahlgewordenen Stellen neue Haare zu erzeugen, sind sehr viele, namentlich haben verschiedene Haaröle große Anpreisung erfahren. Ist der Grund des Ausfallens der Haare allgemeine Körperschwäche, so wird schwerlich irgend ein örtlich angewendetes Mittel von Wirkung sein. Zu den unschädlichsten Mitteln gehört jeden Abend wiederholtes Waschen des Kopfs mit gut gehopftem Biere und Einreiben der Kopfhaut mit Rindsmark. Um allzu helle, namentlich rothe Haare, dunkel zu färben, hat man gleichfalls viele Mittel, welche jedoch zum Theil den Haaren, zum Theil auch der Gesundheit überhaupt nachtheilig sind. Ein wirksames Mittel ist, die Haupthaare täglich mit einem bleiernen Kamme zu kämmen, und um das Blei schneller auflöslich zu machen, kann man den Kamm mit Essig befeuchten.

Das Haar ist von jeher als eine große Zierde des Körpers betrachtet worden, und Völker, welche dem Haupthaar keine Achtung schenken, wie die Türken, die dasselbe kahl abschneiden, pflegen desto größere Sorgfalt auf die Erhaltung des Bartes zu verwenden. Bei den alten Hebräern galt »Kahlkopf« für ein arges Schimpfwort. Die alten Völker trugen sämmtlich das Haar lang, und langes Haar galt für das Zeichen eines freien Mannes, während man den Sklaven das Haar kurz abschnitt. Auch war das Haarabschneiden eine Strafe für Verbrecher. Die Griechen und Römer verschnitten das Haar später so weit, daß es durch seine Länge nicht unbequem war. Sie wendeten große Sorgfalt auf das Kräuseln des Haares und die Frauen trugen langes Haar in zierlichen Flechten und Locken. Auch falsches und gefärbtes Haar wurde bei diesen Völkern schon getragen, sie hatten Friseurs, und bei den Römern galt namentlich röthliches Haar für eine Schönheit. Sie ließen daher Haare von den blonden Deutschen kommen, und die reichen Römerinnen brachten Goldstaub in ihre Haare. Bei den Franken trugen vorzugsweise die zum kön. Geschlecht Gehörigen langes fliegendes Haar, später wurde diese Tracht ein Vorrecht aller Edeln. Die Frauen haben fast zu allen Zeiten und bei allen Völkern langes Haar getragen; die Männer mußten es aber häufig verkürzen, weil es ihnen beim Kriegsdienste beschwerlich fiel. Auch das Christenthum wurde eine Veranlassung, daß die langen Haare mehr und mehr abkamen, denn man erblickte in dem langen Haar ein Zeichen weltlicher Eitelkeit. Die Geistlichen schoren daher das Haar zum Theil ganz ab (s. Tonsur); auch wurde das Abscheren des Haupthaares ein Zeichen der Buße. Unter König Franz I. von Frankreich kam am franz. Hofe die Mode auf, kurzes Haar zu tragen, und als unter Ludwig XIII. die langen Haare wieder Mode wurden, setzte man Perücken (s.d.) auf, welche, bis zur höchsten Unnatur ausgebildet, nur darum in ganz Europa Aufnahme fanden und sich lange Zeit erhielten, weil sie bequemer waren als eigne lange Haare. Jetzt sind die Perücken, die Zöpfe und Haarbeutel abgekommen und man trägt das Haar wieder einfach, ähnlich wie die Griechen, nur daß es im Nacken, unserer modernen Kleidung entsprechend, kurz geschoren wird.

Die Haare werden vielfach angewendet. Aus den Menschenhaaren macht man allerlei zierliche Arbeiten, Ringe, Bänder u. dgl. und setzt sogar Gemälde aus denselben zusammen. Vorzüglich werden dieselben aber zur Herstellung von Perücken, Haartouren (zur Bedeckung einzelner kahlen Stellen, Glatzen, auf dem Kopfe), Locken, Flechten u. dgl. gebraucht. In neuerer Zeit hat man die Haare sehr geschickt aus Seide nachgemacht. Die Haare der Thiere, namentlich der Schweine, Pferde, Rinder, Kälber, Ziegen, Rehe, Hafen und Biber, werden vielfach verwendet: zu Bürsten, Polstern, Filz, Pinseln, Decken, Zeuchen, Haarfohlen, Violinbogen, Stricken u.s.w. Haardecken oder Haartuch bereitet man aus sehr verschiedenen Arten von Haaren, theils mit, theils ohne einen Zusatz von Wollen- oder Leinengarn oder Seide. Diese Stoffe sind demnach auch von sehr verschiedener Güte und dienen theils zu Teppichen, Möbelüberzügen, Regenmänteln, theils zu Pferdedecken, Preßtüchern in Ölstampfen u.s.w. Mehre strenge Mönchsorden haben härene Gewänder als Ordenskleidung.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 305-306.
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