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Stecknadeln

[718] Stecknadeln, 1) Stückchen Draht, gewöhnlich möglichst harter u. steifer Messingdraht, auf der einen Seite mit einer Spitze, auf der andern mit einem Knopfe versehen, um Kleidungsstücke u. dgl. damit zusammen- od. an einen andern Gegenstand anzustecken. Sie werden von den Nadlern meist fabrikmäßig u. gleichzeitig in großer Menge verfertigt. Bei Verfertigung der Nadeln wird der in Ringen von 7_–9 Zoll Durchmesser bezogene, also gekrümmte Draht auf einen kleinen Haspel (Giebe) gestreckt, abgewickelt u. von dem Drahtrichter auf dem Richtholze gerade gemacht (gerichtet); auf dem Richtholze, einem schmalen Bretchen, sind 6–7 Stifte. abwechselnd zur rechten u. linken Seite einer geraden Linie eingeschlagen, zwischen welchen der Draht hindurchgezogen wird. Die so erhaltenen längeren Drahtstücke werden mittelst einer Schrotschere in kleinere Stücke (Nadelschäfte) von der 2–4fachen Nadellänge geschnitten (zerschroten), u. zwar 100–200 auf einmal, so daß ein Arbeiter stündlich 30–50,000 Schäfte schneidet. Damit die Nadelschäfte, gleiche Länge bekommen, legt man sie beim Schneiden in den Schaftmodel, ein Bretchen mit einer Vertiefung, von der Schaftlänge. Die Nadelschäfte werden alsdann an beiden Enden gespitzt. Dies geschieht auf dem Spitzringe, einer eisernen Scheibe, welche auf der Stirn gestählt u. mit gröbern od. feinern Feilenhieben versehen ist, 5–6 Zoll Durchmesser hat u. in der Minute wenigstens 1200 Umdrehungen um ihre Achse (Spitzringspindel) macht. Ein Arbeiter spitzt 20–40 Schäfte zugleich, in einer Stunde 3–4000 Schäfte auf beiden Seiten. Nach dem Spitzen zerschneidet man in einer kürzern Abtheilung des Schaftmodels die Schäfte zu einzelnen Nadellängen. Das Spitzen ist der Gesundheit sehr nachtheilig, da viel Messingstaub eingeathmet wird; zum Schutz dagegen umgibt man den Spitzring mit einem Kasten u. setzt diesen durch einen Kanal mit dem Schornsteine in Verbindung, wobei die schnelle Umdrehung den Staub abführt. Die Nadelknöpfe werden aus etwas feinerem Drahte (Knopfdraht) gemacht, indem ein Arbeiter (Knopfspinner) den Knopfdraht um die Draht- od. Knopfspindel in einer Spirallinie windet; zu dieser Arbeit (dem Spinnen) dient das dem Spinnrade ähnliche Knopfrad, in dessen Spindel die Knopfspindel gesteckt u. schnell umgedreht wird; um den Knopfdraht auf die Knopfspindel zu leiten, gebraucht man das Knopfholz, einen hölzernen Stab, oben mit 2 Stiften od. Häkchen versehen, zwischen welchen der Draht hindurchläuft. In einer Stunde spinnt eine Person 36,000 Knöpfe. Der gesponnene Draht wird von der Spindel abgezogen u. von einem Arbeiter, dem Nadelknopfschneider, nach je 2 Umwindungen mit der Knopfschere, einer scharfen Drahtschere, in Stücken geschnitten, wovon jedes einen Nadelknopf gibt. Eine Person schneidet 20–40,000 Knöpfe in der Stunde. Die Vereinigung des Nadelknopfes mit dem Schafte heißt anköpfen od. anstampfen (stämpen) u. wird von dem Stämper an der Wippe verrichtet. Diese besteht aus einem tischhohen Klotze, auf welchem in dem Stöckel, einem eisernen Laufe, ein kleiner Amboß (die Unterstempe, Unterstempel) befindlich ist; genau über diesem ist der Oberstempel in einer 2–3 Pfund schweren, eisernen, senkrechten Stange, der Stempelstange, mit einer Schraube od. mit Keilen[718] befestigt. Über der in der Mitte mit einer 8–12 Pfund schweren Bleikugel beschwerten Stempelstange ist ein Hebel, die Wippe im engeren Sinne, in einer senkrechten hölzernen Säule (Wippensäule) befestigt; an dem einen Ende des Hebels ist mittelst einer kleinen Kette die Stempelstange angehängt; durch eine Schnure, an deren Ende ein eiserner Fußtritt, der Steigbügel, angehängt ist, kann der Arbeiter mit dem Fuße den Hebel u. den Oberstempel heben. Auf den Flächen der beiden gehärteten u. violett angelassenen Stempel ist eine kleine Grube von der Größe des halben Nadelknopfes u. eine Rinne von der Dicke eines halben Nadelschaftes eingegraben. Wenn nun der Arbeiter mit dem Nadelschafte einen Nadelkopf aufspießt, beide so in die Grube u. Rinne des Unterstempels legt, mit dem Oberstempel 3–7 Schläge darauf thut (aufstampft) u. bei jedem Schlage die Nadel wendet, so bekommt der Nadelknopf seine gehörige Gestalt u. sitzt ganz fest auf dem Schafte. Zu Nadeln verschiedener Größe müssen auch verschiedene Stempel genommen werden. Ein Arbeiter kann in einer Stunde 1000–1200 Nadeln anköpfen. In einigen Fabriken werden die Köpfe aus einer Legirung von Zinn, Blei u. Antimon aufgegossen, doch sitzen die aufgegossenen Knöpfe nicht so fest. Fertigt man die S. auf Maschinen, so wird der Kopf durch Stauchung des Schaftes erzeugt; solche Maschinen liefern 40–60 Stück in einer Minute; Maschinen zum Anstauchen der Köpfe, liefern 120–160 in einer Minute. Die fertigen Nadeln werden nun entweder in Weinsteinauflösung od. sehr verdünnter Schwefelsäure 1/2 Stunde gekocht, od. in einem Kübel od. dem um seine Achse drehbaren Scheuerfasse mit einer solchen Flüssigkeit eine Stunde lang in dem Fasse geschaukelt u. so blank gescheuert (gebeizt). Alsdann werden sie mit Sägespänen od. Kleien vermengt in einem leinenen Sacke, Scheuersacke, geschüttelt u. so getrocknet. Zuletzt werden die Nadeln weißgesotten od. auf nassem Wege verzinnt, indem man sie in einem messingenen od. verzinnten kupfernen Kessel mit Wasser übergießt, welchem man auf 80 Theile 1 Theil raffinirten Weinstein u. 3 Theile feingekörntes Zinn zusetzt, u. 11/2–2 Stunden kocht, darauf in reinem Wasser abspült u. trocknet; dabei löst der Weinstein das Zinn auf, welches sich an die Nadeln ansetzt. Wenn eiserne Nadeln verzinnt werden sollen, so werden sie erst rein abgebeizt u. verkupfert. Auch versilbert man S. (vgl. Versilbern); macht auch S. von Eisendraht (Trauernadeln), welche man blau anlaufen läßt od., damit sie nicht rosten, schwarz lackirt od. mit Leinöl schwarz brennt (geschwärzte S.). Man verfertigt S. von 1/2 – 8 Zoll Länge u. unterscheidet ihre Feinheit u. Größe im Handel nach Nummern, gibt ihnen darnach wohl auch besondere Namen, als: Kissen-, Aufsteck-, Stiefeletten-, Mittel- u. Kopfzeugnadeln; Demoiselles (Jungfernstecknadeln) sind ganz kleine S.; Insectennadeln, zum Aufstecken der Insecten in Sammlungen, sind 11/2 Zoll lang u. sehr dünn, mit sehr kleinen Köpfen; Bandnadeln, zum Zusammenstecken der seidenen Bänder, sind die kleinsten, noch nicht 1/2 Zoll lang, 700 Stück wiegen 1 Loth. Die besten S. kommen aus England u. Frankreich; in Deutschland liefert die beste Waare Karlsbad, dann Nürnberg, Iserlohn, Aachen, Burtscheid, Schwabach etc. Man verkauft die S. nach dem Gewicht (Gewichtnadeln) od. nach der Zahl (Briefnadeln); im letzteren Falle sind sie auf ein Stück Papier (Nadelbrief) aufgesteckt; das Papier wird zusammengefaltet in die Spalte einer elastischen hölzernen Klammer gesteckt, die Klammer in 2 Haken am Klammerbrete festgelegt u. die Nadeln von einer Frau od. einem Kinde aus freier Hand eingesteckt, 3600–4800 in einer Stunde; bisweilen wird das Papier vorher mit dem kammähnlichen Stechkamme, welcher 20–25 eiserne Spitzen hat, gelöchert. Schon bei Homer kommen den S. ähnliche Metallnadeln, aber meist größer vor, u. in allen Gräbern der Griechen u. Römer, so wie bes. der barbarischen Völker, werden dergleichen, von Kupfer, Erz, Eisen u. dgl. gefunden. Die eigentlichen S. von Messing u. mit Knöpfen scheinen um 1370 in Nürnberg erfunden zu sein; schon 1406 waren die Nadler in Augsburg zünftig. Andere setzen ihre Erfindung ins 16. Jahrh. u. berufen sich auf einen Befehl Heinrichs VIII., Königs von England, von 1543, der die Nadeln, welche er zu verfertigen erlaubte, anders verfertigt beschreibt. In Schweden wurden die S. erst 1649 bekannt. 2) (Bergw.), so v.w. Stecknägel.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 718-719.
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