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Lappische Religion

[125] Lappische Religion. Die Lappen verehrten zur Zeit, als sie noch Heiden waren, fünf Ordnungen Gottheiten (Jubmel) verschiedenen Ranges; die höheren Götter ersten Ranges, welche in der überhimmlischen Welt weilten; die zweiten Ranges, welche im Himmel, dem Bereiche der Sterne, der Sonnen- u. Mondbahnen wohnten; die Geister dritten Ranges, welche in der niederen Luft, der Erde nahe u. auch unter deren Decke im Innern der Gebirge lebten; die vierten Ranges, die Seelen der Verstorbenen, welche tiefer unter der Erde in der Todtenwelt sich aufhielten, u. endlich auch noch die unheilbringenden Geister fünften Ranges, in deren Gemeinschaft die Seelen der Frevler nach dem irdischen Tode kamen u. die in den tiefsten Tiefen der Erde hausend von ihrem Fürsten Perkel beherrscht wurden. Der Schöpfer der Dinge war Radien-Athzie, beim Schaffen stand ihm zur Seite Ruona-Neid (Jungfrau der Früchte) als die Fülle der belebenden Zeugungskeime in sich tragend, u. seinem Sohne Radien-Kiedde hatte er die ganze Fülle der Schöpfungsmacht gegeben, daß er nach seinem Auftrag die Dinge der Welt ordnete. Radien-Athzie war der oberste Gott, Beherrscher der Götter, Menschen u. aller Creaturen. Die zweite Hauptgottheit war Tiermes (Athzie Gadze, Torden, Horangalis), er führte den Hammer (Aijeke Wetschera) u. sein Bogen (Aijeke Dauge) war der Regenbogen; er galt als Gott, der bald Heil, bald Unheil brachte, indem er, zum Zorne gereizt, Bäume, Felsen, Vieh u. Menschen mit seinen Blitzen erschlug. Er hatte hinter den Hütten einen mit grünen Zweigen umsteckten Tisch, auf welchem sein Bild, ein roher Birkenklotz, stand. Diesem Heiligthum durfte kein mannbares Weib nahen. Ein anderer Hauptgott war Storjunkare, Beherrscher des Thierreichs, welcher gesegnete Jagd u. Fischerei gab, groß, schwarz, mit Vogelfüßen u. Flinte dargestellt; verehrt wurde er in unbearbeiteten Steinen, in denen man ein Menschen-, Vogel- od. ein anderes Thierbild fand. Baiwe war die Gottheit der Sonne, Allesbefruchterin, Mutter u. Schützerin der Thiere, bes. der Rennthiere, deren Gatte der Mond[125] war; auch ihr war ein Tisch hinter dem Hause geweiht. Begleiter der Sonne waren Allekes-Olmak, drei Festtagsgötter: Fied-Ailek, welchem der Freitag, Lava-Ailek, welchem der Sonnabend, u. Buorres- (Sodnobriwe-) Ailek, welchem der Sonntag geheiligt war. Wenn man diese Tage durch profane Arbeiten, z.B. Sonn-abend u. Freitag durch Holzfällen, entweihet hatte, so mußten diese Gottheiten durch Opfer versöhnt werden. Von den übrigen Göttern war Biag-Olmai der Sturmgott, Maderatja gab dem Wesen das Leben u. die Bewegung u. dessen Gemahlin Maderakka den Körper; Leib Olmak war Jagdgott, er wohnte auf den heiligen Bergen; die Saiwa-Olmak (Saiten) waren geistige Schutzmächte, welche den Menschen in seinem irdischen Leben zur Seite standen u. ihm Hülfe u. Beistand rücksichtlich des irdischen Wohlsein leisteten; sie wurden in heiligen Steinen verehrt. Von den menschlichen Seelen glaubten die Lappen, daß dieselben fortleben u. nach dem Tode ein höheres, gottähnliches Leben annehmen; aber sie mußten lange wandern, bis sie zu dem Lande des Lichtes kamen, u. wurden in verschiedenen Gestalten Hausgeister, z.B. als Rennthiere (Saiwa-Sarwa), als Vögel (Satwa-Lodde), als Fische (Saiwa-Guelle). Das Land der Seligen hieß Jabmeki-Aimo, es lag unter der Erde u. war in verschiedene Regionen getheilt; dahin kamen die, welche sich im Leben von grober Sünde frei erhalten hatten, u. dort war Alles in Fülle, was den Lebenden erfreut, Tabak wurde geraucht u. Branntwein getrunken; dort regierte die Todesmutter Jabme-Akka (Jabmek). Auch finstere Regionen, Zhiaeppes-Aimo, Rut-Aimo, Mubben-Aimo, wo der böse Geist Rutu od. Mubben regierte, waren dort. Heilige Orte, wo sie ihre Götter wohnend glaubten, waren Felsen, Höhlen, Bergspitzen (Passewarck), Seeinseln. Die Götterbilder hießen auch Jubmel, u. zwar die hölzernen Muora Jubmel u. die steinernen Kied Kie Jumel. Opfer brachte man bes. dem Tiermes, Storjunkare u. der Baiwe; welchem Gotte das Opfer gebracht werden sollte, wurde durch das Loos bestimmt. Dem Tiermes opferte man alte männliche Rennthiere, denen ein rother Faden durch das Ohr gezogen wurde, mit dem Blute wurde das Bild des Gottes bestrichen, dann demselben ein Stück Fleisch vorgesetzt; das übrige verzehrten die Opfernden; Geweihe, Knochen u. Hufe wurden an der Götterstätte aufgestellt. Dem Storjunkare opferte man außer Rennthieren auch Katzen, Hunde, Schafe, Hühner; der Beiwa weibliche Rennthiere, denen man einen weißen Faden durch das Ohr zog. Den Geistern wurden gewöhnlich Sühnopfer gebracht. Auch das Rennthier wurde bei der Begräbnißfeierlichkeit geopfert, welches den Leichnam gezogen hatte; diesem war ein schwarzer Faden durch das Ohr gezogen. Priester hatten die Lappen nicht, da meist die Hausväter den Cultus selbst besorgten, aber sehr ausgebreitet war die Wirksamkeit u. Geltung der Zauberern. Wahrsager (Noaiden), welche Kunde über entfernte Dinge gaben, den Ausgang von Geschäften erforschten, Kranke heilten etc. Dabei bedienten sie sich einer Trommel (Quobdas, Gobdas, Gobodes) aus Fichten- od. Birkenholz, auf deren Fell mit röthlichem Safte die Götter u. solche Gegenstände, über die man gewöhnlich fragte, gemalt waren, u. woran die Arpa, ein Büschel an Fäden reiheter Ringe, hing, welche beim Schlagen mid einem aus Rennthierhorn gefertigten Hammer auf der Trommel herumhüpften. Der Zauberer kniete u. schlug die Trommel Anfangs schwach, dann immer stärker, bis die Arpa auf einem Bild, das zum Wahrsagen tauglich war, liegen blieb. Wollte man ferne Dinge wissen, so wurde die Arpa auf das Bild der Sonne gelegt, der Zauberer sang mit heller Stimme ein Lied u. die Umstehenden sangen im Chor. Endlich fiel der Zauberer um, legte die Trommel auf seinen Rücken u. schlief. In diesem Schlafe ging sein Geist an den Ort der Seligen, um die Kunde zu erhalten u. beim Erwachen beantwortete er das Gefragte.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 125-126.
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