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Ehrenrechte

[414] Ehrenrechte, die durch den Vollgenuß der bürgerlichen Ehre bedingten Einzelbefugnisse, die der Mensch als Person und als Staatsbürger im öffentlichen Leben in Anspruch nehmen kann. Der Verlust dieser bürgerlichen E. tritt teils als Rechtswirkung der Verurteilung, teils als Nebenstrafe infolge eines ausdrücklich hierauf gerichteten Strafurteils ein. In ersterer Beziehung bestimmt § 31 des deutschen Strafgesetzbuchs, daß die Verurteilung zur Zuchthausstrafe die dauernde Unfähigkeit zum Dienst in dem deutschen Heer und in der kaiserlichen Marine sowie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter (mit Einschluß der Advokatur, Anwaltschaft, des Notariats, des Geschwornen- und Schöffendienstes) von Rechts wegen zur Folge hat. Bezüglich der Nebenstrafe ist nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch zwischen dem Verlust aller und dem einzelner E. zu unterscheiden. Die Aberkennung aller bürgerlichen E. muß ausgesprochen werden bei Meineid (§ 161), bei schwerer Kuppelei (§ 181) sowie bei gewerbs- und gewohnheitsmäßigem Wucher (§ 302 d); außerdem kann darauf erkannt werden neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe; neben der Gefängnisstrafe nur dann, wenn die Dauer der erkannten Strafe 3 Monate übersteigt und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen E. ausdrücklich zuläßt, oder die Gefängnisstrafe an Stelle der Zuchthausstrafe wegen Annahme mildernder Umstände ausgesprochen wird. Die Hauptfälle, in denen neben Gefängnisstrafe auch auf Aberkennung der E. erkannt werden kann, sind: Diebstahl, Unterschlagung, Hehlerei, Erpressung, Urkundenfälschung, Münzverfälschung, falsche Versicherung an Eides Statt, Blutschande, Kuppelei, widernatürliche Unzucht, öffentliche unzüchtige Handlungen, Leichenraub, Selbstverstümmelung zum Zweck des Untauglichmachens zum Militärdienst, Untreue (§ 266), gewerbsmäßiges unbefugtes Jagen, gewerbsmäßiges Glücksspiel, Fälschung öffentlicher Wahlen und Kauf und Verkauf von Wahlstimmen. Die Folgen der Aberkennung der E. sind: 1) die Unfähigkeit, während der im Urteil bestimmten Zeit die Landeskokarde zu tragen; in das Reichsheer oder in die Marine einzutreten; öffentliche Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden und andre politische Rechte auszuüben; Zeuge bei Aufnahme von Urkunden zu sein; Vormund, Gegenvormund, Pflegerbeistand der Mutter oder Mitglied eines Familienrats zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte absteigender Linie handle und die obervormundschaftliche Behörde oder der Familienrat die Genehmigung erteile; Unfähigkeit, Handlungslehrlinge oder Handwerkslehrlinge zu halten und anzuleiten. Die Zeitdauer des Verlustes, die von dem Tag an berechnet wird, an dem die betreffende Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens 2 und höchstens 10, bei Gefängnisstrafe mindestens 1 und höchstens 5 Jahre. 2) Dauernder Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurteilten hervorgegangenen Rechte und der dauernde Verlust der öffentlichen Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. Außerdem ist es dem Richter freigestellt, neben einer Gefängnisstrafe, mit der die Aberkennung aller bürgerlichen E. verbunden werden könnte, nur auf den Verlust einzelner bürgerlicher E., nämlich auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die[414] Dauer von einem bis zu 5 Jahren, zu erkennen, die zugleich den dauernden Verlust der bisher bekleideten Ämter von Rechts wegen zur Folge hat (vgl. Deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 31–37). In Österreich tritt nach dem Gesetz vom 15. Nov. 1867 der Verlust des Adels, der Orden, öffentlichen Titel, akademischen Grade, der öffentlichen Ämter, der Advokatur, des Notariats, der Parteienvertretung, der Mitgliedschaft bei Gemeindevertretungen und andern zur Besorgung öffentlicher Angelegenheiten berufenen Vertretungen etc. ein bei Verurteilung wegen eines Verbrechens oder wegen der Übertretungen aus Gewinnsucht (Diebstahl, Veruntreuung, Betrug) und Vergehens des Wuchers.

Besondere Ehrenstrafen gegen Personen des Soldatenstandes kennt das Militärstrafrecht. Nach § 30 ff. des deutschen Militärstrafgesetzbuches sind es die folgenden: 1) Entfernung aus dem Heer oder der Marine wegen Waffenunwürdigkeit (daher insbes. stets neben Zuchthaus zu erkennen); sie hat zur Folge den Verlust der Dienststelle und der damit verbundenen Auszeichnungen sowie aller durch den Militärdienst erworbenen Ansprüche, soweit dieselben durch Richterspruch aberkannt werden können (eine in der Handhabung sehr bestrittene Bestimmung), den dauernden Verlust der Orden und Ehrenzeichen sowie die Unfähigkeit zum Wiedereintritt in das Heer und die Marine. 2) Gegen Offiziere Dienstentlassung; sie tritt bei Handlungen ein, die im Interesse der dienstlichen Autorität und der Kameradschaftlichkeit das Verbleiben im Offizierstand unmöglich machen, und hat den Verlust der Dienststelle, aller darch den Dienst als Offizier erworbenen Ansprüche und des Rechts, die Offizieruniform zu tragen (nicht aber des Diensttitels), zur Folge. 3) Gegen Unteroffiziere und Gemeine Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes (Strafklasse) mit Verlust der Oreen und Ehrenzeichen, der Militärkokarde, der Versorgungsansprüche (bei Einjährig-Freiwilligen ihrer Vorrechte). 4) Gegen Unteroffiziere die Degradation; sie hat den Rücktritt in den Stand der Gemeinen und den Verlust aller durch den Dienst als Unteroffizier erworbenen Ansprüche zur Folge. Die Wiedergewährung der verlornen E. durch einen Akt der Gnade bezeichnet man als Rehabilitation (s. d.). Vgl. die Darstellungen des Strafrechts. – In einem andern Sinne spricht man von den Ehrenrechten besonderer Standespersonen, namentlich regierender Fürsten und andrer fürstlichen Personen, als denjenigen Rechten, die einen äußerlichen Ausdruck ihrer bevorzugten Stellung enthalten (Titel, Insignien, Kirchengebet, militärische Ehrenbezeigungen etc.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 414-415.
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