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Benzōl

[645] Benzōl (Benzin, Phenylwasserstoff) C6H6, ein flüssiger Kohlenwasserstoff, bildet sich bei hoher Temperatur aus Acetylen, bei Destillation von Benzoesäure mit überschüssigem Kalk, ganz allgemein bei Zersetzung organischer Substanzen in heller Rotglut, z. B. wenn man Dämpfe von Fetten, Weingeist, Benzoesäure durch glühende Röhren leitet, findet sich dem entsprechend im Leuchtgas und Steinkohlenteer (bis 2 Proz.) und wird aus letzterm abgeschieden, indem man die bei der Destillation des Teers zuerst übergehenden leichten, flüchtigen Öle mit Säuren, dann mit Natronlauge wäscht und in Apparaten, ähnlich denen der Spiritusfabrikation, abermals destilliert, wobei die bei verschiedener Temperatur siedenden Bestandteile des leichten Teeröls voneinander getrennt werden. In den Kokereien leitet man die Ofengase in den untern Teil großer Türme, in denen schweres Steinkohlenteeröl über Koks herabrieselt, das Öl nimmt das B. aus den Gasen auf und wird, wenn es damit gesättigt ist, der Destillation unterworfen. Das Rohbenzol (Steinkohlenbenzin) besteht wesentlich aus B. und Toluol, enthält aber auch Xylol, Cumol und Cymol. Da B. hauptsächlich zur Darstellung von Anilinfarben benutzt wird und bei deren Bildung das Verhältnis zwischen Anilin und Toluidin, die aus dem B. und Toluol hervorgehen, von größtem Belang ist, so werden außer reinem B. und Toluol Mischungen von bestimmter Zusammensetzung dargestellt. Zur Darstellung von reinem B. läßt man das zwischen 80 und 90° siedende Destillat in der Kälte erstarren, preßt das flüssig gebliebene Öl ab und wiederholt die Operation, bis das Produkt konstant bei 80° siedet. Reines B. ist farblos, dünnflüssig, vom spez. Gew. 0,899 bei 0° (0,885 bei 15°), riecht stark ätherisch (die Benzole des Handels riechen oft unangenehm teerartig, weil sie Thiophen enthalten, wovon sie durch Schütteln mit konzentrierter Schwefelsäure befreit werden können), es erstarrt bei 0°, schmilzt wieder bei 5,4° und siedet bei 80,4°, mit Wasserdämpfen ist es leicht flüchtig; es ist leicht entzündlich und brennt mit leuchtender, stark rußender Flamme. In Wasser ist es so gut wie unlöslich, mit absolutem Alkohol und Äther mischbar; es löst flüchtige und fette Öle, Kampfer, Kautschuk, Guttapercha, Alkaloide, Phosphor, Schwefel, Jod und Brom. Rauchende Salpetersäure verwandelt B. in Nitrobenzol C6H5NO2, das durch Reduktion in Amidobenzol (Anilin) C6H5NH2 übergeht. B. dient zur Darstellung von Nitrobenzol (künstlichem Bittermandelöl) und Anilin und unter dem Namen Benzin zu mancherlei andern Zwecken (vgl. Benzin). Es wirkt fäulnis- und gärungswidrig. Seine Dämpfe töten niedere Tiere und erzeugen beim Einatmen einen rauschartigen Zustand, denn Betäubung. Innerlich ist es weniger giftig, es wird zum Teil als phenylschwefelsaures Salz durch den Harn ausgeschieden. B. wurde 1825 von Faraday unter den Bestandteilen der trocknen Destillation der fetten Öle und 1834 von Mitscherlich bei Destillation der Benzoesäure mit Kalk entdeckt. Hofmann fand es 1845 im leichten Teeröl. Mansfield gab 1849 eine Methode zur vorteilhaften Gewinnung aus Steinkohlenteer an. Die größte Bedeutung gewann es durch die Entwickelung der Teerfarbenindustrie.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 645.
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