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Auge [1]

[104] Auge (Oculus; hierzu Tafel »Auge I u. II« mit Text), das Sehorgan der Tiere, in seiner einfachsten Form bei Einzelligen (Infusorien) ein Pigmentfleck von verschiedener Färbung (Augenfleck). Augenflecke, aus wenigen Zellen und einer Pigmentanhäufung bestehend, kommen auch bei niedern Mehrzelligen (Metazoen) noch vor; hier tritt dann ein Nerv (Sehnerv) an dieses primitive Sehorgan heran. Von einem Sehen im eigentlichen Sinne kann bei diesen Organen noch nicht die Rede sein, es handelt sich um bloße licht- oder wärmeempfindliche Organe. Durch geeignete Anordnung des Pigments tritt das Licht in bestimmter Richtung ein, wovon das Tier eine Empfindung erhält (sogen. Richtungsaugen, s. Tafel I: »Augen der Tiere«, Fig. 1). Man unterscheidet am A. lichtbrechende Teile, die das Licht an bestimmte Stellen leiten, und lichtempfindliche Zellen, welche die Lichtempfindung vermitteln. Diese tragen am freien Ende gewöhnlich seine Stäbchen (Sehstäbchen), die von dem Pigment frei bleiben, das im übrigen die Zelle umhüllt und für das Sehorgan ebenfalls sehr charakteristisch ist. Die Augen der höhern Tiere werden durch Augenlider bedeckt, außerdem treten hier Tränendrüsen hinzu. Vorn im A. liegt gewöhnlich ein zum Sammeln der Lichtstrahlen bestimmtes durchsichtiges Gebilde, die Linse (Fig. 3), doch kann sie auch fehlen, und dann stellt das A. eine bloße grubenförmige Einsenkung des äußern Körperepithels dar, wie bei manchen Muscheln und Schnecken (Fig. 2, a u. b). Seiner Entstehung nach entstammt das A. überhaupt dem äußern Blatt (Ektoderm). Die über das A. hinwegziehende äußere Lage, als deren Differenzierung die Linse erscheinen kann (Gliedertiere, Fig. 3), oder unter der die letztere liegt (Wirbeltiere), nennt man Hornhaut (Cornea). Zahl und Lage der Augen ist sehr verschieden, bei den meisten Tieren liegen sie am Kopf, doch finden sie sich auch an ganz andern Stellen, bei den Muscheln z. B. am Mantelrand, bei den Seesternen an der Spitze der Arme u. s. f. Bei Tieren, die in Höhlen oder unter der Erde leben, können die Augen zurückgebildet werden oder ganz fehlen (Maulwurf, Olm, Insekten, Krebse, Regenwurm u. a.). Von besonderm Interesse sind die Augen der Gliederfüßer, die man als einfache und zusammengesetzte Augen unterscheidet. Die erstern (Ocellen, Stemmata, Punkt-, Nebenaugen, Fig. 3) sind sehr einfach gebaut und dürften, wenn überhaupt, nur ein sehr unvollkommenes Bild entwerfen. Letzteres wird freilich auch für die zusammengesetzten Augen (Fig. 4) gelten, die meist sehr groß sind und sich aus einer Menge (bei der Libelle z. B. aus etwa 20,000) Einzelaugen (Fig. 4a) zusammensetzen. Die Zahl der letztern wird angegeben durch diejenige der an der Oberfläche sichtbaren Hornhautfacetten. Im Durchschnitt erscheint das zusammengesetzte A. fächerförmig gebaut (Fig. 4); unter den selbst stark lichtbrechenden Facetten liegen die Kristallkegel und darunter die Sehstäbe, an die der Sehnerv herantritt. Beim Sehen wirkt ein Komplex dieser Einzelaugen zusammen (musivisches Sehen), es entwirft nicht jedes für sich ein Bild, wie man früher glaubte.

Von besonderm Interesse sind die geteilten Augen, die ebenfalls als Facettenaugen bei Gliederfüßern (Krebsen und Insekten), aber auch bei andern Tieren (Fischen) vorkommen. Offenbar dem Bedürfnis entsprechend, in zwei Richtungen oder in zweierlei Medien zu sehen, sondert sich eine Partie des Auges ab und erscheint vom Hauptauge, das oben liegt, nach unten m gerichtet (so beim Taumelkäfer und bei den Eintagsfliegen, Fig. 5). Diesen nicht unähnliche Verhältnisse findet man bei einem südamerikanischen Zahnkarpfen (dem Vierauge, Anableps tetrophthalmus), und auch manche Tiefseefische zeigen eine, freilich mehr innere Sonderung der Augen in zwei Partien.

Beim A. der Wirbeltiere sind die Stäbchen nicht gegen das Licht, sondern von ihm abgewendet, was bei Wirbellosen nur als Ausnahme (bei einigen Gliederfüßern und Weichtieren) vorkommt. Zu erklären ist dieses Verhalten aus der Entwickelung des Auges, indem es nicht wie bei vielen Wirbellosen durch eine bloße (dem dauernden Zustande des Grubenauges ähnliche) Einsenkung des äußern Blattes entsteht, sondern vielmehr durch eine blasenförmige Ausstülpung des Gehirns gebildet wird, deren vordere Wand durch die als Wucherung vom äußern Blatt entstehende Linse eingestülpt wird. Die eingestülpte Wand der Augenblase liefert die Netzhaut, und ihre Innervierung erfolgt nun von vorn her, wodurch sich die Umkehrung der Stäbchen erklärt. Besondere Differenzierung der einzelnen Teile, wie auch der ganzen Form zeigt das A. in den verschiedenen Abteilungen der Wirbeltiere, so ist die Liuse bei den im Wasser lebenden Formen, besonders bei den Fischen, fast kugelrund und von hohem Brechungsindex. Eine eigenartige Vorrichtung für die Akkommodation beim Fernsehen besitzen die Fische in der Campanula Halleri, eines von hinten her an die Linse tretenden und sie bei der Kontraktion der Retina nähern den Musculus retractor lentis. Seiner Funktion sehr gut angepaßt ist das vorzüglich ausgestattete A. der Vögel. Der Augapfel erreicht hier im Verhältnis zum Kopf einen ganz bedeutenden Umfang, die Hornhaut ist durch einen Ring von Knochenplättchen geschützt wie bei Eidechsen und Schildkröten, die Hornhaut selbst ist stark gewölbt; der ganze Augapfel erscheint stark verlängert und verbreitert sich nach hinten (Fig. 6), in den Glaskörper tritt, ähnlich wie bei den Fischen, der sogen. Kamm (Pecten) ein, der aber hier mit der Akkommodation nichts zu tun hat. Der Glanz im A. vieler Wirbeltiere (Pferd, Rind, Katze etc., viele Fische) ist z. T. auf Bau und feinere Struktur der Hornhaut zurückzuführen, entsteht aber meist von einer das Licht zurückwerfenden, daher auch im Halbdunkel leuchtenden Stelle der Aderhaut (dem sogen. tapetum lucidum) im Hintergrunde des Auges. Über das A. des Menschen s. Text zu Tafel II; über das Vermögen und die Verrichtungen des Auges (das Sehen) s. Gesicht. Vgl. Leuckart, Organologie des Auges (in [104] Gräfe und Sämisch, »Handbuch der gesamten Augenheilkunde«, Bd. 2, Leipz. 1875); Carriere, Die Sehorgane der Tiere (Münch. 1885). – Über künstliche Augen s. S. 108.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 104-105.
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