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Richelieu [1]

Richelieu [1]

[705] Richelieu (Armand du Plessis, Herzog von), Cardinal, geb. 1585 in Paris, zog der ihm bestimmten militairischen Laufbahn das Studium der Theologie vor, und ward im 20. Jahre schon zum Bischof von Luçon gewählt.

Bei der 1614 in Paris gehaltenen Reichsständeversammlung, der letzten vor der franz. Revolution, gewann er als Vertreter der Geistlichkeit von Poitou die Gunst der Maria von Medici (s.d.), der Mutter und Vormünderin Ludwig XIII., die R. zu ihrem Almosenier ernannte. Durch ihren Günstling, den Marschall d'Ancre, bekam er 1616 auch die Stelle eines Staatssecretairs, trat jedoch nach der mit Ludwig XIII. Bewilligung erfolgten Ermordung des Marschalls zurück und begleitete die Königin nach Blois, von wo er sich aber nach Luçon und Avignon begeben mußte. Vergeblich hatte des Königs Günstling de Luynes den gewandten R. zurückzuhalten gesucht, der indeß seine Beziehungen zum Hofe wie zu Maria von Medici so gut zu erhalten verstand, daß durch ihn 1619 der Vergleich zu Stande kam, welcher scheinbar wenigstens das gute Vernehmen zwischen Mutter und Sohn herstellte. Dasselbe glückte ihm, als die Zwistigkeiten sich bald darauf erneuerten und bis zu offenen Feindseligkeiten steigerten, 1620 zum zweiten Male; seine persönliche Stellung zu beiden Parteien wußte R. fortwährend so günstig zu nehmen, daß er auf Betrieb der Königin-Mutter 1622 zum Cardinal ernannt und 1624, jedoch unter großen Beschränkungen, Mitglied des Staatsraths wurde. Allein in sehr kurzer Zeit wußte er seinen Einfluß so zu erweitern, daß er an die Spitze der Geschäfte gelangte und eigentlicher Regent des Staates wurde. Mit unerschütterlicher Beharrlichkeit fing er nun an, die Macht der Könige von Frankreich durch Beschränkung der Vorrechte der einheimischen Vasallen und Bekämpfung der Macht des habsburg. Hauses, an das sich Maria von Medici zu Frankreichs Nachtheil nur zu sehr angeschlossen hatte, in Spanien wie in Deutschland zu erweitern. Ebenso bot er Alles auf, um die Partei der Hugenotten (s. Cevennen) zu entwaffnen, indem die misvergnügten Großen häufig die bedrohte Religionsfreiheit zum Vorwand nahmen, um ihre ehrgeizigen Absichten mit Hülfe der Reformirten zu betreiben. R. selbst befehligte in der berühmten Belagerung von Larochelle, ihrem Hauptwaffenplatze, mit dessen Einnahme er 1629 seinen Zweck erreichte. Eine willkommene Gelegenheit war ihm der dreißigjährige Krieg, durch Unterstützung von Schweden die östr. Macht in Deutschland zu bekämpfen, während auch an Spanien der Krieg erklärt und die Thronbesteigung des Hauses Braganza in Portugal durch R. befördert wurde. Früher schon war er in Italien gegen die östr. Interessen aufgetreten und die Königin-Mutter, seine frühere Gönnerin, ward nun seine größte Feindin. Allein sie unterlag im Kampfe gegen den Minister und wurde sogar 1631 vom Hofe und nach Compiegne verwiesen, obgleich Ludwig XIII. stets einen gewissen Widerwillen gegen R. hegte und sich selbst seiner gern entledigt hätte, wenn er die ihm zusagenden Entwürfe desselben ohne ihren Urheber auszuführen sich getraut hätte. Ebenso triumphirte R. über alle offenen und geheimen Anschläge zu seinem Sturze und selbst wider sein Leben, und die entdeckten Urheber davon wurden mit rücksichtsloser Strenge gestraft und zum Theil hingerichtet, wie z.B. der Graf von Chalais und Henri II., Herzog von Montmorency (s.d.). Auch bewilligte der König R. zum Schutze wider ähnliche Lebensgefahren eine besondere Leibwache von 200 Musketirern und zwei Compagnien Reiter. Indessen rief der Haß gegen den Cardinal doch immer neue Angriffe auf ihn hervor und noch 1641 verband sich Cinqmars, Sohn des Marschalls d'Effiat, mit vornehmen Spaniern, wie man glaubt, unter Beistimmung Ludwig XIII. zu R.'s Sturze; allein der Entdeckung des Anschlags folgte auch diesmal die Hinrichtung des Anstifters. Bald nachher starb R. zu Paris, nachdem er noch Mazarin (s.d.) zu seinem Nachfolger im Ministerium vorgeschlagen hatte. Als Staatsmann hat R. die Macht der franz. Krone auf ihren [705] Gipfel bringen helfen, auch begünstigte er Wissenschaften und Künste, stiftete die franz. Akademie sowie den Pflanzengarten zu Paris und hat selbst mehre theologische und politische Schriften verfaßt. Als Mensch wird jedoch R.'s Charakter durch Stolz und Härte, unversöhnliche Rachsucht, grenzenlose Verstellung und eine Handlungsweise, welche häufig aller Moral zuwiderläuft, immer höchst verwerflich erscheinen. Seinen Palast, das jetzige Palais royal (s.d.), vermachte er noch bei Lebzeiten Ludwig XIII., um dessen Unwillen über die darin herrschende Verschwendung zu versöhnen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 705-706.
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