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Witz

[307] Witz, heißt theils die Fähigkeit scheinbar Unvergleichbares u. Fernliegendes in eine sinnreiche Beziehung zu einander zu setzen, theils der kurze u. knappe Ausdruck einer solchen Verknüpfung. Er ist gewissermaßen der umgekehrte Scharfsinn; denn indem dieser das scheinbar Gleiche sondert u. analysirt, verknüpft u. verbindet der W. das scheinbar Ungleichartigste; daß er etwas Treffendes u. Sinnreiches blitzartig zum Bewußtsein bringt, gibt ihm Verwandtschaft mit dem Verstande; aber die Unmittelbarkeit, mit welcher er das Entlegene u. Fremdartige zusammenbringt, könnte veranlassen ihn die Phantasie des Verstandes zu nennen. Er rechnet deshalb darauf, unmittelbar verstanden zu werden u. verständlich zu sein; ein W., welcher erst einer Erklärung bedarf, ist keiner u. für den trägen Dummkopf gibt es überhaupt keinen W. Eben so hört ein oft wiederholter (abgedroschener) W. auf witzig zu sein. Die wenigst geistreiche Art des W-s ist der Wortwitz, welcher die Ähnlichkeit des Klanges verschiedener Worte od. die verschiedenen Bedeutungen desselben Wortes ausbeutet; höher steht der Sach- u. Gedankenwitz. Der letztere ist nicht an die Wortsprache gebunden; er kann sich ebenso in bildlichen Darstellungen u. Handlungen äußern. Ein W., welchem das Treffende u. Sinnreiche fehlt, ist platt od. schaal (ein sogenannter schlechter W.). Ein Spaß, eine Schnurre, eine Posse ist deshalb noch nicht witzig. Ein W., welcher gegen die gute Sitte verstößt, ist roh; ein solcher, welchem. die Spitze fehlt u. welcher dennoch Andere verletzt, ist plump. Überhaupt kann der W. aus sehr verschiedenen Stimmungen hervorgehen u. sehr verschiedenartig wirken; er kann harmlos u. gutmüthig, od. boshaft u. beißend, heiter u. ausgelassen od. ernst u. melancholisch sein. Er kann selbst tiefsinnig werden, wenn er in seiner kurzen Form einen Gedanken enthält, welcher auf eine Reihe nicht auf der Oberfläche liegender Reflexionen zurückweist, wie z.B. Talleyrands Wort, als Napoleon I. auf der Höhe seiner Macht den Spanischen Krieg anfing: C'est le commencement de la fin. Ein Mensch, welcher nach W-en hascht, ohne wirklich witzig zu sein, heißt ein Witzbold od. Witzling; das letztere Wort hat zugleich die Nebenbedeutung eines Menschen, welcher über Gegenstände, welche für den W. zu ernst sind, durch W-e entscheiden zu können od. zu dürfen glaubt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 307.
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