[go: up one dir, main page]

Witz

[745] Witz. Man versteht unter Witz das Vermögen und die Fertigkeit, zwischen für die gewöhnliche Anschauungsweise einander fremden, ganz verschiedenartigen Gegenständen ungezwungene Ähnlichkeiten und Beziehungen aufzufinden und so darzustellen, daß Geist und Verstand dadurch überraschend und sinnreich angesprochen werden. Aber nicht blos diese Gabe und Fertigkeit, sondern auch was sie besonders in sprachlicher Darstellung hervorbringt, heißt Witz. Er bewegt sich auf ernstem und heiterm Gebiete, in Reden und Handlungen, und Wissenschaften und die Künste bieten ihm gleiche Gelegenheit, sich zu äußern, wie das gemeine Leben. Nach Form und Gegenstand seiner Äußerungen spricht man von Wortwitz, zu welchem auch das Wortspiel (s. Calembourg) gehört, der selten besondern Werth hat. Es geht damit meist auf Ähnlichkeit des Klangs und Vieldeutigkeit von Worten hinaus, wie in dem Sprüchworte: »Es steht gut, wenn ein armer Mann Conrad (d.i. mit Rath) heißt« oder in dem Reime an der auf Eins weisenden Uhr in der Tell's Kapelle: »Die Freiheit wird sein von langer Dauer, wenn allezeit Eins zeigt diese Uhr«, oder wenn L. Börne jagt' »Kanonen- und Flintenkugeln sind oft Fleckkugeln zum Reinigen dieser beschmuzten Welt.« Der Sachwitz steht höher, weil er Ähnlichkeiten der Gegenstände selbst auf sinnreiche Weise ausbeutet, wie in der Behauptung: Der Adel hält sich für einen Obelisken, dessen Spitze der Fürst und dessen Postament das Volk bildet. Je ungleichartigere Gegenstände der Witz vergleicht, um so lächerlicher nimmt er sich aus, wie etwa: Minister fallen wie Butterbrote, immer auf die gute Seite. Dergleichen Aussprüche heißt man ein Witzwort, wer sie aber zur Unzeit oder auf gesuchte, das Absichtliche zur Schau tragende Art vorbringt, wird ein Witzbold oder Witzling genannt. Äußert der Witz sich auf gemeine, verletzende, boshafte Weise, so wird er als grob und plump bezeichnet; vorzüglich erfreulich ist er dagegen, wo er gutmüthig und mit Wohlwollen auftritt und ohne ihn würde es weder komische noch humoristische Darstellungen geben. Zu den witzigsten Schriftstellern aller Zeiten gehören Aristophanes, Cervantes, Shakspeare, Sterne, Voltaire, Lichtenberg, Jean Paul, Hippel.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 745.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: