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Sitte

[147] Sitte, 1) in der allgemeinsten Bedeutung die für einen Kreis von Menschen geltenden Gewohnheiten u. Regeln in der Behandlung der Vorfälle des Lebens u. im Verkehr unter einander; 2) im engeren Sinne alles, was einen Gegensatz gegen die natürliche Rohheit bildet, welche auch ihre Sitten in der ersteren Bedeutung hat; Gesittung bezeichnet immer schon einen Grad der Bändigung der rohesten Begehrung, eine Verfeinerung der Genüsse u. eine Beziehung der Arbeiten auf beharrliche u. werthvolle Zwecke; 3) im engsten Sinne das Verhältniß, in welchem das Thun u. Lassen der Menschen zu moralischen Anforderungen steht; daher unter Sittlichkeit vorzugsweise die Angemessenheit des ersteren an die letzteren verstanden wird. Die S-n einer größeren od. kleineren Gruppe von Menschen, eines Stammes, eines Volkes, eines Zeitalters, wie sie sich in den Formen des Umganges u. des Verkehrs der Einzelnen, in ihren Arbeiten u. Vergnügungen, in dem Familienleben, in den Rechtsinstitutionen, den religiösen Gebräuchen, der Art der Theilnahme an dem öffentlichen Leben etc. zu erkennen geben, sind der Ausdruck ihrer jedesmaligen Culturstufe. Ihre Darstellung ist Gegenstand der Sittengeschichte, welche insofern die Fortschritte des geistigen Lebens, die Wissenschaften u. Künste auf die Sitten zurückwirken, zum großen Theil mit der Culturgeschichte zusammenfällt. Vgl. G. Klemm, Allgemeine Culturgeschichte der Menschheit, Lpz. 1843–52, 10 Bde.; W. Wachsmuth, Europäische Sittengeschichte, Lpz. 1831–33, 3 Bde.; Derselbe, Allgemeine Culturgeschichte, Lpz. 1850–52, 3 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 147.
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