[76] Wellen, auf einander folgende Erhebungen u. Senkungen des Wassers, bes. des Meeres, welche durch eine Art Oscillation (Wellenbewegung) u. einen ungleichen Druck auf die Oberfläche des Wassers, durch Winde, entstehen. Anfangs entstehen durch den Wind nur kleine kräuselnde Erhöhungen des Wassers; mit der zunehmenden Stärke des Windes wachsen dann auch die W. u. ihre Vergrößerung nimmt noch zu, wenn er lange in derselben Richtung weht. Der Wind trifft übrigens die Wasserfläche nicht senkrecht von oben her, sondern in einem sehr spitzen Winkel, u. so wird die Welle durch die Reibung der Luft nicht allein gehoben, sondern auch eine Strecke fortgeschoben. Dadurch bleibt die Vertiefung an der Windseite dem Eindruck des Windes länger ausgesetzt u. die Welle wächst noch höher, ehe die Schwere ihrer Wassertheilchen das Übergewicht gewinnt. Tritt nun der Augenblick des Übergewichts ein, so übt die von der beträchtlicheren Höhe herabstürzende Wassermasse einen desto größeren Druck aus u. macht, daß die an beiden Seiten emporgehobenen neuen Wellen eine desto größere Höhe erreichen. Durchkreuzen sich gar noch heftige Winde (wie so häufig geschieht) u. in ihrer Richtung[76] fortrollende Wellenzüge, so wachsen die W. zu Wogen; u. wird der anhaltende Wind zum Sturme, so thürmen sich die Wassermassen zu solcher Höhe, daß das Meer wie ein unabsehbares Gebirge von schäumenden Bergen u. strudelnden Abgründen erscheint u. ihr Gebrause meilenweit gehört wird. Eine einfache Welle, d.h. eine solche, welche nicht durch Aufthürmung mehrer entstanden ist, hat auf offener tiefer See, selbst bei starkem Sturme, keine größere Höhe als 6 Fuß; dazu das eben so tiefe Thal gerechnet, ergibt sich eine Höhe von 12 Fuß, welche ein Schiff auf- u. niedersteigen muß. Ist die See nicht tief, so drängt der Stoß des Sturmes bis auf den Grund u. treibt, von da zurückgeworfen, die Erhebung der W. beträchtlich höher; deshalb sind die schweren W. der nur sehr flachen Ostsee bis 10 Fuß hoch; im Mittelmeer ist die Wellenhöhe 8 Fuß, in der Nordsee steigen die W. nicht über 8 Fuß; im Stillen Ocean will Horner die Wellenhöhe bei einem starken Sturme zu 25, sogar zu 32 Fuß gefunden haben. Wenn daher von. 100 Fuß hohen W. die Rede ist, so sind das Übertreibungen. So lange der Boden u. die Ufer des Meeres keinen Einfluß üben, hängt die Höheder W. also lediglich vom Winde ab; ihre Länge liegt in der Richtung desselben, u. je heftiger der Stoß ist, in desto größerer Geschwindigkeit beschreiben die Wassertheilchen ihre Bahn. Verengt sich der Raum in der Richtung der fortschreitenden W., so werden diese kürzer u. schneller. In tiefer u. offener See sind die W. lang u. breit, die Oceane daher auch leichter zu befahren; in seichter u. vom Lande beengter See dagegen kurz u. schmal, u. da die hier viel schneller auf einander folgenden W. mit ihrer geringen Wassermasse schwere Schiffe nicht heben können, so prallen sie meist dagegen u. überfluthen deren Deck als Sturzsee. Auch nach der Tiefe hin wirkt die Wellenbewegung auf der Oberfläche, u. es ist außer Zweifel, daß das Wasser bis mehr als 80 Fuß tief in Bewegung gesetzt wird. Hebt sich der Meeresboden höher, als an der Stelle, wo die vorher erregten W. entstanden, so werden die W. über der Erhöhung sogleich größer; kommen die W. aber über eigentliche Untiefen, Bänke, Klippen, Risse, so steigen sie plötzlich, da ihnen der Spielraum fehlt, zu einer unverhältnißmäßigen Höhe u. stürzen dann mit Gekrache zusammen. Solche W. heißen Brecher. Dehnt sich eine Untiefe in einer beträchtlichen Länge aus, so werden die Brecher zu Wasserwänden (Barres). Die auf Untiefen gerathenen W. breiten sich aus, statt weiter zu gehen; die nachfolgenden holen sie ein u. schieben sich über sie hin, werden auch aufgehalten u. von den nachfolgenden eingeholt u. überfluthet. So thürmt sich bei der zehnten od. zwölften Welle eine lange Wassermauer bis zur Höhe von 30,50, oft sogar 80 Fuß auf, welche endlich, von ihrer eignen Masse niedergerissen, mit furchtbarem Getöse u. zermalmender Gewalt zusammenstürzt. Dann geht das Spiel von neuem an, bis Wind u. W. sich legen. Die größten Wasserwände kommen an der Küste von Senegambien u. Guinea vor, an manchen Punkten der Westküste von Amerika u. im Indischen Ocean. Eine der Wasserwand ähnliche Anhäufung u. Brechung ungestümer W., aber an den Küsten, ist die Brandung. Hohe, steile Felsenufer stoßen die anprallenden W. zurück, welche von den nachkommenden aufgenommen werden. So wächst die anprallende Wassermasse an Höhe u. Gewalt, bis sie mit donnerähnlichem Getöse wirbelnd u. schäumend zusammenstürzt u. Alles was in ihren Bereich kommt zerschmettert u. begräbt. Die rückwärts laufende Brandung (Surf) besteht aus mehren, mit in das Meer hinausrollenden Wogen, welche oft noch in großer Entfernung von der Küste dem Seefahrer gefährlich werden. Der Surf ist namentlich an der Küste Sumatra's sehr stark. Steigt das Ufer schräg an, so wird der vordere Fuß der herannahenden Welle durch die Reibung am Boden aufgehalten, während der hintere Theil in Bewegung bleibt u. sich den Strand hinaufwälzend den Gipfel erreicht; ehe das aufgerollte Wasser wieder ablaufen kann, wälzt sich schon die zweite Welle darüber hin, wird höher u. steigt noch weiter hinan, darauf die dritte, vierte etc., bis die ganze der Wasserwand gleiche Masse durch ihre Höhe zusammenstürzt u. als rückwärts rollende Woge od. Widersee den ans Land eilenden W. entgegenfluthet u. dazwischen gerathene Fahrzeuge kantert u. begräbt. Die heftigsten Brandungen finden sich zur Zeit der Springfluthen, namentlich im Indischen Ocean. Die Geschwindigkeit der W. ist bei großen größer als bei kleinen u. sie ist erfahrungsgemäß größer als die des Windes. Im Mittel wird sie zu 25 Seemeilen in einer Stunde angenommen. Viel bedeutender als die Höhe ist die Breite der W., nach Muncke in dem Verhältniß von 1: 421/2; mit der Größe der W. nimmt das Verhältniß der Breite zur Höhe ab. Läßt endlich der Wind nach, welcher auch von oben herab einen Druck auf die sich erhebenden Wassermassen ausübt, sobald sie eine gewisse Höhe erreicht haben, so heben sich die, nun ganz ihrer gewaltigen Schwingung allein überlassenen W. oft noch weit höher, als während des Sturmes, u. es finden außer den eigentlichen W. ausgedehnte Vertiefungen u. ihnen entsprechende Erhöhungen statt. Diese hohle See od. Deining, welche ein ganz unregelmäßiges, heftiges Schwanken erzeugt, ist oft den Schiffen sehr gefährlich. Auch bei völliger Windstille u. spiegelglatter Wasserfläche erhebt sich die Deining oft u. heißt dann hohle See im eigentlichsten Sinne, weil sich die steigenden Wassermassen aus der Tiefe emporheben u. einen hohlen Raum zurückzulassen scheinen u. bis zu einer Höhe anschwellen, wie sie nur der Sturm erregen kann. Irgendwo in der Nähe hat sich dann ein Sturm erhoben, welcher auch meist, wenn die Deining die höchste Höhe erreicht hat, anlangt. Zuweilen aber beruhigt sich die See auch wieder, ohne daß irgend ein Luftstrom anlangt; der Sturm hat sich dann entweder bald gelegt od. eine andere Richtung angenommen. Die Fläche des Oceans hat übrigens fast immer einige Deining; bei völliger Windstille indessen nur in meilenweiten, oft kaum wahrnehmbaren Wallungen. Die weitverbreitete Fortpflanzung der Wellenerregung mag wohl die Hauptursache dieser fortwährenden Wallungen sein, sicher aber tragen auch Ebbe u. Fluth, die Achsendrehung der Erde u. die Strömungen des Meeres mit dazu bei. Die merkwürdige Thatsache, daß die wallende See durch Hineingießen von Öl geebnet wird, war schon im Alterthum bekannt. In neuerer Zeit hat zuerst Franklin die Erscheinung näher untersucht u. gefunden, daß eine höchst unbedeutende Quantität Öl, auf unruhiges Wasser gegossen, sich mit unglaublicher Schnelligkeit in einer staunenerregenden Ausdehnung darüber hinbreitet u. die Oberfläche glättet; ein Theelöffel voll Öl bedeckte 12,500 [77] Quadratfuß Wasser u. die immer dünner werdende Ölschicht breitete sich mit solcher Schnelligkeit aus, daß sie alle Strohhalme, Späne, Blätter u. sonstige auf der Oberfläche umherschwimmende Körper nach allen Seiten vor sich herstieß u. den ganzen großen Raum völlig rein u. durchsichtig machte. Die Adhäsion des Öls zum Wasser wird von den Physikern Als die wirkende Ursache für die Verbreitung des Öls über die Wasserfläche angesehen; doch ist damit die Erscheinung des Glättens der W. durch Öl noch nicht erklärt. Vielleicht kann man die Ursache der Erscheinung eher darin finden, daß das Öl mit seiner glätteren Oberfläche das Anhaften des Windes hindert u. daß der Wind nun mehr niederdrückt u. besänftigt, als neu aufregt. Vgl. Weber, Wellenlehre, Lpz. 1825; Canchy, Mém. sur la théor. des ondes, Par. 1827; Maury, Physical Geography of the Sea, 6. Aufl., Phil. u. Wash. 1856 (deutsch von Böttger, Die physische Geographie des Meeres, Lpz. 1855).
Adelung-1793: Wellen (2) · Wellen (1)
Brockhaus-1911: Wellen · Elektrische Wellen
Lueger-1904: Wellen [2] · Wellen [1] · Gußeiserne Wellen
Meyers-1905: Magnetische Wellen · Stehende Wellen · Wellen ornament · Elektromagnetische Wellen · Ausstrahlung elektrischer Wellen · Beugung von Wellen · Elektrische Wellen
Pierer-1857: Wellen [2]
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