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Küste

[927] Küste, die Grenze des Landes u. Meeres. Man unterscheidet drei Arten von Küsten: a) Steilküsten, vom tiefen Meere aufsteigende Felswände, an denen das Meer verhältnißmäßig große Tiefe hat, gewöhnlich von Untiefen u. Klippen frei, meist mit vielen weit in das Land eindringenden Busen, mit sicheren Häfen; deshalb sind sie für die Schifffahrt am günstigsten. Dahin gehören in Europa nur kleine Küstentheile im südlichen u. westlichen England, Bretagne, Spanien, Griechenland, einem Theile von Italien; in Asien: Kleinasien, Syrien, Omam, Malabar, Malacca, das südliche China, die Mandschurei, Sundainseln; in Afrika das Cap; in Amerika: fast die ganze Westküste, die Ostküste Nordamerikas vom Lorenzstrom bis zum Cap Hatteras; in Australien: Neu-Südwales u. Vandiemensland. b) Klippenküsten, welche von Klippen umgeben sind: aa) Eigentliche Klippenküsten bestehen aus den Steilküsten vorgelagerten Felsenmassen (Klippen), welche entweder aus dem Meeresspiegel emporragen (gesunde Klippen), od. unter demselben zurückbleiben (blinde Klippen). Jene bilden nicht selten schöne Häfen, gewöhnlich mit engen u. beschwerlichen Zugängen, daher nur für kleine Fahrzeuge. Diese Küsten finden sich an Island, Dalmatien, bes. Nordschottland (wo die tiefen Buchten Firths), an der Skandinavischen Halbinsel (wo sie Fjords u. die Klippen selbst Skären [Scheeren] heißen), an Sibirien bis nach Kamtschatka, an Nordamerika nördlich von Obercalifornien u. nördlich vom Lorenzstrom. bb) Korallenklippen bestehen aus Felsen, welche durch die Thätigkeit der Korallenthiere entstanden sind, welche sie aufbauen u. beständig verändern. Sie begleiten steile u. flache Küsten, bilden oft langgestreckte Risse, die manchmal weit vom Lande entfernt, den Zugang entweder versperren od. sehr erschweren. Sie finden sich meist nur in der heißen Zone, so an den Inseln Oceaniens u. einem Theil der Antillen u. umgeben das Rothe Meer, Zanguebar, Madagascar, einen Theil Australiens u. die Syrten etc. Diese Küsten sind der Schifffahrt um so gefährlicher, als sie sich entweder gar nicht od. nur sehr wenig über das Meer erheben. c) Flachküsten, die mehr gleichförmige Fortsetzung der Landfläche unter dem Meeresniveau; daher hat das Meer eine geringe Tiefe, enthält oft Sandbänke; die K. selbst ist einförmig, bis auf die Flußmündungen fast ohne Einschnitte. Hierher gehören die südlichen, südwestlichen u. nördlichen Küsten von Frankreich, die von Holland, Norddeutschland, Dänemark etc., die von China, Koromandel, Persien, Arabien, der größte Theil Afrikas, die Ostküste der Vereinigten Staaten südlich vom Cap Hatteras, die K. von Guyana u. die Ostküsten Mexicos u. Patagoniens.

Der Theil der K., welcher je nach Ebbe u. Fluth trocken liegt od. mit Wasser bedeckt ist, heißt Strand; er ist mehr od. weniger breit; je breiter er ist, desto mehr sichert er das Land, desto gefährlicher ist er aber für die Schifffahrt; er ist mit gröberem od. feinerem Seesande od. Kies bedeckt. Die feinsten Körner des letzteren bilden den Flugsand, aus welchem Wasser u. Wind die Dünen, Sandhügel, welche das Ufer umgeben, bilden (Ostfriesland, Holland, Landes, ein Theil Italiens, Ägypten, Westküste der Sahara, größter Theil der südlichen Staaten von Nordamerika). Die Dünen schützen das Land gegen die Fluthen des Meeres; oft schreiten sie aber auch ins Innere vor u. bedecken die Culturlandschaften mit unfruchtbarem Sande (Landes, Ägypten, Westküste von Afrika, Ostküste von Florida). Wo Dünen fehlen, müssen Dämme (Deiche) errichtet werden. Wo beide fehlen od. durch die Fluthen zerstört sind, entstehen stagnirende Gewässer, die mit dem Meere gar nicht od. durch kleine Kanäle in Verbindung stehen, Sümpfe, Lagunen, welche oft früher blühende Culturlandschaften bedeckten (Ägypten, Syrien); dieselben bilden sich aber auch durch Anschwemmungen von Flüssen u. vom Meere (Venedig, Mexico). Durch[927] das Meer angeschwemmte Sand- u. Schlammmassen werden, wo sie tauglich sind, durch Deiche (Polders) geschützt u. in Marschen umgewandelt (Holland, Ostfriesland, China). Die Flachküsten sind für die Schifffahrt ungünstig u. haben meist gar keine natürlichen Häfen; sie erfordern die Anlegung u. Unterhaltung von künstlichen Häfen; diese befinden sich meist an Flußmündungen od. Durchbrüchen von Dünen u. bilden dann oft völlig sichere Häfen. Die Größe der Küstenlänge, d.h. der Linie, mit der ein Land ans Meer grenzt, ist, im Verhältnisse zum Flächeninhalte des Landes, namentlich eines Erdtheiles, wichtig für die Zugänglichkeit u. die Leichtigkeit der Culturentwickelung desselben. Auf dies Verhältniß hat zuerst A. von Humboldt aufmerksam gemacht. Es ist das Verhältniß der K. zum Areal in Europa 1 : 37, Asien 1 : 105, Afrika 1 : 152, Nordamerika 1 : 56, Südamerika 1 : 94, Australien 1 : 73, so daß also Europa das günstigste Verhältniß darbietet. Ähnliche Verhältnisse lassen sich auch für die einzelnen Glieder der Continente aufstellen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 927-928.
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