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Vogelschießen

[644] Vogelschießen, das Schießen nach einem hölzernen Vogel, zur Belustigung u. zur Übung im Schießen. Wenn dieses Schießen von einer privilegirten Schützengesellschaft (s.d.) angestellt wird, so heißt es ein solennes V. (Freischießen) u. ist eins der vorzüglichsten Volksvergnügen in Deutschland, bes. in Sachsen, Thüringen, Hessen, Franken, Böhmen, Schlesien. Der oft 8–10 Fuß hohe Vogel (wohl den deutschen Reichsadler vorstellend) hat ausgebreitete Flügel, in der einen Klaue ein Scepter, in der andern einen Reichsapfel, zwei Hälse, mit zwei od. drei Kronen u. einem Ring in jedem Schnabel versehen. Zwischen Flügeln u. Hals stecken ein od. zwei Fahnen in dem von vorzüglich zähem Holze gemachten Leibe od. Corps, welcher in einen Schwanz ausläuft. Der Anstrich ist bunt, einzelne Theile sind vergoldet od. versilbert. Dieser Vogel wird beim Schießen an der Vogelstange (s.d.), befestigt. Alle Schützen, aber auch andere Personen, nehmen Loose, d.h. bezahlen einen Einsatz, wofür sie das Recht bekommen nach einer durch das Loos bestimmten Reihenfolge nach dem Vogel zu schießen, od. für sich schießen zu lassen. Das für die Loose erhaltene Geld wird benutzt den beim V. nöthigen Aufwand zu bestreiten, auch werden davon Gewinne gemacht, welche auf die einzelnen Theile des Vogels gesetzt werden u. demjenigen zufallen, in dessen Namen dieser Theil des Vogels herabgeschossen wird. Der Hauptgewinn ist auf den Corps, u. zwar auf das zuletzt herabgeschossene Stück desselben gesetzt; der Schütze od. Gewinner desselben heißt Vogelkönig (König) u. genießt mancherlei Auszeichnungen, er trägt z.B. auf dem Schießplatze ein silbernes Schild, muß aber gewöhnlich den activen Schützen auch einen Schmaus geben. Außerdem werden auch noch Spangewinnc ausgesetzt, d.h. Gewinne für solche herabgeschossene Stücke des Vogels, welche etwas Farbe haben. Meist bekommt auch der, welcher unmittelbar vor od. nach dem Fall eines größeren Stückes des Vogels geschossen hat u. schießt, eine Prämie. Solenne V. werben mit Stand- od. Bürschbüchsen auf der Vogelwiese (Anger, niederdeutsch Masch) angestellt. Beim Beginnen des V-s zieht die Schützengesellschaft in militärischer Ordnung mit Musik u. unter Böllerschüssen auf die Vogelwiese, beobachtet während des V-s militärische Gebräuche u. zieht nach Beendigung des V-s wieder auf ähnliche Weise von dem Schießplatze in die Stadt zurück. Um V. zu einem Volksfest zu machen, werden Concert- u. Tanzmusik u. öffentliche Mahlzeiten dabei angestellt, Kletterstangen errichtet, Sackhüpfen veranstaltet, Luftballons steigen gelassen, Feuerwerke abgebrannt u. allerhand Schaustellungen gestattet. Zu diesem Behufe sind Schieß- od. Schützenhäuser auf dem Schießplatze erbaut; während der Dauer des V-s werden Zelte od. Buden auf dem Platze erbaut, in welchen allerlei Speisen u. Getränke, Galanterie-, Glas-, Porzellan- u. and. dgl. Waaren verkauft, verloost u. ausgewürfelt werden. Solenne V. dauern meist eine Woche, u. es werden dann mit dem V. noch Stern- u. Scheibenschießen verbunden. Bei V., welche Privatgesellschaften anstellen, schießt man nach dem Vogel auch mit Bürschbüchsen, gewöhnlich aber mit Rüstungen u. wenn Damen Theil nehmen, mit Stoßvögeln (s.d. 2). Statt der Vögel dienen auch andere Dinge als Gegenstände des Schießens, daher Mannschießen, wo ein Mann statt des Vogels aufgesteckt ist, Thierschießen, wo ein Thier, meist ein Hirsch, abgeschossen wird, od. auch die Gewinne eines abgeschossenen Sterns in Thieren, Gänsen, Enten, Rehen u. dgl. bestehen etc. Vgl. Sternschießen, Scheibenschießen u. Schützengesellschaft.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 644.
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