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Polychromie

[314] Polychromie (v. gr., d. i. Vielfarbigkeit), Anwendung mehrfarbigen Schmuckes (im Gegensatz des einfarbigen, Monochromie) durch Farbenauftrag auf bestimmt begrenzte Flächen, ohne Brechung der Farben nach Licht- u. Schattentönen, somit bloßes Bemalen mit verschiedenen Farben. In der Baukunst zeigt sich die P. als das bunte Bemalen von architektonischen Gliederungen u. Ornamenten, ja sogar als bloßes Aufmalen derselben auf glatte Flächen; in der Bildhauerei als das bunte Bemalen der einzelnen Theile der Figuren, der Gewänder, Waffen, Körpertheile etc.; in der Malerei als das einfache Ausfüllen gezeichneter Umrisse mit verschiedenen Farben (Illuminiren). Die P. findet sich zuerst bei allen Völkern auf einer niederen Stufe der Bildung als ein Ersatzmittel unentwickelter Kunst, das in mangelhafter Form unvollkommen ausgedrückte Leben zu ersetzen; so bei den unformlichen[314] indischen u. ägyptischen, auch den mexicanischen Bauten u. Bildwerken; so im Mittelalter zur Zeit der noch nicht vollständig entwickelten christlichen Kunst, so überhaupt bei Menschen von nicht seiner Sinnenausbildung, z.B. den Landleuten fast aller Orten u. Zeiten. Die P. kommt aber auch bei hochgebildeten Völkern u. in Zeiten beträchtlicher Kunsthöhe, wie in Sicilien u. Griechenland, an den Werken dorischer Architektur u. an Sculpturen aus der Zeit des Phidias vor, ein Umstand, welcher auch neuere Künstler bewogen hat, sie sowohl bei ihren Werken als bei Restaurationen von älteren wieder einzuführen, so ganz od. theilweise im Dom zu St. Denis bei Paris, im Kölner Dom, im Theater zu München, in der Walhalla bei Regensburg, der Kirche S. Vincent de Paul in Paris u. anderen hervorragenden Gebäuden. Hierbei scheinen mehre Umstände nicht hinlänglich beachtet zu sein. Zuerst zeigt die Geschichte im Fortschreiten der Völkerbildung ein allmäliges Umbilden u. gänzliches Verschwinden der P., so daß schon bei ionischen Bauten wenig, bei korinthischen gar keine Farbe mehr angewendet wird, desgleichen wohl noch, obschon in zarter Mäßigung, bei Sculpturen des Phidias, doch nicht mehr bei solchen des Praxiteles; ferner daß die P. in Architektur u. Sculptur nur besteht mit der P. in der Malerei, daß sie aber, wo sie hier aufhört u. durch ein eigentliches System der Malerei nach den Gesetzen der Farbenbrechung u. Harmonie ersetzt wird, auch aus Sculptur u. Architektur verschwindet, u. zwar ebensowohl im Alterthum, als wieder im Mittelalter, wo sie indeß nur in Deutschland eine Zufluchtsstätte in der Bildschnitzerei gefunden, welche sich derselben fast ununterbrochen bis jetzt bedient hat. Endlich hat man die verschiedenartige Bedeutung der Gebäude, die Abstufung vom Heitern zum Erhabenen übersehen u. für eine christliche Kirche od. ein großes Nationaldenkmal dieselbe Buntheit angewendet, wie bei einem Cirque Olympique od. einem Tanz- u. Gesellschaftssaal. Von den neueren Architekten hat keiner mit so viel Geschmack u. Gründlichkeit der Studien sie bei seinen Werken angewendet, als Hittorf in Paris. Vgl. Hittorf, De l'architecture polychrome chez le Grecs (im 2. Bande der Annali dell' Instituto di corrispondenza archeologica), Rom 1830; Semper, Über bemalte Architektur u. Plastik der Alten, Altona 1834; G. Hermann, De veterum Graecorum pictura parietum, Lpz. 1834; Kugler, Über die P. der griechischen Architektur u. Sculptur, Berl. 1835; Letronne, Lettres sur l'emploi du peinture historique murale dans la décoration des temples, Par. 1835; John, Die Malerei der Alten, Berl. 1836; Wiegmann, Die Malerei der Alten, Hannov. 1836; Raoul-Rochette, Peintures antiques inédites, Par. 1836; Derselbe, Lettres archéologiques sur la peinture des Grecs, ebd. 1840; Knirim, Über die Harzmalerei der Alten, Lpz 1839; Derselbe, Die endlich entdeckte wahre Malertechnik des klassischen Alterthums u. des Mittelalters, ebd. 1845.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 314-315.
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