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Dictātor

[121] Dictātor (röm. Ant.), 1) D. latīnus, der Vorstand des Latinischen Bundes nach der Zerstörung von Alba Longa, dessen König vorher die Bundesangelegenheiten geleitet hatte; ungewiß ist, ob der D. von Alba Longa immer das Bundeshaupt war, od. ob er mit den D-en der anderen Bundesstaaten wechselte. Zu seinem Amte gehörte die Leitung der Bundesversammlung, die Anordnung der Feriae latinae. die oberpriesterlichen Handlungen etc.; 2) in Rom zur Zeit der Republik ein auf Zeit gewählter Magistratus ext raordinarius, welcher, ähnlich den frühern Königen, die volle, ungetheilte, fast unabhängige Staatsgewaltin seinen Händen vereinigte. Ursprünglich Magisterpopuli geheißen, wurde dieser Magistratus nach dem unter diesem Namen anderwärts in Italien mit gleicher Macht bestehenden (s. Dictator 1) u. 3), auch in Rom D. genannt. D-en wurden in außerordentlichen Fällen ernannt, so wenn die Consuln einer dem Staate von Außen od. Innen drohenden großen Gefahr nicht gewachsen schienen. od. in der Wahl der dagegen zu ergreifenden Mittel nicht einig werden konnten, od. wenn ihnen das Volk mißtraute. Dem D. zur Seite stand der Magister equitum (s.d.), welcher die Reiterei commandirte, während der D. an der Spitze der Legionen stand. Schon 9 Jahre nach Vertreibung der Könige, im Jahre 501 v. Chr., wurde T. Lartius als erster D. ernannt, da die Latiner u. Tarquinier Rom mit einem schweren Kriege bedrohten u. die Consuln in dem Verdachte standen, der Partei der vertriebenen Tarquinier anzugehören; nach And., weil die durch Schuldenlast gedrückte Plebs schwierig geworden war u. den Kriegsdienst verweigert hatte. Der zu Wählende mußte nach der Lex de dictatore creando ein Consularis (s.d.) sein, wiewohl in der Folge zuweilen von dieser Regel abgegangen u. Männer zu D-en ernannt wurden, welche vorher nicht Consuln gewesen waren. Anfangs war deshalb die Führung der Dictatur auch nur auf Patricier beschränkt, später konnten auch Plebejer dazu gelangen, u. als erster plebejischer D. kommt 356 v. Chr. C. Martius Rutilus vor. Die Ernennung (Dictio) der D-en geschah, mit Ausschluß jeder Betheiligung des Volkes, durch einen der Consuln nach vorausgegangenem Senatsbeschluß, u. wenn in einzelnen Fällen die Consuln gehindert waren u. die Ernennung durch das Volk geschehen mußte, so hieß dieser so Ernannte nur Prodictator. Erst gegen das Ende der Republik banden sich die Machthaber, wie Sulla u. Cäsar, nicht mehr an diese Ordnung u. ließen sich auch von anderen Magistraten u. Personen ernennen. Im Ordnungswege konnte der Senat die Initiative zur Ernennung eines D-s ergreifen, u. die Consuln mußten dann einen D. ernennen; auch konnte der Senat einen bestimmten Mann, welchen er als D. wünschte, bezeichnen, doch waren zu dessen Ernennung die Consuln nicht genöthigt, sondern hatten in dieser Beziehung freie Hand. Die Ernennung geschah in Rom, u. wenn die Consuln abwesend waren, so mußte einer derselben nach der Stadt kommen, od. wenn dies unthunlich war, so wurde der Senatsbesehluß in das Lager geschickt. Welcher von beiden Consuln den D. zu ernennen hatte, ist ungewiß, vielleicht der, bei welchem gerade die Fasces waren. Die Formalität bei der Ernennung war, daß der Consul sich zwischen Mitternacht u. Morgen erhob u. (wahrscheinlich ohne Zeugen) unter Beobachtung der Auspicien die Diction vornahm. Die Macht (Imperium) wurde dem D. auf höchstens 6 Monate übertragen, doch abdicirten die D-en gewöhnlich sogleich nach Beendigung des Geschäftes, zu dessen Ausführung sie gewählt waren. Nur Sullas u. Cäsars Dictaturen, die überhaupt ungesetzlich waren, machten von dieser Regel Ausnahmen. Sogleich nach der Ernennung des D-s trat gewissermaßen eine Suspension der anderen Magistrate ein, ausgenommen die Volkstribunen; doch hörten die Functionen der Magistrate nicht auf, sondern z.B. die Consuln waren nur nicht mehr so selbständig in Ausübung ihres Amtes u. der höheren Macht des D-s untergeordnet. Der Vorzug der Gewalt des D-s vor den Consuln, als der höchsten im Staat, bestand wesentlich darin, daß er seine Gewalt mit keinem Collegen theilte, größere Unabhängigkeit vom Senate u. die ausgedehnteste Strafgewalt ohne Provocation besaß u. unverantwortlich für seine Handlungen war. Die einzige Beschränkung war, daß er nicht nach Bedürfniß über den Staatsschatz verfügen konnte. Die Auszeichnungen des D-s waren: bei seinem öffentlichen Erscheinen gingen ihm 24 Lictoren voran, er trug die Toga praetexta u. saß auf der Sella curulis. Außer dem eigentlichen Zwecke, einer ernsten Angelegenheit des Staates die ungetheilte, volle Gewalt entgegenzusetzen (D. rei gerundae causa), kam die Ernennung eines D-s, bei der Abwesenheit der Consuln, auch noch für andere weniger wichtige Sachen vor; so zur Abhaltung der Comitien, zur Einschlagung des Clavus annalis auf dem Capitolium, in Pestzeiten od. bei anderen inneren Nöthen, zur Anstellung öffentlicher Spiele, zur Anordnung der Feiertage, zur Senatswahl u. dgl. Die eigentlichen, für einen gefährlichen Krieg ernannten D-en kommen nur so lange in der römischen Geschichte vor, als die Römer Kriege in Italien führten; blos im ersten Punischen Kriege wurde 249 v. Chr. einer für die auswärtige Kriegführung u. im Jahre 217 v. Chr. der letzte für einen Krieg überhaupt ernannt; auch für andere Geschäfte hörte seit 202 v. Chr. die Dictatur ganz auf. Erst 82 v. Chr. ließ sich Sulla wieder zum D. ernennen, aber die Art der Ernennung (es geschah durch einen Interrex), die Dauer des Amtes (er war es auf Lebenszeit, D. perpetŭus), die Ausdehnung u. Handhabung seiner Macht waren so wenig nach der alten Regel, daß bei ihm der Name der Dictatur nur eine Hülle für die Tyrannei war. Auch Cäsar nahm die Dictatur im Jahre 46 v. Chr. auf 10 Jahre, ein Jahr darauf für immer vom [121] Senate an, machte aber von der Gewalt einen edleren Gebrauch. Nach seiner Ermordung wurde die Dictatur gesetzlich für immer abgeschafft, u. selbst Augustus nahm sie nicht an. 3) (Municipaldictator), in mehreren Städten Latiums, nach Abschaffung der königlichen Gewalt, das eine durch Wahl an die Spitze der Geschäfte gestellte Staatsoberhaupt, während in anderen zwei (Duumviri) die Macht theilten, wie in Rom. Solche D-en hatten Lanuvium, Aricia, Cäre, Nomentum u. Fidenä.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 121-122.
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