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Wismar

[692] Wismar, die zweite See- und Handelsstadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, an der Südspitze einer durch die Insel Poel geschützten Bucht der Ostsee, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Ludwigslust-W. und W.-Rostock, hat 4 evang. Kirchen: die Marienkirche im gotischen Stil mit 80 m hohem Turm aus dem 14. Jahrh., die Georgenkirche aus dem 14. und 15. Jahrh., die Nikolaikirche aus dem 15. Jahrh., mit alten Wandmalereien, alle drei neuerdings restauriert, und die Heilige Geistkirche.

Wappen von Wismar.
Wappen von Wismar.

Sonst sind bemerkenswert: das Rathaus mit gotischem Kellergewölbe, die »alte Schule«, ein zierlicher, gotischer Bau aus dem 14. Jahrh., jetzt Altertumsmuseum, das große Wassertor aus dem 15. Jahrh., der Fürstenhof, ein Backsteinbau im Stil der italienischen Frührenaissance aus der Mitte des 16. Jahrh., neuerdings restauriert, früher Residenz der Herzoge, später schwedisches Tribunal, jetzt Amtsgericht etc. Die Zahl der Einwohner beträgt (1905) mit der Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 90) 21,902, davon 400 Katholiken und 32 Juden. W. hat eine Waggonfabrik, Eisengießerei, Maschinenbau. Hobelwerke, Papier-, Düten-, Zucker-, Malz-, Essig-, Ofen-, Dachpappen-, Asphalt-, Zement-, Draht waren-, Tau-, Holzschuh-, Leisten- und Zichorienfabrikation, Roßhaarspinnerei, ein Elektrizitätswerk, Spiritusbrennerei, Bierbrauerei, Fischräucherei etc. Der Handel, vorzugsweise Seehandel, unterstützt durch eine Reichsbanknebenstelle, ist wichtig in Holz, Steinkohlen, Getreide, Wein, Seegras, Kalksteinen, Granit, Papier, Zucker etc. Die dortige Reederei zählte 1906: 22 Seeschiffe zu 15,403 Reg.-Ton. Raumgehalt. Im Hafen kamen an in demselben Jahre 809 beladene Schiffe mit 121,243 Reg.-Ton.; es gingen ab: 543 Schiffe mit 39,483 Reg.-Ton. Raumgehalt. W. hat eine besondere Flagge, eigne Gesetzgebung und freie Stadtverwaltung; es ist Sitz eines Amtsgerichts, eines Domanialamts, eines Hauptzollamts, eines Strand- und eines Seemannsamts und hat ein Gymnasium mit Realschule, eine Gewerbeschule, ein Theater etc. 5 km nordwestlich das Seebad Wendorf. – W. erhielt 1229 das schwerinische, 1266 das lübische Stadtrecht. kam 1301 an Mecklenburg, trat im 13. Jahrh. dem Hansabund bei, geriet aber seit dem 16. Jahrh. in Verfall. Im Westfälischen Frieden 1648 kam die Stadt zugleich mit der die Domanialämter Neukloster und Poel umfassenden Herrschaft W. an Schweden. 1675 ward die stark befestigte Stadt durch die Dänen belagert und durch Kapitulation erobert, jedoch 1678 wieder herausgegeben. 1712 wiederum von Dänen, 1716 aber von Dänen, Preußen und Hannoveranern[692] belagert, verlor W. die Festungswerke. 1803 wurde die ganze Herrschaft W. von Schweden an Mecklenburg-Schwerin für 1,258,000 Tlr. verpfändet und 1897 unter die Landstände aufgenommen. 1903 verzichtete Schweden auch formell auf sein Recht, das Pfand W. wieder einzulösen. Vgl. Schrödern, Beschreibung der Stadt und Herrschaft W. (2. Aufl., Wism. 1860); Hermes, W., ein Stadtbild von der Ostsee (das. 1898); Schildt, Geschichte der Stadt W. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts (Rostock 1871); Witte, W. unter dem Pfandverträge 1803–1903 (Wism. 1903); Crull, Die Ratslinie der Stadt W. (Halle 1875); Techen, Die Bürgersprachen der Stadt W. (Leipz. 1906); Willgeroth, Bilder aus Wismars Vergangenheit (Wism. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 692-693.
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