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Samaritāner

[511] Samaritāner (von Luther »Samariter«, in der rabbinischen Literatur nach ihrer Heimatprovinz Kutha »Kuthim, Kuthäer« genannt), die Bewohner der Landschaft Samaritis oder Samarias. Sie entstanden aus der Vermischung der bei der Eroberung des Reiches Israel (722 v. Chr.) im Lande zurückgelassenen Israeliten mit den heidnischen Kolonisten, die von dem Assyrerkönig Sargon und später von Assarhaddon in Palästina angesiedelt wurden. Sie nahmen die israelitische Religion an und assimilierten sich mit der eingesessenen Bevölkerung. Von Eifer für den Kultus in Jerusalem erfüllt, wollten sie nach der Rückkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil (536 v. Chr.) am Wiederaufbau des Tempels teilnehmen, wurden aber, da man eine Schädigung der im Exil geläuterten Religion befürchtete, zurückgewiesen, wodurch sie erbitterte Feinde der Juden wurden. Sie suchten den Wiederaufbau des Tempels durch Denunziation bei der persischen Regierung zu verhindern, erreichten aber ihren Zweck nicht. Um 466 v. Chr. erwirkten sie von Artaxerxes I. die Erlaubnis, die kaum errichteten Mauern Jerusalems zu demolieren. Später übernahmen sie den Pentateuch als heiliges Gesetzbuch und bauten sich einen Tempel auf dem Berge Garizim bei Sichem. Die S. teilten nach Alexanders d. Gr. Tode das Schicksal der übrigen Bewohner Palästinas; doch wußten sie die Mißhandlungen, die Antiochos Epiphanes an den Juden verübte, dadurch von sich abzuwenden, daß sie ihre Tempel zum Schein dem Zeus Xenios weihten. 128 v. Chr. eroberte der jüdische Fürst Johann Hyrkanos Samarien und zerstörte den Tempel der S., die nach politischem Druck unter jüdischer Herrschaft von Pompejus befreit wurden. Später ward das Land dem Königreich des Herodes einverleibt. Zur Zeit Christi standen sie unter römischen Prokuratoren. Daß Jesus den Haß gegen sie nicht teilte, beweist sein Gleichnis vom »barmherzigen Samariter« (Luk. 10, 30 ff.). Mit den Juden nahmen sie am Aufstande gegen die Römer teil. Sie verschanzten sich auf dem Berge Garizim, mußten sich aber den Römern ergeben. 11,600 wurden 67 von dem Legaten Cerealis niedergemetzelt. Im Mittelalter lebten zahlreiche S. in Ägypten, Damaskus, Cäsarea, Askalon, Gaza u.a. Sie hatten eigne Synagogen, die 529 Justinian ihnen nahm. Dann gehen viele S. zum Christentum über, so daß sie bis auf eine kleine, noch heute in Nabulus (s. d.), dem frühern Sichem, lebende Gemeinde von 491 Personen (201 männliche und 290 weibliche Seelen, nach Angabe ihres Oberpriesters aus dem Jahre 1905) zusammengeschmolzen sind. Die kleine Gemeinde besitzt eine Synagoge, worin eine alte Pentateuchrolle in althebräischen, sogen. samaritanischen Schriftcharakteren[511] (s. die »Schrifttafeln«, S. IV) sich befindet und ein sogen. Hoherpriester, angeblich von Aaron abstammend, fungiert. Der Samaritanismus, aus grobem Heidentum nach und nach monotheistisch geworden, hielt streng auf die Ausübung pentateuchischer Satzungen, besonders der Sabbatfeier und der Beschneidung, näherte sich in vielen Dogmen (Schöpfung aus Nichts, Dämonen- und Auferstehungslehre) und Institutionen (Synagoge) dem rabbinischen Judentum, wich aber in andern Lehren (Messiasglaube) und Ausführung biblischer Anordnungen (Abgaben an die Priester) von demselben ab. Die samaritanische Sprache, ein Dialekt des Westaramäischen, diente den S. zur Schaffung von Liturgien, Ritualien, Liedern, Psalmen und zur Übersetzung (Targum) des Pentateuch. Als das Arabische Verkehrssprache wurde, bedienten sich seiner auch die S. in Umgang und Schrifttum. So entstanden unter anderm in arabischer Sprache ein sogen. Buch Josua, eine chronikartige Zusammenfassung der Ereignisse von Josua bis auf Konstantin d. Gr. (»Chronicon Samaritanum«, Ausgabe von Juynboll, Leiden 1848), sowie die Chronik des Abu'l Fath, bis zum 14. Jahrh. reichend (»Abulfathi Annales Samaritani«, hrsg. von Vilmar, Gotha 1865), theologische und schrifterklärende Werke. Vgl. Silvestre de Sacy in den »Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque du roi«, Bd. 12 (Par. 1831); Juynboll, Commentarii in historiam gentis Samaritanae (Leiden 1846); Rosenberg, Lehrbuch der samaritanischen Sprache und Literatur (Wien 1901); Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Bd. 2 (3. Aufl., Leipz. 1898; Literatur S. 14 f.); »The Jewish Encyclopedia«, Bd. 10, S. 669 ff. (New York 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 511-512.
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