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Staatsromane

[811] Staatsromane, Schriften, die in Form eines Romans die Zustände und Einrichtungen eines Staates behandeln, und zwar indem sie »den realen Erscheinungen des staatlichen Lebens gegenüber ein Ideal aufstellen, dem sie das Gewand der Wirklichkeit geben«. Eine gewisse Verwandtschaft mit den Staatsromanen haben Schriften wie Xenophons »Cyropädie« und Fénelons »Telémaque«; am berühmtesten wurden jedoch die S., in denen Idealbilder eines Gemeinwesens im Sinne des Kommunismus entworfen werden. Dies gilt in gewissem Sinne schon von Platons »Republik«, vor allem aber gehören hierher die neulateinischen Romane »Utopia« von Thomas Morus (1516; Neudruck mit literarhistorischer Einleitung, Berl. 1895; deutsch in Reclams Universal-Bibliothek, Weiteres s. More 1) und »Civitas solis« (»Der Sonnenstaat«) von Campanella (1619; deutsch von Grün, Darmst. 1845), die französischen »Naufrage des îles flottantes, ou la Basiliade« von Morelly (1753) und »Voyage en Icarie« von Cabet (1842; deutsch von Hippler, Par. 1848); Näheres s. Kommunismus, S. 333,2. Spalte. In neuerer Zeit hat der sozialistische Zukunftsroman des Amerikaners Edward Bellamy (s. d. 2): »Looking backward from 2000« (1887), großes Aufsehen erregt; auch die beiden Romane von Theodor Hertzka (s. d.): »Eine Reise nach Freiland« (1890) und »Entrückt in die Zukunft« (1895), »Caesar's Column« von Donnelly, der anonym erschienene Roman »Das Maschinenalter« (von B. v. Suttner, 1889), Mantegazzas »Das Jahr 3000« (deutsch, Jena 1897) und die »Mitteilungen aus dem Inhalt einer Schrift vom Jahr 2135« des dänischen Philosophen Sibbern (s. d.) gehören hierher. Den optimistischen Zukunftsbildern in der Art Bellamys wurden mehrere Parodien entgegengestellt, deren Verfasser nachweisen wollten, zu welchen unerträglichen Zuständen die Herrschaft der sozialistischen Ideen führen müsse. Hierher gehören unter andern die »Sozialdemokratischen Zukunftsbilder« von Eugen Richter (Berl. 1891) und »Der Himmel auf Erden in den Jahren 1901–1912« von Leo Gregorovius (Leipz. 1892). Vgl. R. v. Mohl, Die S. (in seiner »Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften«, Bd. 1, Erlang. 1855); Kleinwächter, Die S. (Wien 1891); »Schlaraffia politica, Geschichte der Dichtungen vom besten Staat« (anonym, Leipz. 1892, von v. Kirchenheim); Reiner, Berühmte Utopisten (Jena 1906); Voigt, Die sozialen Utopien (Leipz. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 811.
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