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Quäker

[492] Quäker (engl. Quakers, »Zitterer«, von to quake. zittern), religiöse Sekte in England, so genannt entweder von ihren heftigen Bewegungen und ekstatischen Zuständen, oder weil ihr Stifter am Schluß einer Rede vor dem Richter sprach: »Zittert vor dem Worte des Herrn!« Sie selbst nennen sich nach Joh. 15,15 »Freunde« (Friends) oder »Bekenner (Kinder) des Lichtes«. Ihr Stifter George Fox (s. d.) fand trotz der heftigen Verfolgungen, die ihn von seiten des Staates und des Klerus trafen, bald unter allen Klassen Anhänger. Nicht Schrift, sondern Geist, nicht der Christus für uns, sondern der Christus in uns wurde sein Losungswort. 1656–58 sollen 9000 Q. wegen ihrer Extravaganzen und ihres Kampfes gegen Cromwell eingekerkert worden sein. Seit 1660 begann der Verein von Swarthmoor, dem »Herrnhut der Q.«,-aus seine Verfassung und seinen Kultus zu ordnen, während Robert Barclay (s. d. 3) die Lehre systematisch darstellte. Noch dauerten unter der Restauration die Verfolgungen fort, denen erst die Toleranzakte von 1689 (s. Anglikanische Kirche) ein Ziel setzte. Bald bildeten sich Quäkergemeinden in mehreren Teilen von Großbritannien und Nordamerika, wo ihnen William Penn (s. d.), der, seit 1668 Q., in Wort und Schrift für seine Freunde gewirkt hatte,[492] ein Asyl in Pennsylvanien eröffnete Die Q. erkennen die Hauptdogmen der protestantischen Symbole an, berufen sich aber nicht sowohl auf das Bibelwort als auf das in dem Menschen wohnende »innere Licht«, das in außerordentlichen Offenbarungen rein übernatürlich wirke, ja nichts andres als Christus selbst sei. Das Quäkertum ist zu bezeichnen als die folgerichtigste Gestalt der spiritualistischen Bewegung seit der Reformation, als gegen die Dogmatik wie gegen alle historischen Elemente des Christentums gleichgültiger extremer Supranaturalismus. Die Q. verwerfen Liturgie und Sakramente; mit bedecktem Haupt sitzen sie schweigend und der höhern Erleuchtung harrend in ihren schmucklosen Bethäusern, bis irgend ein Glied, Mann oder Weib, vom Geist ergriffen, vor der Versammlung auftritt. Kommt der Geist nach langem Warten zu niemand, so geht man still auseinander. Einen geistlichen Stand haben sie nicht, doch werden jetzt befähigte Redner (Ministers) vorzugsweise mit dem Predigen beauftragt, und in Amerika kennt man angestellte Prediger. Ihre Moral verbietet die Ablegung des Eides, die Leistungen von Kriegsdiensten und alle weltlichen Vergnügungen, ja selbst den Handel mit Luxusartikeln und Kriegsbedürfnissen; die Übung der schönen Künste galt ihnen früher für gefährlich. Zur Übung reiner Wahrheitsliebe und christlicher Einfachheit reden sie alle Menschen mit »Du« an, verweigern den Gebrauch aller Ehrentitel und nehmen vor keinem den Hut ab. Ihre Kleidung ist einfach, ohne Rücksicht auf die wechselnde Mode. Ihre Verfassung ist demokratisch. Jede Gemeinde versammelt sich einmal im Monat zur Beratung. Vierteljährlich treten Deputierte der Gemeinden eines Distrikts zusammen, um die Repräsentanten aller Distrikte zur jährlichen Generalversammlung zu ernennen. Diese Jahresversammlungen sind die höchste Instanz in Sachen der Disziplin, Verfassung und Sitte. Durch alle Verfassungsstufen hindurch geht die Zweiteilung der getrennt beratenden Men Friends und Women Friends. Die Sekte teilt sich in 15 Provinzen, die ihre Generalsynoden gleichzeitig halten. Durch ihre menschenfreundlichen Bemühungen und erfolgreichen Anstrengungen zur Abschaffung des Sklavenhandels (William Allen, Anton Benezet) und zur Verbesserung des Gefängniswesens (Elisabeth Fry) haben sich die Q. große Verdienste erworben, und noch immer stehen sie als Muster häuslicher Tugend und bürgerlicher Tüchtigkeit da. Ihre Zahl betrug 1906 in Großbritannien und Irland 17,910, in Nordamerika 118,306, in Australien 556 Seelen. In Deutschland zählt man ca. 30 Q. in Obernkirchen und Minden i. W., die Quäkergemeinde in Friedensthal bei Pyrmont (seit 1786) ist eingegangen. Kleine Gemeinden finden sich in Frankreich, Dänemark, Norwegen, der Türkei und Südafrika. Übrigens hat die kulturelle Entwickelung an der alten Strenge und Einfachheit mancherlei abgebrochen; zum Teil erhoben sich darüber Spaltungen. In Nordamerika nahmen die fechtenden oder freien Q. an den Freiheitskämpfen teil. Die nassen (nachgiebigen) Q. ließen von der alten Strenge nach, die streng orthodoxen hießen trockne (feste) Q. Eine tiefer gehende Spaltung sonderte in Amerika seit 1822 von den rechtgläubigen Quäkern eine rationalistische Partei unter Elias Hicks (daher Hicksiten) ab und verbreitete sich besonders in Pennsylvanien und New Jersey. Im Gegensatz zu ihnen bildeten sich die sich ganz auf die Geistesoffenbarung konzentrierenden Wilburiten und primitiven Q. sowie 1837 in Manchester die Evangelical Friends, welche die Bibel über das »innere Licht« und die Vernunft stellen; nahe verwandt sind den Quäkern auch die Jumpers (s. Methodisten) und die Shakers (s. d.). Vgl. außer der Literatur über G. Fox (s. d.): Sewel, History of the rise of the Quakerism (holländ., Amsterd. 1717; engl., Lond. 1722 u. ö.; neue Ausg., Philad. 1855; deutsch, Leipz. 1742); Rowntree, Quakerism past and present (Lond. 1859); Weingarten, Die Revolutionskirchen Englands (Leipz. 1868); Bruno Bauer, Der Einfluß des englischen Quäkertums auf die deutsche Kultur (Berl. 1878); L. Ruffet, George Fox et les origines du Quakerisme (Genf 1886); Turner, The Quakers (Lond. 1889); Caroline Stephen, Quaker strongholds (das. 1890); J. Fiske, The Dutch and Quaker colonies in America (das. 1899, 2 Bde.); J. Sharpleß, A history of Quaker government in Pennsylvania (Boston 1900); Myers, Immigration of the Irish Quakers into Pennsylvania 1682–1750 (Swarthmore, Pa., 1902) und Quakers arrivals at Philadelphia 1682–1750 (Philad. 1902); Buddensieg in der »Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche«, Bd. 16 (3. Aufl., Leipz. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 492-493.
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