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Fortpflanzung

[794] Fortpflanzung (Reproduktion), die Entstehung neuer Organismen (Tiere, Pflanzen) aus alken. Demnach ist die F. an das Vorhandensein von Organismen gebunden, es ist kein Fall des Hervorgehens aus unorganischem Material (Urzeugung, s.d.) festgestellt. Man unterscheidet F. auf geschlechtlichem und ungeschlechtlichem Wege (digene und monogene F.). Im letzern Fall kann der Organismus in zwei oder mehrere Teilstücke von ungefähr gleicher Größe zerfallen (Teilung), oder er bringt an sich kleinere knospenartige Auswüchse hervor, die sich ebenso wie jene Teilstücke zu dem neuen Organismus ausbilden (Knospung, wohl auch Sprossung genannt). Besonders verbreitet ist die ungeschlechtliche F. bei den einzelligen und niedern mehrzelligen Tieren, findet sich aber auch noch bei höhern Metazoen, wie den Manteltieren und Moostierchen (s.d.). Entweder trennen sich die Teilstücke, oder die Knospe löst sich von dem Muttertiere, oder aber sie bleiben miteinander verbunden, und dann kommt es zur Bildung von Tierstöcken oder Kolonien, deren einzelne Individuen durch bestimmte Organsysteme kommunizieren und ganz besonders bezüglich ihrer Ernährung auseinander angewiesen sind. Bei einigen, noch nicht genügend geklärten Formen der F. (Schwämme, Saugwürmer, Moostierchen) können Komplexe von Zellen, die sich im Innern des Körpers als Keimballen sonderten, den Anlaß zur Bildung eines neuen Individuums geben.

Der F. der Einzelligen geht öfters die Einkapselung (Encystierung, Umgeben mit einer Cyste) voraus; bei ihnen findet sich auch die Konjugation, die Vereinigung zweier Individuen, die bereits zur geschlechtlichen F. hinüberleitet und zwar insofern, als[794] die Kerne der beiden konjugierenden (sich übrigens später wieder trennenden) Individuen Teilungen und Verschmelzungen durchmachen, die mit denen bei der Befruchtung des tierischen Eies eine große Übereinstimmung zeigen. Diese Ähnlichkeit wird dadurch noch verstärkt, daß beide Individuen an Größe sehr verschieden sein und dauernd vereinigt bleiben können, also dann der beim Befruchtungsakt verschmelzenden weiblichen und männlichen Zelle noch mehr gleichen. Bei der geschlechtlichen F. handelt es sich um die Vereinigung einer männlichen (Spermatozoon) mit einer weiblichen Zelle (Ei), die meist auch von verschiedenen Individuen (Männchen und Weibchen) herstammen; dieser Befruchtungsakt (s. Befruchtung) gibt den Anstoß zur Entwickelung eines neuen Organismus.

Die Zeugungsstoffe (Geschlechtszellen) der Tiere entstehen im einfachsten Fall an verschiedenen Stellen des Körpers, meist jedoch in besondern Organen (Eierstöcken, s.d., und Ei, bez. in Hoden), die ihren Inhalt durch Ausführungsgänge entleeren; Drüsen, die mit ihnen in Verbindung treten, liefern Stoffe zur Bildung von Eischalen oder zur Einhüllung des Samens etc. – Häufig entstehen Eier und Samen in ein und demselben Individuum (Hermaphrodit, Zwitter), doch pflegt auch dann meist die Befruchtung der Eier eines Tieres mit dem Samen eines andern und umgekehrt stattzufinden. Weiter kommt es vor, daß ein Tier eine Zeitlang nur Eier und zu einer andern Zeit nur Samen erzeugt, also zu verschiedenen Zeiten als Weibchen und Männchen funktioniert. Das gewöhnlichere und bei den höchsten Tieren fast ausnahmslose Verhalten ist die Trennung der Geschlechter (Gonochorismus), ob wohl auch dann besonders in der Entwickel ung, aber auch bei ausgebildeten Tieren Anzeichen der Zwitterigkeit auftreten. Bei manchen Tieren (Rädertieren Krebsen, Blattläusen, Wespen, Bienen und andern Insekten) können sich Eier ohne Befruchtung entwickeln, welche Erscheinung man mit Jungfernzeugung oder Parthenogenese bezeichnet; sie ist jedenfalls aus der reingeschlechtlichen F. entstanden, und man könnte sie eingeschlechtliche F. nennen; daher sind auch die Tiere, bei denen sie vorkommt, echte Weibchen. – Bei der Teilung und Knospung ist der entstehende Organismus vielfach schon von Anfang an dem alten recht ähnlich, doch kommen auch hier, zumal bei der Knospung, immerhin schon recht beträchtliche Umwandlungen vor, ehe der ausgebildete Zustand erreicht wird, diese sind aber ganz besonders kompliziert bei der geschlechtlichen F., da sich bei ihr der aus unendlich vielen Zellen bestehende Organismus aus einer einzigen, der befruchteten Eizelle heraus entwickeln muß. Diese Vorgänge finden meist innerhalb der Eihülle statt und führen zur Bildung des Embryos, der nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei entweder dem alten Organismus ähnlich oder mehr oder weniger verschieden von ihm ist und dann als Larven och eine Reihe von Gestaltveränderungen (Metamorphosen) durchzumachen hat, um dem Elterntier gleichzukommen. Bei den Tieren ohne Metamorphose braucht der Embryo eine im Verhältnis zur Größe des ausgewachsenen Tieres bedeutendere Menge Bildungs- und Nahrungsmaterial; das Ei muß also mit Nahrungsdotter reichlich ausgestattet sein (z. B. bei den Vögeln) oder besondere Nährquellen für den Embryo besitzen (z. B. beiden Säugetieren). Dagegen entstehen die Tiere mit Metamorphose durchweg in relativ kleinen Eiern, schlüpfen bald aus und erwerben selbständig das Material für ihre Fortentwickelung. Über die Erscheinungen, die mit dem regelmäßigen Wechsel zwischen ungeschlechtlicher und geschlechtlicher F. bei manchen Tieren verbunden sind, s. Generationswechsel.

Fortpflanzung der Pflanzen.

Auch im Gewächsreich ist wie bei zahlreichen nie dern Tieren die F. von doppelter Art, indem sich entweder Teile eines schon vorhandenen Individuums lostrennen und weiterentwickeln (ungeschlechtliche, asexuelle oder vegekative F.) oder durch Zusammentreten zweier verschiedener Plasmakörper (Gameten) ein zur Wiederholung der elterlichen Art bestimmtes neues Individuum erzeugt wird (geschlechtliche oder sexuelle F.). Die erstere Form der Vermehrung tritt im Pflanzenreich ganz allgemein auf, wo die sexuelle F. durch besondere Lebensumstände verhindert wird. Letztere fehlt vielen niedern Pflanzen, z. B. den Schizo- und Basidiomyzeten, gänzlich. Im einfachsten Falle teilen sich einzellige Algen und Pilze in Tochterzellen, welche die Entwickelung der vorausgehenden Generation wiederholen. Bei der Mehrzahl der übrigen Pflanzen gelangen besonders organisierte Fortpflanzungskörper (ungeschlechtliche Reproduktions- oder Fruktifikationsorgane) zur Ausbildung, die sich von der Mutterpflanze ablösen und unter geeigneten Lebensbedingungen zu neuen Individuen heranwachsen. Bei den Kryptogamen treten Fortpflanzungszellen dieser Art (Keimkörner, Sporen, Konidien) in großer Mannigfaltigkeit auf (s. die Artikel. »Pilze, Flechten, Algen, Moose, Farne«). Im einfachsten Falle wandelt sich irgend eine den übrigen bis dahin gleiche Zelle in eine Spore um, trennt sich vom Thallus und keimt nach einer Ruheperiode. Gewöhnlich werden aber besondere Zellenbildungsprozesse behufs der Erzeugung von Sporen nötig, und zwar erzeugt die Mutterzelle im Innern ihres Protoplasmas die Sporen, oder sie entstehen durch Abschnürung. Endlich bilden auch Blütenpflanzen besondere Sproßformen (Brutknospen, Bulbillen), häufig von zwiebel- oder knöllchenartiger Gestalt, aus, die sich ablösen und zu neuen Pflanzen auswachsen. Außerdem können in zahlreichen Fällen vegetative Sprosse auf natürlichem oder künstlichem Wege von der Mutterpflanze abgelöst und zur Weiterentwickelung gebracht werden (s. Sprossung).

Bei der geschlechtlichen F. treten entweder zwei gleichartige Plasmakörper zusammen (isogame F.), oder dieselben sind von ungleichartiger Beschaffenheit (heterogame oder oogame F.); die Gameten selbst können beweglich (Zoo-o der Planogameten) oder unbeweglich (Aplanogameten) sein. Bei isogamer F., z. B. der Konjugaten unter den Algen, der Zygomyzeten unter den Pilzen, treten zwei gleiche, unbewegliche Zellen zur Bildung der Fortpflanzungskörper (Zygospore) zusammen, oder es verschmelzen, wie z. B. bei Pandorina (s. Algen [4], S. 316), zwei gleiche Planogameten zu einer keimfähigen Spore. Bei vielen andern Thallophyten sind zweierlei Geschlechtsorgane vorhanden; das männliche Antheridium erzeugt Spermatozoiden, durch welche die in dem weiblichen Oogonium gebildete Eizelle befruchtet wird. Letztere gestaltet sich dann zu einer keimfähigen Spore (Oospore). – Bei den stammbildenden Kryptogamen herrscht ausnahmslos oogame F., die zur Bildung eines Pflanzenkeims (Embryo) führt. Im einfachsten Falle, nämlich bei den Muszineen, erzeugt die befruchtete weibliche Zelle zunächst ein neues Organ, das Sporogono der die Mooskapsel, die später auf ungeschlechtlichem Wege die Sporen hervorbringt.[795] Aus der Spore erwächst wiederum eine Moospflanze, welche die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane, Antheridien und Archegonien trägt. Bei den Farnen, Lykopodiazeen und Equisetazeen befinden sich die Antheridien und Archegonien auf den Vorkeimen (s. Farne, S. 335), die unmittelbar aus den keimenden Sporen hervorgehen; die Eizelle entwickelt sich nach der Befruchtung zu der eigentlichen Pflanze, an der sich wieder die Sporen auf ungeschlechtlichem Wege bilden. Manche Gefäßkryptogamen, wie Salvinia, Marsilia, Isoëtes und Selaginella, erzeugen zweierlei Sporen, Makro- und Mikrosporen. Letztere liefern nach wenigen, an die frühere Vorkeim- und Antheridienbildung erinnernden Zellteilungen Spermatozoiden; die Makrosporen erzeugen beim Keimen einen rudimentären Vorkeim mit Archegonien. Aus der befruchteten Eizelle geht dann der Embryo und aus diesem die sporenerzeugende Pflanze hervor. In allen diesen Fällen wechselt somit eine die Geschlechtsorgane tragende geschlechtliche oder proembryonale Generation mit einer sporenbildenden ungeschlechtlichen oder embryonalen ab (Generationswechsel).

Von diesen Verhältnissen ist nur ein kleiner Schritt zur F. der Phanerogamen, bei denen der Embryosack im Innern der Samenanlage die weibliche Makrospore darstellt, die aber hier sich nicht von der Pflanze trennt, sondern im Zusammenhang mit letzterer Eizellen erzeugt, befruchten läßt und zum Embryo ausbildet. Die Mikrosporen erkennen wir in dem Pollen (Blütenstaub) wieder, der in der Nähe der Samenanlagen an hierzu bestimmter Stelle keimt. Bei den Gymnospermen erfüllt das weibliche Prothallium den Embyrosack (d. h. die Makrospore) vor der Befruchtung und bildet auch mehrere Archegonien aus; bei den Angiospermen bilden sich im Embryosack neben der Eizelle nur wenige Zellen aus, während sich der größte Teil des Embryosackes erst nach der Befruchtung mit Zellgeweben erfüllt. Bei der Befruchtung wird der Pollen auf die weiblichen Blütenteile übertragen. Hier keimen die Pollenkörner und treiben nach einigen vorbereitenden, denen eines männlichen Prothallium entsprechenden Teilungen den schnell wachsenden Pollenschlauch, der zu der im Embryosack eingeschlossenen Eizelle vordringt. Eine der im Innern des Pollens entstandenen männlichen Geschlechtszellen, die nur bei vereinzelten Gymnospermen noch die Ausbildung von Spermotozoiden besitzen, verschmilzt mit der Eizelle, die durch diesen Befruchtungsvorgang zu weiterer Entwickelung angeregt und zum Embryo wird, während gleichzeitig die den Embryosack einschließende Samenanlage zum Samen heranreift. Hierzu sind noch die Artikel: »Geschlechtsorgane, Embryosack u. Samenanlage« zu vergleichen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 794-796.
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