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Böhmer

[158] Böhmer, 1) Just Henning, Rechtsgelehrter, geb. 29. Jan. 1674 in Hannover, gest. 29. Aug. 1749 in Magdeburg als Ordinarius der Juristenfakultät daselbst, Geheimrat und Regierungskanzler des Herzogtums Magdeburg. Sein Hauptwerk ist das »Jus ecclesiasticum protestantium« (Halle 1714, 3 Tle.; 5. Aufl., das. 1756–89); demnächst sind zu nennen seine Ausgabe des »Corpus juris canonici« (das. 1747) und sein »Jus parochiale« (das. 1701, 6. Aufl. 1760). – Seine Söhne: a) Johann Samuel Friedrich, geb. 19. Okt. 1704, gest. 20. Mai 1772 als erster Professor der Rechte und Direktor der Universität Frankfurt a. O., 1770 in den Adelstand erhoben, Verfasser verschiedener kriminalistischer Schriften; b) Karl August, gleichfalls geadelt, gest. 7. März 1748 als Präsident der Oberamtsregierung und des Oberkonsistoriums zu Glogau; c) Georg Ludwig (s. unten 2); d) Philipp Adolf, geb. 1711, gest. 31. Okt. 1789 als Professor der Anatomie in Halle und Leibarzt des Königs von Preußen.

2) Georg Ludwig, dritter Sohn des vorigen, Rechtsgelehrter und juristischer Schriftsteller, namentlich auf dem Gebiete des Zivilrechts, Lehnrechts und Kirchenrechts, geb. 18. Febr. 1715 in Halle, gest. 17. Aug. 1797 als Primarius und Ordinarius der Juristenfakultät zu Göttingen. Sein Hauptwerk, die »Principia juris canonici speciatim juris ecclesiastici« (Götting. 1762; 7. Aufl. von Schönemann, 1802), ist vorzugsweise bei Redaktion des Kirchenrechts im preußischen Allgemeinen Landrecht benutzt worden.

3) Georg Wilhelm, juristischer Schriftsteller, Sohn des vorigen, geb. 7. Febr. 1761 in Göttingen, gest. daselbst 1839, tätiger Vorkämpfer der französischen Sache während der Revolutionskriege, begleitete den General Custine 1792 als dessen Sekretär nach Mainz, gründete dort den Mainzer Klub und die »Mainzer Zeitung«, gehörte dem Rheinisch-deutschen Nationalkonvent als Mitglied an, ward aber 1793, nachdem die Franzosen Mainz übergeben, als Gefangener nach Ehrenbreitstein, später nach dem Petersberg bei Erfurt gebracht. Nach seiner Freilassung 1795 begab er sich nach Paris, wo er unter dem Direktorium und unter Napoleon in verschiedenen Ämtern tätig war. Nach Errichtung des Königreichs Westfalen wurde er Generalkommissar der höhern Polizei für das Harz- und Leinedepartement. 1816 habilitierte er sich als Privatdozent für Rechtswissenschaft an der Universität Göttingen, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb.

4) Johann Friedrich, deutscher Geschichtsforscher, geb. 22. April 1795 in Frankfurt a. M., gest. daselbst 22. Okt. 1863, studierte die Rechte, dann Geschichte und wurde 1822 Bibliothekargehilfe und Mitadministrator des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt a. M., 1823 Sekretär der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 1825 Archivbeamter und 1830 erster Bibliothekar in Frankfurt. In Italien für die Romantik gewonnen, schwärmte er für das Mittelalter, haßte Preußen und den Protestantismus als Ursachen der deutschen Zerrissenheit und hatte eine lebhafte Vorliebe für Österreich und die katholische Kirche, obwohl er nicht zu ihr übertrat. Als Sammler leistete er durch die kritische Verzeichnung sämtlicher mittelalterlich-deutscher Königsurkunden bis zu Karl IV. (Regesten = res gestae) Hervorragendes; doch tritt die Einseitigkeit seiner Urteile auch in den Einleitungen zu seinen Regestenwerken, namentlich in der leidenschaftlichen Anklage Friedrichs II. von Hohenstaufen, zutage. Als Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Tätigkeit erschienen: »Urkunden der römischen Könige und Kaiser von Konrad 1. bis Heinrich VII., 911–1313, in kurzen Auszügen« (Frankf. 1831); dann: »Die Reichsgesetze von 900–1400« (das. 1832); »Urkunden sämtlicher Karolinger« (das. 1833); »Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt« (das. 1836, Bd. 1; Neubearbeitung von Lau, 1901, Bd. 1); »Urkunden Ludwigs des Bayern, König Friedrichs des Schönen und König Johanns von Böhmen« (das. 1839; mit 3 Ergänzungsheften, das. 1841, Leipz. 1846 u. Innsbr. 1865); ferner: »Regesten des Kaiserreichs 1246–1313« (Stuttg. 1844; nebst 2 Ergänzungsheften,[158] das. 1849 u. 1857); »Die Regesten des Kaiserreichs 1198–1272« (das. 1847–49, 2 Bde.); »Wittelsbachische Regesten« (das. 1854). Außerdem sammelte B. in den »Fontes rerum germanicarum« (Stuttg. 1843–68, Bd. 1–4) Geschichtsquellen des 13. und 14. Jahrh. Durch die Böhmerstiftung sorgte er dafür, daß aus seinem Nachlaß unter andern erscheinen konnten:, die wertvollen »Acta imperii selecta« (hrsg. von I. Ficker, Innsbr. 1866–1868); »Die Regesten des Kaiserreichs unter Karl IV.« (hrsg. von Huber, das. 1877, 1889); »Die Regesten der Erzbischöfe von Mainz« (hrsg. von Will, das. 1878ff.); ferner in neuer Bearbeitung: »Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern« (von Mühlbacher, das. 1880ff.; 2. Aufl. 1900), »unter den Herrschern aus dem sächsischen Hause 912–1024« (von Ottenthal, das. 1893ff.); »Regesten 1198–1272« (von I. Ficker u. E. Winkelmann, das. 1879–1901); »Regesten Rudolfs v. Habsburg« (von O. Redlich, das. 1900). Seine kleinern Schriften und Briefe, mit Biographie, wurden herausgegeben von Janssen (Freib. 1868, 3 Bde.; Auszug in 1 Bd., das. 1870).

5) Eduard, Romanist und Theolog, geb. 24. Mai 1827 in Stettin, studierte Theologie und habilitierte sich 1854 für dieses Fach in Halle, erhielt 1866 daselbst eine außerordentliche, 1868 die ordentliche Professur für romanische Philologie und ward 1872 in gleicher Eigenschaft an die neubegründete Universität in Straßburg berufen. Seit 1879 im Ruhestand, lebt er seit 1883 in Lichtenthal bei Baden-Baden. Die erste Publikation Böhmers handelte vom Pantheismus (Halle 1851). Es folgten: die Ausgabe des bisher ungedruckten »Tractatus de Deo et homine etc.« von Spinoza (Halle 1852); »Über die Apokalypse« (das. 1855); »Das erste Buch der Thora« (das. 1862); eine Ausgabe von »Sleidanus' Reden an Kaiser und Reich« (Stuttg. 1879). das aus Akten der spanischen Inquisition geschöpfte Werk über den Prozeß des Franziskaners Franc. Ortiz (Leipz. 1865) und die »Bibliotheca Wiffeniana. Spanish reformers of two centuries from 1520« (Straßb. 1874–83, Bd. 1 u. 2). Mit Giesebrecht gab er 1864–65 die Zeitschrift »Damaris« heraus. Noch andre Publikationen sind: »Über Dantes Schrift De vulgari eloquentia« (Halle 1868); »Über die provenzalische Poesie der Gegenwart«, die Frucht einer Reise ins südliche Frankreich (das. 1870); eine Ausgabe des altfranzösischen »Rolandsliedes« (»Rencesval«, das. 1872), »Pindars sizilische Oden mit Prosaübersetzung« (Bonn 1891) und die Zeitschrift »Romanische Studien« (1871–85, 6 Bde.), die wertvolle Arbeiten auch von ihm selbst enthält. Die im ersten Bande von ihm begründete Lautschrift zur Bezeichnung der romanischen Aussprache ist in Deutschland fast zu allgemeiner Verwendung gelangt.

6) Karoline, s. Schelling, Karoline.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 158-159.
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