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Paris [2]

[461] Paris , Haupt- und Residenzstadt von Frankreich, nach London die 2. Stadt der Welt, übrigens von noch größerem Einflusse auf die civilisirte Welt als London, liegt an der Seine in einer Ebene, die sich nördl. in den Montmartre, südl. in die Anhöhe von St. Geneviève erhebt, wird von der Seine, die mehre Inseln bildet, durchschnitten, hat beinahe 3 Meil. im Umfang und gegenwärtig wenigstens 1100000 E. in 12 Arrondissements od. Municipalitäten. Die Zahl der Straßen und Gassen beläuft sich auf mindestens 1800, der öffentlichen Plätze auf 70, von denen die bedeutendsten sind: Place de la Concorde mit dem Obelisken von Luxor, der Carouselplatz zwischen dem Louvre u. den Tuilerien, Vendômeplatz mit der herrlichen Säule, Place Royale, Place des Victoires, Place de la Bastille mit der Julisäule, der Champ de Mars etc. An die Stelle der alten Festungswerke sind die Boulevards getreten, breite, mit doppelten und 3fachen Alleen besetzte [461] Straßen; in den nördl. Boulevards findet sich der Mittelpunkt des P.er Lebens, des Luxus und des Handels. Den Sammelplatz der seinen Welt bilden unter anderem die Passagen d.h. bedeckte mit Asphalt gepflasterte Fußwege, durch Glasfenster von oben her erleuchtet, an beiden Seiten mit eleganten Kaufläden. Oeffentliche Gebäude sind aus allen Zeitaltern der Monarchie vorhanden; die merkwürdigsten Kirchen sind: die gothische Nôtre Dame, 1163 begonnen; die noch ältern St. Germain des Prés, St. Germain lʼAuxerrois, 1831 zum letztenmal verwüstet; St. Eustache aus der Renaissance; St. Geneviève, St. Madeleine aus der Zeit Ludwigs XV. etc. Andere Gebäude: die Tuilerien, das Louvre, Palais Royal, Palais de Luxembourg, das Stadthaus, das Invalidenhaus, der Palast Elysée Bourbon, die Münze, Bank, Börse etc., mehre im röm. Styl gebaute Thore (Barrièren); unter den Gottesäckern ist der des Père la Chaise der bemerkenswertheste. Die bedeutendsten Sammlungen von Kunstwerken sind im Louvre, wohl die vollständigsten auf der Welt, im Luxembourg, im Palais Royal etc. An der Spitze der wissenschaftlichen Anstalten steht die Académie de P. mit 5 Fakultäten und verschiedenen Colléges; ferner das weltberühmte Institut de France (s. d.), das polytechnische Institut, das Conservatoire de la Musique. Die Bibliothek in der Rue Richelieu zählt über 11/2 Mill. Druckwerke, 80000 Manuscripte u. besitzt außerdem ein Münzkabinet von 150000 Stück, eine ausgezeichnete Sammlung von Kupferstichen, Landkarten u. Planen; bedeutende Bibliotheken sind ferner die des Arsenals, des botanischen Gartens, die von St. Geneviève. Der botanische Garten (jardin des plantes) ist der beste auf der Welt, mit einer herrlichen Menagerie und einem Naturalienkabinete verbunden. An wohlthätigen Anstalten ist P. sehr reich; von den 12 großen Hospitälern ist das Hôtel de Dieu das bedeutendste, außerdem gibt es noch eine Menge kleinerer, die größtentheils von barmherzigen Schwestern besorgt werden, 2 große Blindeninstitute, ein Taubstummeninstitut etc. Die Industrie von P. ist die eigenthümlich französ., die das Feine, Zierliche und Geschmackvolle hervorbringt; zur Bildung der Arbeiter wirkt besonders das Conservatoire des arts et des métiers. Bekanntlich versieht P. die ganze civilisirte Welt mit Modewaaren u. mit den Artikeln, wo das Handwerk unmittelbar der Kunst die Hand bietet. Die kaiserl. Gobelinsfabrik ist einzig in ihrer Art; die Privatindustrie liefert: Shawls, die schönsten Arbeiten in Bronze, Alabaster, Porzellan, ferner Bijouterien, Gold- u. Silberwaaren, Uhren, Hüte, Teppiche, Tapeten, Parfumerien, Instrumente aller Art, Kleider, Möbel etc. Als literarischer Mittelpunkt Frankreichs beschäftigt P. über 600 Druckpressen. Daß der Waaren- und Speditionshandel einer Stadt wie P., die zudem an einem schiffbaren Flusse und im Centrum des franz. Eisenbahnnetzes liegt, von außerordentlichem Umfange sein muß, leuchtet ein, doch erreicht er den Londons nicht von ferne; um so größer ist das Bankiergeschäft u. die P.er Börse ist mit der Londoner die wichtigste auf der Welt. Die Polizei ist trefflich organisirt, die öffentliche wie die geheime; sie nimmt 48 Commissäre, 550 Beamte, 2 Bataillons und 2 Escadrons Municipalgarden in Anspruch, dazu eine unbekannte Zahl geheimer Polizisten. Die Vergnügungsorte der P.er sind besonders die Spaziergänge auf den Boulevards, der Garten der Tuilerien, des Luxembourg, der botanische Garten, die Champs Elysées, das Palais Royal, einzelne Boulevards, die verschiedenen Theater (s. franz. Theater). – P. war eine altgallische Stadt Lutetia Parisiorum (die Wasserstadt der Parisier, eines gallischen Stamms); unter den letzten röm. Kaisern (Julian) war sie bereits ein sehr bedeutender Platz, wurde durch Chlodewig Residenz, bleibende jedoch erst mit den Capetingern, und hob sich, je mehr das Ansehn der Krone wuchs. Unter Philipp August wurde sie gepflastert u. zählte 150000 E., unter Ludwig IX. 300000. Die Verschönerung der Stadt durch prachtvolle Bauten begann mit Franz I. und wurde von Heinrich IV., Ludwig XIII., XIV., XV., von Napoleon I., Louis Philippe und Napoleon III. fortgesetzt. Seit Ludwig XI. hat P. noch [462] immer das Schicksal Frankreichs entschieden: Ludwig XI. bestand mit ihrer Hilfe den Kampf mit dem Bunde der großen Vasallen; P. entschied in dem Zeitalter der Reformation den Sieg der kath. Partei; P. war bei der Revolution entscheidend thätig, deßgleichen an der Erhebung u. am Sturze Napoleons I.; P. machte die Juli- sowie die Februarrevolution und ließ den 2. Dec. wenigstens geschehen. Da es überdies in jeder Beziehung der Mittelpunkt Frankreichs ist, so konnte es Louis Philippe 1840 durchsetzen, daß die Stadt auch zum Hauptwaffenplatze Frankreichs umgeschaffen wurde. Die Befestigung besteht aus einer bastionirten Umwallung und einer großen Anzahl detachirter Forts; ungeheure Kriegsvorräthe aller Art liegen in den Forts Vincennes u. Canonville; die Besatzung beträgt 40000 Mann u. kann binnen 24 St. auf das Doppelte verstärkt werden. – Schlacht bei P. 30. März 1814; Capitulation von P. 3. Juli 1815. 1. P.er Frieden 30. Mai 1814; 2. P.er Frieden 20. Nov. 1815.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 461-463.
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