[367] Tasso (Bernardo), ein ausgezeichneter ital. Dichter, gehörte einem altadeligen Geschlechte an und wurde 1493 zu Bergamo geboren.
Er hatte sich angelegentlich mit den Staatswissenschaften beschäftigt und diente nacheinander dem päpstlichen General Guido Rangone, dann der Herzogin von Ferrara und dem Fürsten von Salerno, Ferrante Sanseverino, welchen er auf dem von Karl V. unternommenen Zuge nach Tunis begleitete. Schon früher hatte er sich den Ruf eines ausgezeichneten Dichters erworben. Nachdem er, zurückgekehrt von einer Mission in Spanien, sich 1539 mit Porzia de' Rossi, einer in jeder Beziehung ausgezeichneten Dame, vermählt, lebte er bis 1547 in Sorento nur seinem häuslichen Glücke und der Poesie. Da sich der Fürst Sanseverino der Einführung der Inquisition zu Neapel widersetzt hatte, so wurde er von Karl V. seiner Güter beraubt, und dadurch wurde auch T. aus seiner glücklichen Muße vertrieben. Der Tod seiner Gattin war ein zweites Unglück, welches ihn betraf, und T. kam in die hülfsbedürftigste Lage, in welcher ihm endlich der Herzog von Urbino Hülfe leistete, indem er ihm in Pesaro einen Zufluchtsort eröffnete. Hier vollendete er sein schon zur Zeit seines Glücks begonnenes Werk, das romantische Epos »L'Amadigi«, die schönste und größte seiner Dichtungen. In Venedig gab er 1560 den »L'Amadigi« und eine vermehrte Ausgabe seiner Gedichte heraus. Hierauf wurde er 1563 erster Secretair des Herzogs Wilhelm von Mantua und endlich wurde er zum Gouverneur von Ostiglia ernannt, als welcher er bald nach seiner Ankunft zu Ostiglia 1569 starb.
Beiweitem höhern Ruhm als Dichter erwarb sich sein Sohn Torquato Tasso, welcher 1544 zu Sorento geboren wurde. Schon in seiner frühesten Jugend zeichnete sich derselbe durch Talente und einen bei Kindern seltenen Ernst aus. Den ersten Unterricht erhielt er von den Jesuiten zu Neapel, Rom und Bergamo, dann genoß er in Pesaro gleichen Unterricht mit dem Sohne des Herzogs von Urbino. Nachdem er sich noch mit seinem Vater ein Jahr lang in Venedig aufgehalten hatte, sollte er in Padua die Rechtswissenschaft studiren. Sein Vater wollte nicht zugeben, daß er dieses Studium aufgebe, um sich allein der Dichtkunst zu widmen; als aber T. in seinem 17. Jahre mit einem aus zwölf Gesängen bestehenden Epos: »Rinaldo«, auftrat und den ungetheiltesten Beifall fand, gab sein Vater nach. Nun beschäftigte ihn vorzugsweise das Studium der Literatur und der Philosophie und er nahm, einer Einladung folgend, Bologna zum Ort seines Aufenthalts. Da er hier aber in eine gerichtliche Untersuchung gezogen wurde, weil man ihn für den Verfasser eines satirischen Gedichts hielt, so begab er sich nach Modena und lebte hier so lange, bis er von dem jungen Scipione Gonzaga nach Padua berufen wurde, um hier an der Spitze einer Akademie zu stehen, welche derselbe errichten wollte. Als Hofcavalier des Cardinals Lodovico von Este kam er 1565 nach Ferrara zu den Festlichkeiten, mit welchen die Vermählung des Herzogs Alfons von Este mit einer Erzherzogin von Östreich begangen wurde. Hier lernte er die schönen und hochgebildeten, wenn auch nicht mehr jugendlichen Schwestern des Herzogs, Lucrezia und Leonore, kennen, welche ihn bei diesem einführten. Schon bei seinem ersten Aufenthalte in Padua hatte er sein großes Gedicht begonnen, welches die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer unter Gottfried von Bouillon zum Gegenstande hatte. Der Herzog von Ferrara nahm lebhaften Theil an diesem Werke, welches noch nicht vollendet war, und ermunterte den Dichter, an demselben fortzuarbeiten. Nachdem T. noch kurze Zeit Padua, Mailand, Pavia und Mantua besucht hatte, kehrte er nach Ferrara zurück und feierte hier durch seine Poesie eine junge Dame, Lucrezia Venadidio. Im J. 1571 begleitete er den Cardinal von Este nach Frankreich und fand am Hofe Karl IX. die ehrenvollste Aufnahme. Durch einige allzu freie Äußerungen verlor er jedoch die Gunst des Cardinals und kehrte nach Rom zurück, um bald darauf in die Dienste des Herzogs Alfons zu treten. Nach dem Tode seiner Gemahlin begab sich der Herzog auf einige Zeit nach Rom und bei seiner Rückkehr überraschte ihn T. mit seinem dramatischen Gedicht »Aminta«, welches aufgeführt wurde und den Dichter noch höher in der Gunst seines Beschützers hob. Er brachte hierauf mehre Monate auf dem Castell Durante in der Nähe seiner Gönnerin und Freundin Lucrezia von Este zu und begleitete nachher den Herzog nach Venedig. Unterwegs wurde er von einem Fieber befallen, an welchem er lange zu leiden hatte. Im J. 1575 endigte er, noch kaum genesen, sein großes Epos. Den Gunstbezeugungen, mit welchen man ihn hierauf überhäufte, entzog er sich durch eine Reise nach Rom, im Herbst 1575, wo er sein Dichtwerk einer weitern Prüfung unterwerfen wollte. Den Antrag, in die Dienste des Großherzogs von Toscana zu treten, mit welchem man ihm hier entgegenkam, lehnte er ab. Bald nach seiner Rückkehr nach Ferrara[367] brachen aber die trüben Tage über den Dichter herein, welche die zweite Hälfte seines Lebens verbitterten. Schon früher hatte ihm sein Glück und die Gunst, in welcher er stand, Neider und Feinde zugezogen. Die Zuneigung, welche ihm von einem neuen Gaste am Hofe zu Theil wurde, von der jungen und schönen Gräfin Leonore Sanvitale, und der Umstand, daß er mit dem Amte eines Historiographen des Hauses Este bekleidet wurde, stachelten seine Gegner noch mehr gegen ihn auf. T. mochte manche Kränkung zu erfahren haben, und als eine solche sah er es auch an, daß sein Gedicht wider seinen Willen gedruckt wurde, obgleich er selbst es für noch nicht vollendet erklärte. Er verfiel in die trübste, schwermüthigste Stimmung und glaubte sich überall verfolgt. So vergaß er sich eines Tages so weit, daß er in den Zimmern der Herzogin von Urbino den Degen gegen einen ihrer Diener zog. Der Herzog ließ ihn verhaften, schenkte ihm aber bald darauf unter der Bedingung, daß er sich ärztlich behandeln ließe, seine Freiheit wieder und nahm ihn dann mit nach Belriguardo, wo er in der heitersten Umgebung die Genesung von seinem Trübsinne finden sollte. Dies war jedoch nicht der Fall und der Herzog sah sich genöthigt, T. auf sein eignes Verlangen nach Ferrara zu den Franziskanern zurückbringen zu lassen. Sein Zustand verschlimmerte sich immer mehr; gepeinigt von Argwohn gegen Andere und von Vorwürfen gegen sich selbst entfloh er in einem Anfalle von Verzweiflung aus Ferrara und kam, von Allem entblößt, sogar ohne seine Schriften und Papiere, zu seiner Schwester Cornelia, welche als Witwe zu Sorento in Neapel lebte. Die liebevolle Pflege derselben brachte ihn zu sich selbst zurück, er bereute den von ihm gethanen Schritt und wendete sich an den Herzog und dessen Schwestern mit der Bitte, ihm ihr Wohlwollen wieder zuzuwenden. Sein Wunsch wurde ihm erfüllt, er kehrte zurück. Aber bald verschlimmerte sich sein Zustand wieder und er entfloh zum zweiten Male. Nachdem er sich eine Zeit lang an verschiedenen Orten aufgehalten, fand er endlich am Hofe von Urbino eine seiner würdige Aufnahme. Doch auch von hier vertrieb ihn sein argwöhnisches und unleidliches Benehmen, und auch in Turin, wo er von dem Herzoge Karl Emanuel auf das ehrenvollste aufgenommen wurde, hielt er nicht aus. Eine krankhafte Sehnsucht zog ihn nach Ferrara zurück, und er benutzte die Vermählung des Herzogs mit Margaretha Gonzaga, um dahin zurückzukehren. Aber die Achtung und Liebe, die er einst am Hofe Alfonso's in so reichem Maße genossen, waren geschwunden, statt deren fand er nur den Haß und die Verachtung seiner Gegner. Der Herzog selbst und die Fürstinnen versagten ihm ihren Anblick. Bei der Heftigkeit seines verbitterten Charakters überhäufte er seine frühern Wohlthäter mit lauten Schmähungen und der Herzog ließ ihn im März 1579 im St.-Annenhospital als einen Wahnsinnigen gefangen setzen. Dieses Verfahren war nicht geeignet, ihn von seiner Gemüthskrankheit zu heilen, wozu noch kam, daß er wiederholt von verstümmelten Ausgaben seiner Dichtungen hörte, die an verschiedenen Orten ohne seine Bewilligung hergestellt wurden. Indeß fehlte es ihm doch auch nicht an ruhigen Stunden, in denen er sich mit der Poesie beschäftigte. Neue Kränkungen hatte er zu erfahren, als sich ohne seine Veranlassung ein literarischer Streit erhob, ob Tasso oder Ariosto (s.d.) der größere Dichter sei, und als in Folge desselben seine große Dichtung die feindseligste Kritik erfuhr. Gegen diese vertheidigte sich T. mit einer Ruhe und Besonnenheit, welche man unter den obwaltenden Verhältnissen bewundern muß. Die mächtigsten Fürsprecher vermochten ebenso wenig wie T.'s eigne Bitten den Herzog zu bestimmen, dem eingekerkerten Dichter seine Freiheit wieder zu geben. Sein Zustand wurde immer trauriger, er litt von Zeit zu Zeit an wirklichem Wahnsinn. Endlich gelang es dem Fürsten Vincenzo Gonzaga von Mantua, dem Schwager des Herzogs Alfons, diesen zu bewegen, ihm T. zu übergeben, welchen er zu bewachen versprach. T. wurde in Mantua auf das beste aufgenommen, fand indeß niemals völlige Genesung wieder. Nach dem Tode des Herzogs von Mantua, mit dessen Sohne er weniger übereinstimmte, begab er sich nach Rom, dann nach Neapel. Er beschäftigte sich angelegentlich mit Umarbeitung seines »Befreiten Jerusalem«. Der Papst Clemens VIII. wünschte T. nach Rom zu ziehen und sagte ihm die Ehre der feierlichen Dichterkrönung auf dem Capitol zu. Dies bewog T., im Nov. 1594 nach Rom zu kommen. Die Krönung wurde indeß bis zum Frühjahre verschoben. T. erlebte sie nicht, seine Kräfte schwanden, er ließ sich in das Kloster St.-Onofrio bringen und starb hier an einem hitzigen Fieber am 25. April 1595. Man bestattete ihn in der Kirche des Klosters und acht Jahre später errichtete ihm der Cardinal Bevilacqua das Denkmal, welches noch zu sehen ist. – Torquato T. ist größer als lyrischer Dichter, wie als epischer. Die tiefste Empfindung, die Begeisterung glühender Liebe, dabei eine tiefe Frömmigkeit, eine meisterhafte Beherrschung der Sprache, unübertrefflicher Wohllaut seiner Verse sind Das, was ihn vorzugsweise auszeichnet. Sein Meisterwerk: »Das befreite Jerusalem«, ist weniger als episches Kunstwerk groß, wie ausgezeichnet durch die einzelnen Stellen, in welchen die lyrische Stimmung des Dichters vorherrscht. Er ist der Lieblingsdichter seines Volkes geworden, Gesang und Declamation haben die schönsten Bruchstücke jenes Dichters im Gedächtniß des Volkes stets lebendig erhalten. Die neueste Ausgabe seiner gesammten Werke ist die von Rosini (Pisa 1821 fg.) besorgte. Deutsche Übersetzungen seines »Befreiten Jerusalem« besitzen wir von Gries (2 Bde., 3. Aufl., Jena 1819) und von Streckfuß (2 Bde., Lpz. 1827; neue Aufl. 1835); seines »Aminta« von H. L. v. Danford (Zwickau 1822); seiner »Lyrischen Gedichte« von Karl Förster (Zwickau 1821). Die Italiener Manso, Serassi und Zuccala haben sein Leben beschrieben, Serassi eine Briefsammlung T.'s herausgegeben. Vgl. F. A. Ebert, »Torquato Tasso's Leben und Charakter« (Lpz. 1818). T.'s platonische Liebe zu der Prinzessin Leonore, sein eigenthümlicher, schwermüthiger, schwärmerischer Charakter sind aufs schönste in Göthe's »Torquato Tasso« dargestellt, zu welchem v. Zedlitz und Raupach Fortsetzungen gedichtet haben.
Buchempfehlung
Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.
64 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro