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Freiheit

[107] Freiheit ist der Zustand der Unabhängigkeit von fremden Einwirkungen und der Möglichkeit der Selbstbestimmung. Nicht blos der Mensch, sondern auch die Thiere sind dieser Freiheit fähig, insofern sie sich willkürlich bewegen können. Man nennt daher diese Freiheit die thierische und unterscheidet sie von der menschlichen oder humanen Freiheit, welcher allein der Mensch als vernünftiges Wesen theilhaftig werden kann. Die humane Freiheit ist doppelter Natur, insofern man sich den Menschen blos als sittliches Wesen, ohne Verbindung mit der Außenwelt oder im Verhältniß zu dieser denkt. Die erstere nennt man die innere, sittliche oder moralische, die zweite die äußere, rechtliche oder juridische Freiheit. Die innere Freiheit (Freiheit des Willens) besitzt der Mensch, auch wenn ihm die äußere fehlt. Ihr einziger Feind sind die thierischen Triebe und die sinnlichen Gelüste, welche der Mensch durch seine Vernunft und Moralität besiegen soll. Ob er dazu stets im Stande sei, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Die Geschichte liefert uns einzelne erhebende Beispiele der bewahrten Willensfreiheit, trotz alles äußern Zwanges, die tägliche Erfahrung lehrt aber auch, daß nur wenige Menschen solchen Vorbildern nachzukommen im Stande sind und daß die innere Freiheit im Kampfe mit widerstreitenden äußern Verhältnissen und niedern Leidenschaften häufig unterliegt. Mit mehr Bestimmtheit läßt sich von der äußern, der rechtlichen Freiheit sprechen. Sie ist die Befugniß und durch den Staatsverband gesicherte Möglichkeit, im Verkehr mit andern Menschen, der eignen Willensbestimmung zu folgen, vorausgesetzt. daß dieser Wille der wahrhaft vernünftige und darum allgemein gültige ist. Diese Freiheit [107] ist im Einzelnen durch die Gesetze bestimmt, welche die allgemeinen Ansichten über die Vernünftigkeit des Willens ausdrücken. Schranken sind diese Gesetze nur für die unwahre Freiheit, welche an der Stelle des allgemeinen den besondern, durch Triebe, Gelüste und Leidenschaften bestimmten Willen geltend machen will. Diese Schranken zerstören nicht, sondern sichern die Freiheit. Mit der fortschreitenden Bildung der Menschen muß die Erkenntniß des vernünftigen Willens, d.h. der Freiheit sich entwickeln, müssen folglich die einzelnen Bestimmungen dieser Freiheit, die Gesetze, sich vervollkommnen. Wo die Gesetze hinter der fortschreitenden Bildung eines Volkes zurückgeblieben, wird sich daher ein Kampf um die Freiheit erheben. Freiheit im geistigen (Denk-, Glaubens- und Preßfreiheit) und materiellen (Handels- und Gewerbfreiheit) Verkehr ist eine Foderung der Vernunft, deren Verwirklichung oder Nichterfüllung indeß in einem einzelnen Falle nach den gegebenen Verhältnissen zu beurtheilen ist. Mit der Freiheit wird häufig auch die Gleichheit zusammen genannt und »Freiheit und Gleichheit« war das oft misverstandene Losungswort der ersten franz. Revolution. Eine absolute Gleichheit gibt es nicht, wol aber ist eine relative möglich. Sie besteht darin, daß jeder Staatsbürger in den Gesetzen die Bestimmungen seines Willens hat. Eine ganz andere Bedeutung hat das Wort Freiheit in der Mehrheit, Freiheiten, welches so viel heißt als Ausnahmen von dem Gesetze, oder Vorrechte. (S. Privilegien.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 107-108.
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