Bahnstrecke Paris–Mulhouse
Die Bahnstrecke Paris–Mulhouse verbindet Paris mit Mülhausen über Troyes, Chaumont, Vesoul, Lure und Belfort. Ihr gebräuchlicher Name in der SNCF-Region Est ist Ligne 4. Sie wurde etappenweise zwischen 1856 und 1858 eröffnet.
Früher wurde diese Strecke auch vom Arlberg-Orient-Express und dem Trans-Europ-Express „L’Arbalète“ auf der Strecke Paris–Schweiz benutzt. Seit der Inbetriebnahme der LGV Est européenne hat der Personenfernverkehr stark nachgelassen.
Geschichte
BearbeitenDurch Verordnung vom 17. August 1853 wurde die Compagnie du chemin de fer de Paris à Strasbourg mit dem Bau einer Bahnstrecke zwischen Paris und Mulhouse beauftragt. Die Strecke benutzte unter anderem die Bahnstrecke Montereau–Troyes auf einem längeren Abschnitt, die schon seit 1848 in Betrieb war. Die Kosten für den Bau der Strecke wurden mit 101,2 Millionen Franc veranschlagt; ein Kilometer kostete 275.000 Franc.
Die Strecke besitzt einige größere Kunstbauten: acht Viadukte, 14 große Brücken und sieben Tunnel mit einer Gesamtlänge von fast fünf Kilometern. Sie wurde in mehreren Abschnitten zwischen 1856 und 1858 eröffnet.[1]
1871 bis 1914 verlief die deutsch-französische Grenze zwischen den Bahnhöfen Petit-Croix (französischer Grenzbahnhof) und Montreux-Vieux (deutscher Grenzbahnhof). Der in Deutschland gelegene Teil der Strecke gehörte zu den Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen.
Die Schnittstelle zwischen dem aus deutscher Tradition stammenden Rechtsbetrieb und dem in Frankreich herrschenden Linksbetrieb überwand kreuzungsfrei ein Überwerfungsbauwerk zwischen den Haltepunkten Illfurt und Zillisheim.[2]
Der Trans-Europ-Express Arbalète nahm hier am 2. Juni 1957 seinen Betrieb auf. Er verband Paris mit Zürich über Troyes und Mülhausen. Diese Verbindung wurde am 26. Mai 1979 eingestellt und durch Intercitys ersetzt.
Elektrifizierung
BearbeitenAuf dem Abschnitt Culmont-Chalindrey–Abzw Chaudenay wurde am 30. Juni 1964 die Oberleitung in Betrieb genommen.[3] Die Strecke von Belfort nach Mulhouse war ab 10. September 1970 elektrifiziert.[4]
Ausgehend von Paris Est wurde die Strecke Anfang der 1960er-Jahre zunächst bis Noisy-le-Sec elektrifiziert. Die mit 25 kV 50 Hz versorgte Oberleitung wurde dort am 22. Juni 1962 in Betrieb genommen. Zum 13. Dezember 1973 wurde der elektrische Betrieb bis Gretz-Armainvilliers (und Tournan an der abzweigenden Strecke nach Sézanne) erweitert.[5]
Die Elektrifizierung des etwa 128 km langen Streckenabschnitts Gretz-Armainvilliers–Troyes samt Abzweig nach Provins wurde im Contrat de plan État-région zwischen der Republik Frankreich und der Region Champagne-Ardenne, der für einen Zeitraum von jeweils sechs Jahren die Finanzierung von Großprojekten regelt, im Jahr 2000 vereinbart und 2007 bekräftigt. Der Abschluss der auf 270 Millionen Euro geschätzten Arbeiten war ursprünglich für 2016 vorgesehen, wurde jedoch in Baubeginn und ‑ausführung verzögert. Zwischen Gretz-Armainvilliers und Nogent-sur-Seine sowie auf dem Zweig nach Provins wurde die Oberleitung Anfang Juli 2022 unter Spannung gesetzt und seit 29. August 2022 genutzt. Der Abschnitt bis Troyes soll 2028 folgen.[6][7][8][9]
Streckenverlauf
BearbeitenParis – Troyes
BearbeitenVom Kopfbahnhof Paris-Est aus geht es im Pariser Becken geradlinig ostwärts parallel zur Bahnstrecke Paris–Strasbourg bis Noisy-le-Sec, wo südwärts durch die Enge zwischen dem Mont Avron und dem Plateau von Romainville das Marnetal bei Nogent-sur-Marne erreicht und unmittelbar nach der Flussquerung südostwärts in die Landschaft der Brie eingefahren wird: Durch Vororte von Paris (Villiers-sur-Marne, Pontault-Combault) geht es wie durch den Forêt d'Armainvilliers über Gretz-Armainvilliers nach Presles-en-Brie, wo die LGV Interconnexion Est unmittelbar nördlich des Triangle de Coubert zur LGV Sud-Est überbrückt wird. Sehr geradlinig angelegt, wird das Yerrestal gekreuzt und über Nangis kurz ins Tal der Voulize mit dem Viadukt von Longueville südlich von Provins gelangt, um ab Gouaix das weite Seinetal als Korridor nordostwärts zu nutzen. Bis Nogent-sur-Seine nördlich des Flusses, dann südlich davon angelegt, knickt die Landschaftsfurche östlich von Romilly-sur-Seine nach Südosten ab und führt die Bahnstrecke geradewegs nach Troyes in der Champagne crayeuse (Kreidechampagne). Hier beginnt auch die Bahnstrecke Troyes–Brienne-le-Château.
Troyes – Langres
BearbeitenDer weite Talboden der Seine wird nun nordostwärts hinein parallel zum Canal de la Morge in den Naturpark Forêt d’Orient hinein verlassen, um den Lac d’Orient südlich zu umfahren. An Vendeuvre-sur-Barse vorbei wird das Tal der Aube und damit die Westabdachung des Plateau von Langres erreicht. Wieder in der weiten Niederung sehr geradlinig angelegt, geht es über Bar-sur-Aube bei Clairvaux ostwärts hinein in das Tal der Aujon, dann einen ihrer Seitenarme entlang (Le Brauzé) bis Bricon: Hier zweigte früher die Strecke nach Châtillon-sur-Seine ab. Über das Viadukt von Chaumont geht es dann, nach Aufnahme der Bahnstrecke Blesme-Haussignémont–Chaumont, nicht nur in die Stadt Chaumont, sondern von dieser auch südwärts ins Marnetal hinab. Diesem wird nun hauptsächlich linksufrig, also an der westlichen Talseite, bis Langres gefolgt.
Langres – Belfort
BearbeitenIm Tal der Marne am Fuße von Langres wird das ansteigende Areal des Plateau von Langres im 1,3 Kilometer langen Tunnel von Culmont verlassen und in das Einzugsgebiet der Saône eingetreten. Bei Chalindrey bestehen dabei großzügig angelegte Verknüpfungen mit der Bahnstrecke nach Is-sur-Tille und weiter nach Dijon sowie – nach Passage des Tunnels von Torcenay – der Bahnstrecke nach Toul. Im weiteren Verlauf wird ostwärts in das Tal der Amance und damit in die historische Franche-Comté übergegangen. Das Saônetal wird südostwärts ab Jussey genutzt, bei Port-sur-Saône allerdings eine Geländeschwelle in das Becken von Vesoul und damit das Tal des Durgeon hinein passiert. Lure im Tal des Ognon wird dann, unter Passage des Beckens von Saulx und Unterfahrung eines Geländerückens im Tunnel de Genevreuille, erschlossen. Damit sind nun die Vogesen an ihrem Südsaum erreicht: Nach Übertritt ins Tal des Rahin – hier wird auch Ronchamp mit seiner weltberühmten Kirche Notre-Dame-du-Haut von Le Corbusier tangiert – nördlich des Naturparks Ballons des Vosges nutzt die Trasse unter Durchtunnelung einer weiteren Geländeschwelle das Becken des Lac du Malsaucy, um Belfort im Tal der Savoureuse zu erreichen.
Belfort – Mulhouse
BearbeitenIn Belfort, in der Burgundischen Pforte gelegen, fädeln die Bahnstrecke nach Dole und die Bahnstrecke Belfort–Delle aus, während unsere Bahnstrecke ostwärts über eine sanfte Höhenzunge und Seitenbachtäler bei Montreux-Château ins Tal der Bourbeuse parallel zum Rhein-Rhône-Kanal eintritt. Hier fädelt auch die LGV Rhin-Rhône ein, der Kanal wird weiter westlich an seinem Kulminationspunkt in Valdieu-Lutran südwärts überbrückt und im Gegensatz zur Wasserstraße, die nach der Wasserscheide zum Rhein in die Furche der Largue hinein gebaut wurde, strebt die Trasse der Bahn südlich davon durch das Juravorland hindurch direkt dem Tal der Ill zu, das sie bei Carspach erreicht und dem sie weiter geradlinig, ab Illfurth wieder zusammen mit dem Kanal, bis nach Mülhausen im Rheintal folgt. Hier besteht Anschluss an die Bahnstrecke Strasbourg–Basel und nach Müllheim.
Betrieb
BearbeitenDie Höchstgeschwindigkeit beträgt auf weiten Strecken zwischen 140 km/h und 160 km/h. Viele kleinere Bahnhöfe wurden geschlossen.
Fernverkehr
BearbeitenBis zur Inbetriebnahme der LGV Est européenne am 9. Juni 2007 wurden direkte Fernzüge der SNCF zwischen Paris und Basel SBB über die Ligne 4 geführt. Anschließend endeten die noch auf der Strecke verbliebenen Fernzüge in Züge in Mulhouse oder teilweise schon in Belfort. Da die schnellste Verbindung von Basel und Mulhouse seither über Straßburg führt, wurde das Fernzugangebot über die Ligne 4 zugleich deutlich eingeschränkt. Nach der Eröffnung der LGV Rhin-Rhône im Jahr 2011 wurden die durchgehenden Fernverbindungen auf den Abschnitt Paris–Belfort gekürzt.
Im November 2016 vereinbarten die vier beteiligten Regionen, sich am Betrieb der Fernzüge zu beteiligen. 2017 wurden die bisher eingesetzten Fahrzeuge, CC-72100-Diesellokomotiven und Corail-Wagen, durch Alstom-Coradia-Liner-Triebwagen ersetzt. Zudem wurden wieder Verbindungen über Belfort hinaus bis Mulhouse angeboten. Seit 1. September 2018 werden die Fahrten nicht mehr als Zuggattung Intercités, sondern als TER geführt.[10][11]
Im Fahrplan 2023 werden wochentags drei Fernzugpaare Paris–Mulhouse und zwei weitere bis Belfort angeboten, am Wochenende etwas weniger. Zudem wird wöchentlich ein Fernzug Paris–Vittel (freitags nach Vittel, sonntags nach Paris) über die Strecke geführt.
Regionalverkehr
BearbeitenDer Regionalverkehr sieht wie folgt aus:
- die RER E von Paris (über den Bahnhof Magenta) nach Gretz-Armainvilliers (und weiter nach Tournan);
- der Transilien P Sud von Paris-Est über, jedoch ohne Halt in, Gretz-Armainvilliers (mit Abzweig nach Coulommiers) nach Longueville und Provins;
- die TER Grand Est von Paris nach Culmont-Chalindrey;
- die TER Grand Est von Belfort nach Mülhausen;
- die TER Franche-Comté von Culmont-Chalindrey nach Vesoul mit Bussen;
- die TER Franche-Comté von Vesoul nach Belfort;
Seit Eröffnung des ersten Abschnitts der LGV Rhin-Rhône im Dezember 2011 nutzen die TGV-Züge einen Teil der Strecke Paris–Mulhouse mit. Dies hatte als Folge, dass drei Haltepunkte (Valdieu, Ballersdorf und Brunstatt) geschlossen werden mussten, weil sonst die Fahrzeit der TER zu lang gewesen wäre.[12] Eine Wiedereröffnung ist erst mit Inbetriebnahme des zweiten Abschnittes des Ostastes der LGV Rhin-Rhône in Sicht.
Galerie
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Bahnhof Gare de l’Est in Paris; Hauptfassade zur Rue du 8.Mai 1945
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CC 72145 vor einem Intercités nach Paris bei Chalmaison etwa bei Streckenkilometer 91, Blickrichtung Südosten
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Schnellzug nach Mulhouse mit CC 72082 bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Vesoul, 1987
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Viadukt Ballersdorf, Blickrichtung Südwesten
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Bahnhof Mulhouse-Ville, Hauptfassade zum Rhein-Rhone-Kanal hin
Literatur
Bearbeiten- Jean-Pierre Malaspina, Maurice Mertens: La légende des Trans-Europ-Express (TEE). Éditions LR-Presse, 2007, ISBN 978-2-903651-45-9.
- Jacques Defrance: Le matériel moteur de la SNCF. Éditions N.M., Paris 1978, OCLC 496966575 (Reproduktion der Ausgabe von 1969).
- Didier Leroy, Guillaume Pourageaux: La ligne 4, Paris–Mulhouse–Bâle, de la vapeur au diesel. Éditions La Vie du Rail, Paris 2009, ISBN 978-2-918758-03-7.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ François Palau, Maguy Palau: Le rail en France. Tome I, 1852–1857. S. 153.
- ↑ Eisenbahnatlas Frankreich. Bd. 1: Nord – Atlas ferroviaire de la France. Tome 1: Nord. Schweers + Wall, Aachen 2015. ISBN 978-3-89494-143-7, Taf. 69, B1.
- ↑ GARE SNCF de “CULMONT – CHALINDREY” auf christophe.lachenal.free.fr.
- ↑ GARE SNCF de “Belfort” auf christophe.lachenal.free.fr.
- ↑ Ligne Paris-Est - Mulhouse-Ville. In: WikiSara. 24. Juni 2022, abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Contrat de projets État-Région 2007–2013. (PDF) Région Champagne-Ardenne, S. 45 ff, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 21. Oktober 2007; abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Projet Électrification Paris–Troyes. Abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Maxime Berthelot: Ligne P. Les travaux d'électrification sont enfin terminés, la ligne sera lancée à la fin de l'été ! In: actu.fr. La République de Seine-et-Marne, 6. Juli 2022, abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Matti Faye und Clément Meunier: La ligne SNCF Paris-Troyes totalement électrifiée en août 2028. In: france3-regions.francetvinfo.fr. France 3, 22. Juli 2022, abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Marie Roussel: Ligne SNCF Paris-Belfort : le pari des trois grandes régions. In: francebleu.fr. France Bleu, 20. November 2016, abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Pourquoi les Intercités sont devenus TER. In: estrepublicain.fr. L'Est Républicain, 18. November 2018, abgerufen am 30. September 2023 (französisch).
- ↑ Transports: Plus de trains et moins d’arrêts pour pour l’arrivée du TGV Rhin-Rhône en 2011. In: Journal L’Alsace. 6. Januar 2011.