KISS-Prinzip

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Das KISS-Prinzip, manchmal auch KISS-Formel,[1] KISS-Gesetz[2] oder in der Schreibweise K.I.S.S.-Prinzip,[3] fordert, zu einem Problem eine möglichst einfache Lösung anzustreben.[4]

In seiner Grundaussage ähnelt das KISS-Prinzip stark der Aussage von Ockhams Rasiermesser:[5] Wenn es mehrere Erklärungen für einen bestimmten Sachverhalt gibt, dann ist diejenige Erklärung zu bevorzugen, die am einfachsten ist, also mit den wenigsten Annahmen und Variablen auskommt. Es handelt sich hierbei auch um ein Prinzip von Clean Code.

Ursprünglich steht die Abkürzung KISS für „Keep it simple, stupid!“,[3][6] übersetzt in etwa „Halte es einfach, Dummkopf!“ bzw. sinngemäß „Mach’s doch so einfach wie möglich.“ Die InterjektionStupid!“ ist hier als scherzhafte Anrede zu verstehen, die dem Satz eine flapsige, aber wohlmeinende Bedeutung gibt: „Sei nicht so blöd, dir den Kopf zu zerbrechen, wenn es auch einfach geht.“[7][8] Ein ähnliches Beispiel aus der Englischen Sprache ist der Slogan „It’s the economy, stupid“ während der Präsidentschaftswahl in den USA 1992 für die zweite Amtszeit von George Bush senior.

Dennoch wurde vermutlich bereits früh die Anrede gerne umgedeutet und durch andere, weniger beleidigend auffassbare Worte ersetzt, beispielsweise in der Form „Keep it simple and straightforward“,[9] übersetzt in etwa „Halte es einfach und unkompliziert.“ Die Abkürzung wird generell immer wieder auch unterschiedlich aufgelöst, wobei „simple“ meistens enthalten blieb. Beispiele:

Keep it simple stupid[10] Halte es einfach beschränkt; sinngemäß: Mit einfachsten Mitteln verständlich und idiotensicher.
Keep it simple and stupid[11][2] Halte es einfach und beschränkt
Keep it short and simple[6][1][2] Gestalte es kurz und einfach; aus dem Bereich des Marketing
Keep it simple and smart[12][2] Mach es einfach und schlau
Keep it simple and straightforward[9][13] Gestalte es einfach und verständlich
Keep it significant and shareable[14] Halte es bedeutsam, relevant und mitteilbar; aus dem Bereich der Sozialen Medien

Adjektive wie englisch simple und short können sowohl alleine für sich stehen als auch auf das nächste Wort, oft ebenfalls ein Adjektiv, Bezug nehmen, weshalb oft das „and“ (deutsch „und“) in Klammern gesetzt wird, etwa in der Form „Keep it simple (and) stupid[15] oder „Keep it short (and) simple“.[1]

Das Akronym KISS selbst bildet wieder ein Wort bildet (englisch kiss, deutsch Kuss), wird es auch als Apronym bezeichnet. Explizit als Abkürzung ist hingegen die Form K.I.S.S.,[16] die jedoch seltener verwendet wird.

Ursprung und Verbreitung

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Das Apronym wurde angeblich von Clarence Johnson geprägt, der leitender Ingenieur bei Lockheed Martin Skunk Works war, einer Firma, die unter anderem die Spionageflugzeuge Lockheed U-2 und SR-71 Blackbird hergestellt hat.[17]

Während es von der Allgemeinheit jahrzehntelang als „Keep it simple[,] stupid“ aufgelöst wurde, löste Johnson selbst es als „Keep it simple [and] stupid.“ auf, und in dieser Variante wird es inzwischen von vielen Autoren verwendet.[18] Eine Anekdote aus dem Leben Johnsons soll seine Einstellung zur einfachen Problemlösung veranschaulichen: Einer Gruppe von Ingenieuren stellte er die Aufgabe, ein Düsentriebwerk zu entwerfen, und händigte dazu einige Werkzeuge aus. Das zu entwerfende Düsentriebwerk solle auch von einem durchschnittlichen Mechaniker repariert werden können, der sich in einem Kriegseinsatz befinde. Zur Reparatur dürften keine anderen als die ausgehändigten Werkzeuge benutzt werden. So sei das KISS-Prinzip insbesondere in der United States Air Force und dem Feld der Softwareentwicklung verbreitet. Als Designprinzip beschreibt es im Gegensatz zu einer Problemlösung in der Form einer Fehlerumgehung („workaround“) die möglichst einfache, minimalistische und leicht verständliche Lösung eines Problems.

Ein weiteres Beispiel ist das Internet, welches auf der TCP/IP-Protokollfamilie basiert. Der einfache Aufbau dieser Protokolle hat dafür gesorgt, dass dieses Netz das sehr schnelle Wachstum seit dem Aufkommen des World Wide Web ohne große Probleme überstanden hat, obwohl die TCP/IP-Protokolle ursprünglich für ein wesentlich kleineres Netzwerksystem (für die Forschungszentren der DARPA)[19] entwickelt wurden.

Ferner wird die „Keep It Short and Simple“-Version gemeinsam mit PEE (Point, Evidence, Explain: Behaupte, Belege, Erkläre) an englischen Schulen und Universitäten im Zusammenhang mit dem Schreiben von Essays, Inhaltsangaben und Interpretationen gelehrt und auch als Maxime für gutes Marketing propagiert.[6]

KISS-Prinzip in der Unix-Philosophie

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Sowohl bei der Entwicklung des Betriebssystems Unix als auch bei der Entwicklung der Unix-Kommandos für den Unix-Baukasten zeigte sich der Vorteil von einfachen, spezialisierten Programmeinheiten gegenüber monolithischen, großen und komplexen Programmen: angefangen bei der Zerlegung des Programmieraufwandes in einzelne Einheiten, weiter bei der Fehlersuche in diesen Einheiten und deren Optimierung sowie in der Wartbarkeit des Quellcodes.[20]

Einzelnachweise

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  1. a b c Norbert Gerth: IT-Marketing; Produkte anders denken – denn nichts ist, wie es scheint. 2., aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Gabler, 2015, ISBN 978-3-662-46926-2, 5.3 Entwicklung einer Produkt- und Marketingstrategie, S. 417 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): „Markennamen oder -zeichen sollten zudem durch eine gewisse Einfachheit glänzen wie die von Acer, 3M, Dell, Nokia oder Apple. Es gilt die KISS-Formel: ‚Keep It Short (and) Simple‘ – was einfach ist, ist einfach zu merken.“
  2. a b c d Selim Tolga: Minimalismus leben für Dummies. 1. Auflage. Wiley-VCH, 2021, ISBN 978-3-527-71702-6, 1. Den minimalistischen Lebensstil entdecken; 1.2 Das bringt Minimalismus, S. 63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): „Das Kiss-Gesetz: die Kunst des Vereinfachens … Vermutlich haben Sie schon einmal vom sogenannten Kiss-Prinzip gehört, das für diese Vereinfachung steht. Es ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt: Keep it simple and stupid, Keep it simple and smart, Keep it short and simple …“
  3. a b Rebekka Ludwig: Gute Gestaltung – Verstehen, beurteilen und sicher beauftragen. dpunkt.verlag, 2022, ISBN 978-3-86490-794-4, 1. Die Grundlage guter Gestaltung, S. 12, Weniger ist mehr (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): „Das K.I.S.S.-Prinzip kommt ursprünglich aus dem Projektmanagement und wird oft als »Keep it simple, stupid« ausgeschrieben.“
  4. Heinz-Hermann Meyer: KISS-Prinzip. In: Lexikon der Filmbegriffe. Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 18. November 2013, abgerufen am 3. Juli 2016.
  5. Ben Dupré: Philosophie – 50 Schlüsselideen. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2394-8, 35. Ockhams Rasiermesser, S. 142, Das KISS-Prinzip (englisch: 50 Philosophy Ideas You Really Need to Know. 2007. Übersetzt von Regina Schneider): „Ockhams Rasiermesser treibt seine Blüten auch im Bereich des Ingenieurwesens und anderen technischen Bereichen, wo es als das ‚KISS-Prinzip‘ zutage tritt. Bei der Entwicklung von Computerprogrammen neigt man dazu, diese besonders komplex zu gestalten und mit einem verwirrenden Aufgebot an Schnickschnack aufzuwarten, der prompt von 95 Prozent der Endnutzer ignoriert wird. KISS, das Prinzip, das solche technischen Exzesse vermeiden soll, steht für ‚Keep It Simple, Stupid‘ – ‚Halte es einfach, Dummerchen‘.“
  6. a b c Keep it Simple Stupid. The Jargon File, version 4.4.7, abgerufen am 29. Februar 2012.
  7. Der Ursprung der Phrase liegt wohl im militärischen Bereich. Siehe: The Routledge Dictionary of Modern American Slang and Unconventional English, Tom Dalzell, 2009, 1104 pages, p.595, webpage: BGoogle-5F: notes U.S. Navy „Project KISS“ of 1960, headed by Rear Admiral Paul D. Stroop, Chicago Daily Tribune, p.43, 4 December 1960.
  8. The Concise New Partridge Dictionary of Slang, Eric Partridge, Tom Dalzell, Terry Victor, Psychology Press, 2007, p.384.
  9. a b Holger Arndt, Stefan Burkard: Erfolgreich mit eigenen Handelssystemen – Modularer Aufbau, Equity Trading, Position Sizing. 1. Auflage. FinanzBuch Verlag, 2005, ISBN 3-89879-127-0, Keep it simple, S. 13 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): „Dies … bedeutet einfach ‚Keep it Simple and Stupid‘. Der Ursprung dieses Prinzips der Einfachheit liegt wahrscheinlich in den Grundsätzen des Apollo-Projekts in den 1960er-Jahren. Andere Quellen sprechen davon, dass KISS zuerst in der US Army gebraucht wurde, und um ein wohlklingenderes Wort für ‚stupid‘ zu wählen, KISS auch ‚Keep it simple and straight-forward‘ bedeuten könnte.“
  10. Keep It Simple Stupid (KISS). Principles Wiki, 7. April 2016, abgerufen am 3. Juli 2016.
  11. Hubert Grawe: Effizientes Marketing mit Personal Computing –Marketing Management, Softwarebewertung, PC-Datenbanke. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, 1987, ISBN 978-3-409-13611-2, 4.3 Die wichtigsten PC-Datenbanksysteme; 4.3.1 dBASE III, S. 104: „Das Erfolgsgeheimnis von beiden [Anm.: dBASE II und dBASE III] liegt im KISS-Prinzip (‚Keep It Simple and Stupid!‘). Das ist überhaupt nicht als Kritik zu verstehen, im Gegenteil: Seine niedrige Einstiegsschwelle verdankt dBASE III der selbst gewählten Beschränkung auf die gebräuchlichsten Datenbankfunktionen, was sich natürlich auch als Schwachpunkt erweisen kann.“
  12. Klaus D. Niemann: Von der Unternehmensarchitektur zur IT-Governance. Vieweg+Teubner Verlag, 2005, doi:10.1007/978-3-8348-9066-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Kiss principle definition by MONASH Marketing Dictionary. Archiviert vom Original am 30. Januar 2016; abgerufen am 28. Juni 2016.
  14. Dominik Ruisinger: Die digitale Kommunikationsstrategie – Praxis-Leitfaden für Unternehmen, Institutionen und Agenturen. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Schäffer-Poeschel, 2020, ISBN 978-3-7910-4817-8, 2.1.2 Die Emanzipation der Nutzer, S. 22, The new KISS: Keep it significant and shareable (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): „Diese privaten Kommunikatoren beteiligen sich jedoch nur dann, wenn die Inhalte für sie bedeutsam, relevant und mitteilbar sind, wie es in der angepassten und heute hochrelevanten KISS-Formel »Keep it significant and shareable« passend heißt. Übersetzt bedeutet dies: Ist ein Beitrag nicht einfach teilbar, und relevant aus Sicht meiner Zielgruppe, wird er keine Sichtbarkeit erhalten und zu keiner Interaktion führen.“
  15. Tracey Burns, Florian Köster; Lorenz Lassnigg: Governing Education in a Complex World. In: Educational Research and Innovation. OECD, 2016, ISBN 978-92-64-25535-7, ISSN 2076-9660, 6. Complexity in a bureaucratic-federalist education system, S. 116, Introduction (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): “There is even a formalised expression for this: KISS – Keep it Simple (and) Stupid.”
  16. Sarita Kumari, D.S. Srivastava: Curriculum and Instruction. Isha Books, Delhi 2005, ISBN 81-8205-164-9, S. 195 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): “K.I.S.S. Stands for Keep It Simple and Stupid. What is the minimum we can say, to get our point across? More information does not mean more learning!”
  17. Ben R. Rich: Clarence Leonard (Kelly) Johnson 1910–1990: A Biographical Memoir. (PDF; 179 kB) National Academies Press, Washington DC 1995, S. 231 (englisch); abgerufen am 30. Januar 2016.
  18. Ram B. Misra: Global IT Outsourcing: Metrics for Success of All Parties. In: Journal of Information Technology Cases and Applications, Volume 6, 2004, Issue 3, S. 21, njit.edu (Memento vom 29. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF; 2 MB); abgerufen am 19. Dezember 2012.
  19. Stefano Albrecht: Hardwareview: Netzwerktechnologie TCP/IP
  20. Raymond, Eric S.: The art of programming, Boston, Addison-Wesley, 2004, ISBN 0-13-142901-9