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Ankündigung

[54] Ankündigung. (Redende Künste)

Es trägt sehr viel zur guten Würkung eines Werks bey, wenn man gleich von Anfang einige Hauptbegriffe gefaßt hat, welche die Aufmerksamkeit durch das ganze Werk hindurch lenken und unterhalten. In redenden Künsten, kann diese vortheilhafte Lage des Geistes durch eine geschikte Ankündigung des Inhalts hervor gebracht werden. Dadurch wird der Aufmerksamkeit die nöthige Spannung gegeben, und sie wird zugleich dahin, wo es die Absicht des Künstlers erfodert, gerichtet.

Daher ist es gekommen, daß die Redner, die tragischen und epischen Dichter, insgemein gleich anfangs ihre Materie auf die vortheilhafteste Weise anzukündigen gesucht haben. In der Ankündigung liegt das ganze Werk so eingewikelt, wie nach der Beobachtung der neuern Naturlehrer, die künftige Pflanze mit ihren Blättern, Blumen und Früchten in dem Keim des Saamenkorns liegt. Deswegen ist dieser so kleine Theil eines Gedichts oder einer Rede, höchst wichtig und erfodert eine große Kunst.

Ueber die epische Ankündigung haben wir am wenigsten nöthig uns in eine nähere Betrachtung einzulassen; da sie viel weniger Schwierigkeit hat, als die dramatische, und man aus den grossen Mustern, die jederman bekannt sind, sich hinlänglich davon unterrichten kann. Die Bescheidenheit [54] und Einfalt sind die zwey Eigenschaften, die Horaz zur Ankündigung fodert.


Nec sic incipies, ut Scriptor cyclicus olim:

Fortunam Priami cantabo, et nobile bellum.

Quid dignum tanto feret hic promissor hiatu?

Parturiunt montes: nascetur ridiculus mus.

Quanto rectius hic, qui nil molitur inepte?

»Dic mihi, Musa, virum, captae post tempora Trojae,

Qui mores hominum multorum vidit et urbes.«

Non fumum ex fulgore, sed ex fumo dare lucem.

Cogitat.1


Die dramatische Ankündigung hat Schwierigkeiten von mehr, als einer Art. Da der Dichter nicht selbst spricht, und es unnatürlich wäre einer handelnden Person die Ankündigung gerade zu in den Mund zu legen, so muß sie durch Umwege geschehen. Dazu kommt noch, daß man gar bald zu viel von der Sache entdekt, deren Ungewißheit den Zuschauer in beständiger Erwartung erhalten muß.2

Plautus, der, wie in manchem andern Stük, also auch hier, sich an keine Regel band, hat ohne Umschweif durch seine Prologen die Ankündigung gemacht. Die meisten Dichter aber haben diese Art, weil sie außer der Handlung liegt, nicht ohne Grund verworfen: nur die englische Bühne hat die Prologen beybehalten.

Die Griechen, so wie die meisten Neuern, haben den Inhalt der Handlung durch den Anfang der Handlung selbst anzukündigen gesucht. Sophokles ist darin am glüklichsten gewesen; dem Euripides aber hat es damit selten geglükt. Die Sache hat in der That große Schwierigkeit. Denn da natürlicher Weise keine der handelnden Personen vorher sehen kann, was für eine Wendung, viel weniger, was für einen Ausgang die Sachen nehmen werden, so können sie die Handlung auch nicht bestimmt ankündigen. Hier ist sie eine noch zufällige künftige Sache, da sie in der epischen Ankündigung, als eine schon vergangene Sache erscheint. Es kann also in Drama weiter nichts angekündiget werden, als die Veranlassung und der Anfang der Handlung, ihre Wichtigkeit, nebst einigen dunkeln Vermuthungen ihres Ausganges. Dabey kann jeder die Schwierigkeit der Sache empfinden. Die meisten Neuern behandeln die Ankündigung so schlecht, daß man lange in Verwirrung und Ungewißheit über die Veranlassung und über die Natur der Handlung bleibet.

Im Trauerspiel sollte man aus den ersten Reden der Personen so gleich erkennen, daß man am Anfang einer wichtigen Handlung ist, deren Ausgang zwar ungewiß ist, aber, von welcher Seite er kommen möge, merkwürdig seyn muß. Je genauer die Verwiklung der Sachen, die Schwierigkeiten, und Gefahren, die der Fortgang der Handlung heran bringen wird, durch die Ankündigung erkennt werden, je gewisser wird die Aufmerksamkeit gereizt. Auch ist es sehr wichtig, daß dem Zuschauer durch die Ankündigung gleich die Hauptpersonen, von einer interessanten Seite vorgestellt werden.

Man kann den Anfang des Oedipus in Theben von Sophokles, als ein vollkommenes Muster der Ankündigung anpreisen.

Von der Ankündigung des Inhalts der Rede, die gleich nach dem Eingange folget, (Propositio) ist unnöthig viel zu sagen. Sie hat für einen würklich beredten Mann wenig Schwierigkeit. Das was dabey zu bedenken ist, besonders, ob man den Schluß der Rede vorher anzeigen, oder verbergen soll, entdekt sich einem Mann von gutem Urtheil gar bald. Einiges Nachdenken über die verschiedenen Ankündigungen, wie sie vom Demosthenes oder Cicero behandelt worden, wird wenig Ungewißheit in der Sache lassen.

Nothwendiger ist es vielleicht dieses zu erinnern, daß in der Rede ofte die Ankündigung eines besondern Theils derselben, der auf die Abhandlung eines vorher gegangenen Theiles folget, nothwendig wird. Dieses nennt Cicero: Propositio quid sis dicturus, et ab eo quod est dictum, seiunctio.3 In diesen besondern Ankündigungen sind unter den Neuern die französischen Schriftsteller die besten Muster. Winkelmann hat auch in dem blos dogmatischen Vortrag versucht, die alte griechische Art: So viel hievon; – nun davon, wieder einzuführen, welches nicht zu verwerfen ist. Nur für förmliche Reden ist diese Formel zu kurz.

1Hor. de Arte. vs, 136 u. f.
2Pars Argumenti explicatur, pars reticetur ad populi expectationew tenendam Donatus.
3De Orat. L. III.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 54-55.
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