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Zwickau

[768] Zwickau, 1) Kreis od. Kreisdirectionsbezirk des Königreichs Sachsen, gebildet 1835 aus dem ehemaligen Voigtländischen Kreise u. dem größten Theile des Erzgebirgischen Kreises, grenzt an die Kreise Leipzig u. Dresden, ferner an Böhmen, Baiern, Reuß, Sachsen-Weimar u. Altenburg, u. zählte 1861 auf 84,23 QM. 827, 245 meist lutherische Einwohner in 58 Städten u. 771 Dörfern (incl. 16 Marktflecken); wird eingetheilt nächst 5 Amtshauptmannschaften (Chemnitz, Zwickau, Annaberg, Plauen u. die Schönburgische Receßherrschaft) in I. das Bezirksgericht Annaberg mit den Gerichtsämtern Annaberg, Ehrenfriedersdorf, Geyer, Grünhain, Jöhstadt, Lengefeld, Marienberg, Oberwiesenthal, Scheibenberg, Wolkenstein u. Zöblitz; in II. das Bezirksgericht Chemnitz mit den Gerichtsämtern Chemnitz, Augustusburg, Frankenberg, Limbach, Öderan, Stollberg u. Zschopau; in III. das Bezirksgericht Eibenstock mit den Gerichtsämtern Eibenstock, Auerbach, Johanngeorgenstadt, Klingenthal, Schneeberg u. Schwarzenberg; in IV. das Bezirksgericht Plauen mitden Gerichtsämtern Plauen, Adorf, Elsterberg, Falkenstein, Markneukirchen, Ölsnitz, Pausa, Schöneck u. Treuen, u. in V. das Bezirksgericht Zwickau mit den Gerichtsämtern Zwickau, Krimmitschau, Kirchberg, Lengenfeld, Reichenbach, Remse, Werdau u. Wildenfels; hierüber die obgedachten Schönburgischen Herrschaften, s.d. Boden von geringer Fruchtbarkeit u. bergig durch das Erzgebirge (s.d.), mit viel Waldung; Gewässer sämmtlich in nördlicher Richtung der Elbe zufallend u. zwar durch die Zwickauer Mulde mit dem Schwarzwasser, der Chemnitz, Zschopau u. Flöhe, sowie durch die in die Saale mündende Elster u. Pleiße; Gewerbe: ergiebiger Bergbau auf Eisen, Kobalt u. Steinkohlen, viel Eisenhütten; wichtige Fabrikindustrie in gewebten u. gewirkten Waaren, Holz-, Eisen- u. Metallwaaren, Blaufarbe, Porzellan, Glas etc., überhaupt der gewerbreichste Theil Sachsens. 2) Bezirksgericht u. Gerichtsamt in obgedachtem Kreise, letzteres 1861 mit 43, 399 Ew. in 1 Stadt u. 26 Dörfern; 3) Amts- u. Kreisstadt darin u. Sitz der Kreisdirection u. des Appellationsgerichts für den obgedachten Kreis, sowie einer Amtshauptmannschaft, einer Superintendentur u. eines Hauptsteueramts, an der Mulde, über welche 4 Brücken (darunter 2 eiserne) führen, hat Ringmauern, ein königliches Schloß (Osterstein, seit 1775 Zuchthaus), 5 Kirchen (worunter 1 katholische u. die große Marienkirche, eines der schönsten gothischen Baudenkmäler Sachsens mit 314 Fuß hohem Thurme u. der größten Glocke Sachsens), Kreiskrankenstift, schönes Gerichtshaus, antikes Gewandhaus mit Theater, Kaserne, Hospital, Gymnasium, Bürger-, Handels- u. Sonntagsschule, Rathsbibliothek von mehr als 20,000 Bänden u. werthvollen Manuscripten, Gasbeleuchtung, Sparkasse, Gewerbverein, Hauptsitz des Döhnerschen Volksschriftenverbreitungsvereins, 2 Buchdruckereien, 5 Buchhandlungen, 2 Maschinen- u. 3 chemische Fabriken, 1 Glasfabrik, 1. Porzellan-, 1 Papier-, 1 Spinn- u. 1 Tuchfabrik, Öl-, Graupen- u. Bretmühlen, Nagelschmiederei, Gerberei u. Getreidemärkte. Z. ist einer der wichtigsten Knotenpunkte des Sächsischen Westlichen Staatseisenbahnsystems u. einer der verkehrsreichsten Bahnhöfe des europäischen Continents (täglich über 100 planmäßige Züge); es steht durch Zweigbahn über Werdau mit der Sächsisch-Baierischen Bahn (Leipzig-Hof) in Verbindung u. ist Kopfstation der Niedererzgebirgischen (Zwickau-Chemnitz-Riesa) u. der Obererzgebirgischen Bahn (Zwickau-Schwarzenberg), außerdem führen mehre Zweigbahnen nach den großen umliegenden Steinkohlenwerken; 1864 : 22, 328 Ew. Hauptsächlich wichtig u. bekannt ist Z. durch seinen Steinkohlenbau, welcher sich nächst dem Stadtweichbild auf die Fluren der benachbarten Dörfer Bockwa, Oberhohndorf, Reinsdorf, Schedewitz, Niederkainsdorf, Planitz (s.d.) u. Marienthal erstreckt;[768] die meist von Actienvereinen mittels Dampfkraft ausgebeuteten Werke veranlassen einen wichtigen Kohlen- u. Cocshandel. – Z. (neulat. Cygnea, d.i. Schwanenstadt), wurde von den Sorben als Hauptort des Gaues Z. od. Schwanfeld angelegt u. soll seinen Namen von dem slawischen Feuergott Zwicz haben. Urkundlich kommt Z. seit 1118, als Stadt aber erst seit 1212 vor. Um jene Zeit (1118) war Z. von der böhmischen Krone an die Gräfin Bertha von Groitzsch, die Stifterin der (im 16. Jahrh. neuerbauten) Marienkirche, übergegangen, nach deren Tode es an das Wettinsche Grafenhaus fiel, bis es 1290 die Reichsunmittelbarkeit erwarb. In dieser Eigenschaft einer Reichs- od. eigentlich Reichsdomänenstadt behauptete sich Z. im Bunde mit Altenburg u. Chemnitz jedoch nur bis 1348, in welchem Jahre es nach mehrjähriger Verpfändung in den erblichen Besitz der Markgrafen von Meißen u. so an das heutige Sachsen überging. Vom Jahre 1348 datirt sich auch das alte Stadtrecht u. 1444 erwarb Z. die bis 1853 besessene Gerichtsbarkeit eigenthümlich, nachdem sie dieselbe früher pachtweise ausgeübt hatte. Großen Einfluß auf die Blüthe der Stadt hatte 1470 die Entdeckung der Schneeberger Silberbergwerke, welche zeitweilig die Anlegung einer Münze veranlaßten. 1518 residirte ein Jahr lang der Herzog Johann, aus Weimar durch die Pest vertrieben, auf dem dasigen Schlosse, welches schon 1292 vorkommt u. 1590 neugebaut wurde; 1775 wurde das Zuchthaus in dasselbe verlegt. Von den Folgen des Dreißigjährigen u. des Siebenjährigen Kriegs, von welchen bes. der erstere die Stadt schrecklich heimsuchte, hat sich dieselbe erst in der neueren Zeit wieder erholen können. Hauptbrände: 1328, 1375, 1383, 1387, 1403, 1430, 1458, 1547, 1632 u. 1640. Historisch merkwürdig ist noch, daß die Lateinische Schule (seit 1835 Gymnasium) schon im 15. Jahrh. eines weit ausgebreiteten Rufes sich erfreute, daß Z. eine der ersten Städte war, in welcher die Reformation Eingang fand, daß von hier die Wiedertäufersecte ausging, daß die Tuchmacherei sonst das Hauptgewerbe war u. zu Anfang des 16. Jahrh. 600 Meister beschäftigte. Seinen mächtigen Aufschwung in der neuesten Zeit dankt Z. hauptsächlich dem obgedachten Steinkohlenbau, welcher, obwohl er in der Nachbarschaft (zu Planitz) schon im grauen Alterthum begonnen, auf dem Stadtgebiet erst 1837 sündig geworden ist. Vgl. Herzog, Chronik der Kreisstadt Z., Zwickau 1839 ff., 2 Thle.; Derselbe, Geschichte des Zwickauer Steinkohlenbaues, Dresd. 1852. 4) Stadt u. Bezirkshauptort des böhmischen Kreises Leitmeritz, am Boberbache, hat Bezirks- u. Steueramt, Spital, Bierbrauerei, Baumwollmaschinenspinnereien, Garnfärbereien, Glasperlenschleisereien; 4330 Ew.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 768-769.
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