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Schneider [1]

[347] Schneider, 1) (Kleidermacher), zünftige Handwerker, welche Manns- u. Frauenkleider verfertigen, daher man auch Manns- u. Frauenschneider unterscheidet, welche aber nur eine Zunft ausmachen. Die Jagdschneider, welche die Jagdtücher, u. die Zeltschneider, welche die Zelte für die Armeen verfertigten, gehörten auch zu derselben Zunft, sind aber jetzt selten. In vielen Städten unterhalten die S. Kleidermagazine, in welchen man allerlei neue Kleider fertig kaufen kann. Weiblichen Personen (Schneidermädchen) ist od. war es zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten untersagt Kleider anzufertigen. In England werden Frauenkleider nur von weiblichen Personen gemacht. Das erste Geschäft des S-s ist Anmessen[347] (Maßnehmen) der Kleidungsstücke; ehemals wurde mittels der Maße, d.h. langer zusammengebrochener Papierstreifen, die Länge u. der Umfang der einzelnen Theile des Körpers gemessen u. einzeln durch gewisse Einschnitte in das Maß bemerkt, neuerdings bedienen sich die S. häufiger eines Rollmaßes (s.d.) od. eines Bandmaßes, welches durch Golddruck in Zolle u. Linien od. in Centimeter getheilt ist, zum Anmessen u. notiren die gefundenen Maße in die Schreibtafel. Selten fertigen die S. die Kleider an, ohne ein Maß zu nehmen. Nach dem Maße werden die Umrisse der zu dem Kleid nöthigen Stücke auf das auf dem Werktische liegende Zeug mit Kreide aufgezeichnet u. darauf das Kleid zugeschnitten. Ob das Kleid gut sitzt, erfährt der S. durch das Anprobiren; wenn er dabei bemerkt, daß beim Zuschneiden ein Fehler vorgekommen ist, so muß er denselben noch verbessern. Darauf wird erst das Kleid fertig genäht, wobei man sich jetzt vielfach der Nähmaschinen (s.d.) bedient, während sonst alles Handarbeit war. Zuerst werden die Theile des Kleides flüchtig mit weiten Stichen mit dem Anschlagfaden aneinander befestigt (angeschlagen); bei den Ärmeln nennt man dies einwerfen; sodann dieselben mittelst der Stoßnaht (s. Naht f) angestoßen. Hierauf wird das auch vorher flüchtig auf das Kleidungsstück befestigte Futter u. die Taschen angenäht; da wo das Kleidungsstück weit sitzen soll, od. wo ein Fehler des Wuchses verborgen werden soll, Watte eingelegt u. gehörig durchnäht (abgesteppt), bei Röcken der Kragen aufgesetzt u. die Knöpfe angenäht. Noch während dieses Verfahrens pflegt der S. die Nähte mehrmals zu bügeln u. zuletzt wird das ganze Kleidungsstück nochmals aufgebügelt, um die Nähte glatt u. die Knopflöcher erhaben zu machen, wobei mit dem auf Kohlen heiß gemachten Bügeleisen auf dem Kleidungsstück sorgfältig hingestrichen wird u. wobei die Nähte, bes. die der Ärmel, auf ein vierkantiges, glattes Holz (Bügelholz) u. die Knopflöcher in ein Kerbholz gelegt werden. Das Bügeln geschieht auf einem kleinen, aus Anschrot zusammengemachten Bügelteppich (Bügeltuch). Das Meisterstück des S-s besteht gewöhnlich in einem vollständigen Männeranzug u. einem Priesterrock. – Die S. rühmen sich, daß ihre Kunst die älteste sei, weil schon Adam u. Eva nach ihrer Verweisung aus dem Paradies Kleider getragen hätten. Im Alterthume beschäftigten sich die Männer nicht mit Anfertigung der Kleidungsstücke; die Weiber webten die Gewänder u. vollendeten sie dann noch, so viel es nöthig war; so bei den Hebräern, Griechen u. Römern. Besondere Handwerker brauchte man zum Verfertigen der Kleider nicht, weil weder die Moden wechselten, noch auch wegen der Tracht an sich etwas Kunstgemäßes gefordert wurde. Nur der Leibrock (Chiton, Toga) wurde für Größe u. Beschaffenheit des Körpers gemacht, die Obergewänder waren mehr zum Umschlagen u. brauchten des genauen Anpassens nicht. Daher war die Beschäftigung der S. (gr. Akestike) keine Kunst u. sowohl Mannspersonen (gr. Akestes, lat. Sarcinator, Sartor) als Weiber (gr. Rhaptis, lat. Sarcinatrix) waren gewöhnliche Leute od. Haussklaven, welche sich mehr mit dem Ausbessern der Kleider beschäftigten. Bemerkenswerth ist, daß schon die alten römischen Rechtsquellen es als Diebstahl betrachteten, wenn Einer ein zum Ausbessern erhaltenes Kleid zeitweilig selbst trug; 2) scherzhafte Benennung der Hirsche unter vier Jahren; 3) S. werden, S. sein, in den Spielen, bei welchen die Points der Gewinn u. Verlust bestimmen, weniger Points in seinen Stichen haben, als erforderlich sind, um den Verlust des Spieles nur einfach zu bezahlen (in den meisten Spielen ist es die Hälfte der Anzahl der Points, welche zum Gewinnen des Spiels erforderlich ist). Diese Zahl bekommen, heißt aus dem S. sein od. kommen. S. machen dagegen, so viel Points machen, daß die Gegner dieselbe nicht bekommen u. doppelt zahlen müssen; 4) so v.w. Schneiderfisch.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 347-348.
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